Bielsa treibt Athletic unermüdlich voran

Auf den ersten Blick mag man Marcelo Bielsa nicht als Person einschätzen, die einfach mal so dem Sonnenuntergang entgegensegelt, doch wenn sein Athletic Club heute Abend das Endspiel der UEFA Europa League gegen Club Atlético de Madrid gewinnt, könnte er genau das tun.

In Bilbao liegt ein Boot am Kai, welches Athletic stets an die lange Zeit ohne Titelgewinn erinnert - ihre gabarra. Ab und zu bekommt das Boot neue Farbe und regelmäßig rückt auch die Putzkolonne an, allerdings kommt das Boot schon seit 28 Jahren nicht mehr zum Einsatz.

Die gabarra ist für Athletic das, was für Borussia Dortmund ein schwarz-gelber Bus bei der Meisterfeier darstellt - es ist das Boot, auf dem die Titel gefeiert werden. Auf dem 25 Meter langen Kahn haben sich zuletzt 1984 Mannschaft und Betreuer begeben, um das nationale Double vor tausenden Anhängern, die am Ufer des Flusses Ibaizabal standen, zu feiern. Seitdem ist das Boot fest vertäut, aber Bielsa hat den Knoten schon etwas gelockert.

Man hat sogar zwei Chancen zur Wiederbelebung des Partyboots, aber vorerst spielt das Endspiel um den Copa del Rey gegen den FC Barcelona am 25. Mai nur eine untergeordnete Rolle, der Fokus liegt voll auf dem Duell mit Atlético: "Wir müssen unser normales Spiel aufziehen und das Beste aus unseren Stärken machen, so ist der Sieg am ehesten drin", meint Bielsa. "Es ist ein Endspiel und die Emotionen - auch meine - sind sehr hoch. Wichtig ist aber, dass man diese besonderen Dinge dann im Spiel zu seinen Gunsten nutzen kann."

Der Argentinier hat die Mannschaft seit seiner Ankunft im letzten Juli quasi revolutioniert und auf ein neues Niveau gehoben. Man verteidigt als Team und greift jetzt auch als Mannschaft an, alles in einem enorm hohen Tempo. Genau so hat es Bielsa schon bei seinem Durchbruch als Trainer bei CA Newell's Old Boys gemacht, als er Youngster wie Gabriel Batistuta und Mauricio Pochettino integrierte. In dieser Saison bekamen unter anderem Manchester United FC und der FC Schalke 04 am eigenen Leib zu spüren, wie schwierig es ist, gegen eine Mannschaft von Bielsa zu spielen.

Es gab anfangs durchaus Probleme, aber die Entwicklung seitdem ist phänomenal. Der Spitzname Loco, der Bielsa schon längere Zeit anhängt, hat durchaus seine Wirkung. "Ein Mann mit neuen Ideen ist so lange ein verrückter Mann, bis er Erfolg hat", sagte Bielsa einst.

Der 56-Jährige achtet enorm auf Disziplin und ist bekannt für seine extrem hohe Arbeitsmoral. Es kommt öfter vor, dass er selbst in Athletics Trainingszentrum Lezama das Licht ausmacht und genau deshalb haben ihn die Spanier als Nachfolger von Joaquín Caparrós verpflichtet. Bei einem Gespräch mit der Vereinsführung legte er Analysen von Athletics Ligaspielen vor - und zwar von allen 38 der abgelaufenen Saison. Brillant oder verrückt? Es ist ein schmaler Grat, aber wenn die gabarra in den nächsten Wochen wieder ihre Segel setzt, wird es ganz Bilbao völlig egal sein.