Nadine Keßler: Wachstum des Frauenfußballs erreicht neue Höhen
Montag, 4. Juli 2022
Artikel-Zusammenfassung
Der Frauenfußball ist in den letzten Jahren immer populärer geworden und mit der in diesem Sommer anstehenden Frauen-EM-Endrunde stehen die Zeichen gut, dass der Frauenfußball noch mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.
Nadine Keßler, Bereichsleiterin Frauenfußball bei der UEFA und ehemalige Europameisterin, erklärt im Gespräch, welche Fortschritte bisher erzielt wurden und was in Zukunft vom Frauenfußball zu erwarten ist.
Top-Medien-Inhalte des Artikels
Artikel-Aufbau
Die Frauen-Europameisterschaft hat seit ihrem ersten Spiel vor 40 Jahren eine lange Entwicklung hinter sich und steht heute als weltweit bedeutende Sportveranstaltung da. Was sind die Gründe für dieses Wachstum?
Es ist ein fantastisches Jahr für den Frauenfußball. Im Laufe vieler Jahre hat die UEFA die Voraussetzungen für ein kontinuierliches Wachstum des Klub- und Nationalmannschaftsfußballs geschaffen, das in jüngster Zeit einen exponentiellen Verlauf angenommen hat. Dies wäre ohne das steigende Interesse von Nationalverbänden, Klubs und anderen Interessenträgern sowie deren Anstrengungen nicht möglich gewesen. Die wichtigste Aufgabe der UEFA besteht darin, die entsprechende Unterstützung bereitzustellen. Seit 2019 wurde dies mit der Einführung der UEFA-Frauenfußballstrategie „Zeit zu handeln“ auf eine ganz neue Stufe gehoben.
Was hat „Zeit zu handeln“ konkret bewirkt?
Stand heute verfügen 42 unserer 55 Mitgliedsverbände über eine eigene Strategie für den Frauenfußball – dies ist entscheidend, um Fortschritte zu messen und zu unterstützen. Auf Klubebene zeigt das für alle Erstligisten aufgesetzte Solidaritätsprogramm der UEFA Women’s Champions League erste Früchte, wenn es um die Anhebung der Standards in ganz Europa geht. Gleichzeitig ist unser kommerzielles Programm ein überwältigender Erfolg! Unsere Sponsoringpakete sind alle verkauft, wobei wir neue Partner an Bord holen und bestehende Kooperationen intensivieren konnten.
Mit der Änderung des Wettbewerbsformats der UEFA Women’s Champions League und der zentralen Vermarktung der TV-Rechte konnten wir den Wettbewerb komplett neuen Zielgruppen erschließen. Die Auswirkungen sind beeindruckend, wenn man nur an die unglaublichen Zuschauerzahlen und die Medienberichterstattung in der abgelaufenen Saison denkt. Auch für die EM-Endrunde werden Rekordzuschauerzahlen in den Stadien und an den Bildschirmen erwartet – die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen gesagt wurde, dass sich niemand für den Frauenfußball interessiert.
Die EM-Endrunde ist ein großer Moment für uns, der größte sogar, aber sie bietet uns auch die Plattform, weiterzumachen und den Frauenfußball wirklich auf ein neues Niveau zu heben.
Wie können Mädchen und Frauen von dieser Entwicklung profitieren?
In der Strategie geht es um die Unterstützung des Frauenfußballs von der Basis bis zur Spitze. Wir waren fest entschlossen, unseren Worten Taten folgen zu lassen und eine der wichtigsten Prioritäten war die Erhöhung der Teilnehmerzahlen; alles andere ergibt sich von selbst. Das in Zusammenarbeit mit Disney entwickelte Programm UEFA Playmakers bietet fünf- bis achtjährigen Mädchen erste, nie dagewesene Schritte im Fußball. Das Programm wird mittlerweile in 46 Ländern umgesetzt und 82 % der Teilnehmerinnen hatten zuvor noch nie Fußball gespielt. Darüber hinaus konnten wir im Rahmen der Kampagne Together #WePlayStrong eine Gemeinschaft aus fußballspielenden Jugendlichen schaffen – die Posts in den sozialen Medien erzielten Hunderte Millionen von Impressions.
Was tut die UEFA sonst noch, damit sich mehr Frauen im Fußball engagieren?
Wir sind auf einer Reise, auf der wir bereits viele Fortschritte erzielt haben, aber noch nicht am Ziel angekommen sind. Die stärkere Beteiligung von Frauen in UEFA-Gremien ist ein strategisches Ziel, das wir bereits zu ca. 75 % erreicht haben. Wir sehen einen Anstieg von 53 % an Verbänden mit eigenen Führungsstrukturen im Frauenfußball und 55 % mehr Absolventinnen der UEFA Academy, in der verschiedene akademische Fußballkurse angeboten werden. Im Fußball selbst wurden über 300 Stipendien für Trainerinnen geschaffen und das Niveau der Schiedsrichterinnen steigt immer weiter. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Stéphanie Frappart in einer Champions-League-Partie der Männer – der erste Schritt auf einem Weg, den mittlerweile viele weitere beschritten haben.
Wie sieht die Zukunft aus?
Diese enormen Fortschritte, die der Frauenfußball macht, werden dessen Wahrnehmung weiter positiv verändern, aber wir wollen noch mehr tun. Wir wollen die Standards in unseren Wettbewerben ab den Nachwuchsstufen weiter erhöhen, wir wollen die weltweite Sichtbarkeit steigern und erstklassige Turniere wie die Women’s EURO ausrichten. Die EM-Endrunde ist ein großer Moment für uns, der größte sogar, aber sie bietet uns auch die Plattform, weiterzumachen und den Frauenfußball wirklich auf ein neues Niveau zu heben.
Dieser Artikel stammt ursprünglich aus UEFA Direct Nr. 198