Schwere Zeiten in Zürich
Freitag, 15. Februar 2008
Artikel-Zusammenfassung
Der FC Zürich hat sieben der letzten acht Spiele verloren und befindet sich nach vielen Abgängen und Verletzungssorgen in argen personellen Problemen.
Top-Medien-Inhalte des Artikels
Artikel-Aufbau
Der FC Zürich ist nach zwei Meistertiteln in Folge in eine schwierige Phase geraten. Das Team hat sieben der letzten acht Spiele verloren und hat nach vielen Abgängen und Verletzungssorgen arge personelle Probleme.
Favres Abgang
Der FC Zürich hat zwei wunderbare Spielzeiten hinter sich. Er nahm dem Schweizer Branchenführer FC Basel 1893 im letzten Spiel der Saison 2005/2006 den Meistertitel ab und er bestätigte diesen Erfolg in der vergangenen Saison mit Trainer Lucien Favre und dem neuerlichen Titelgewinn. Doch dann kam es zum großen Bruch, der Trainer ging zu Hertha BSC Berlin in die deutsche Bundesliga, Nachfolger wurde Bernard Challandes, ein Ausbilder und Motivator, der zuletzt für den Schweizerischen Fussballverband (SFV) als Verantwortlicher der U21-Auswahl tätig gewesen war.
Vier Nationalspieler gingen
Dazu verlor der FCZ seit dem vergangenen Sommer zahlreiche seiner Leistungsträger: Angefangen bei den Schweizer Nationalspielern Gökhan Inler (Udinese Calcio), Blerim Dzemaili (Bolton Wanderers FC), Xavier Margairaz (CD Osasuna) und Steve von Bergen (Hertha BSC Berlin), über den tunesischen Stürmer Santos (zurück zu Toulouse FC) bis hin zu den Brasilianern Clederson César (in die Vereinigten Arabischen Emirate) und nun im Winter Stürmer Raffael (Hertha BSC Berlin). Das ist mehr als eine halbe Mannschaft und das Gefüge hat trotz des Zuzugs qualitativ guter Fußballer in seiner Homogenität doch gelitten.
Stabilität verloren
Die Neueinkäufe kamen aus Tunesien, aus Schweden, aus Nigeria, aus Griechenland und Frankreich – und nur in den wenigsten Fällen waren die Fußballer auf die Anforderungen in der Schweizer Super League so richtig vorbereitet. Die Anfangsphase der Saison verlief noch gut, doch seit die Zürcher in der UEFA-Pokal-Gruppenphase die Doppelbelastung tragen müssen, ging die Stabilität verloren. Von den letzten acht Wettbewerbsspielen gewann der FCZ zuletzt nur noch die Partie zum Rückrundenstart gegen den Tabellenvorletzten FC Thun mit 1:0. Die übrigen Spiele gingen verloren – die beiden Niederlagen im UEFA-Pokal gegen den FC Spartak Moskva (0:1) und Bayer 04 Leverkusen (0:5) hatten in einer Phase, in der die Luft im vergangenen Dezember vollends auszugehen schien, immerhin keine Konsequenzen mehr auf die Qualifikation für die Runde der letzten 32, in der es nun gegen den Hamburger SV geht.
Fehlende Ordnung
Das Hinspiel gegen den HSV ging mit 1:3 klar verloren und die Chancen für das Rückspiel am kommenden Donnerstag sind nicht gerade rosig. Challandes sagte nach der Heimniederlage auf internationaler Bühne: „In der ersten Halbzeit haben wir es gut gemacht und waren sehr aggressiv. In der zweiten Halbzeit haben wir dann die Ordnung verloren und nicht mehr gut gespielt. Der HSV hat eine großartige Mannschaft und wir sind nach dem Spiel sehr enttäuscht.“ Ebenso enttäuschend war die 0:1-Schlappe beim Tabellenletzten der Super League, dem FC St. Gallen, nach der Challandes mangelnde Kreativität bemängelte: „In St. Gallen sind wir alle zusammen nicht souverän aufgetreten. Wir müssen die Fehler zuerst bei uns suchen, denn wir erspielen uns zu wenig Chancen.“
Tihinen mit Spritze
Mittlerweile muss sich Coach Challandes mit einem Kader auseinandersetzen, der seine Zeit brauchen wird, um wieder eine kompakte Startelf bieten zu können. Der Teamleader und Kapitän Hannu Tihinen, Innenverteidiger auch in Finnlands Nationalmannschaft, laboriert seit einiger Zeit an einer Ansatzentzündung der Fußplattensehne am Fersenbein (im Volksmund 'Fersensporn' genannt) und konnte zuletzt bei der Niederlage beim Tabellenletzten FC St. Gallen nur mit einer schmerzstillenden Spritze antreten. Ob die Probleme in den Griff zu bekommen sind, bleibt offen. Dazu sind mit Yassine Chikhaoui und Onyekachi Okonkwo zwei zentrale Spieler eben erst von ihren Einsätzen beim Afrika-Pokal zurück und werden schon vermisst.
Lichtblick Chikhaoui
Chikhaoui, der Tunesier, der in Afrika für Furore sorgen konnte, war in der Hinrunde so etwas wie die Attraktion der Liga, vielleicht überdeckte er sogar mit seiner individuellen Klasse die Entwicklung, die der FC Zürich im Kollektiv zu nehmen drohte. Chikhaoui gilt als großer Techniker, der ein Spiel allein entscheiden kann, aber er ist auch launisch und hat gerade auf internationaler Bühne dem FCZ noch nicht entscheidend weitergeholfen. Nach den guten Auftritten beim afrikanischen Kontinentalturnier hofft man nun in Zürich auf eine Fortsetzung im Verein, befürchtet aber gleichzeitig, dass der Techniker auch für andere Klubs interessant geworden ist.
Anschluss halten
Dass die Entwicklung auch Trainer Challandes nicht gefällt, liegt auf der Hand. Beim Auftritt in St. Gallen wurde der Coach zudem vorzeitig auf die Tribüne geschickt, ein Indiz für die angespannte Situation. Nun will Challandes die Zügel wieder anziehen, denn noch ist ja nichts verloren. Nur einen Punkt Rückstand hat der FCZ auf den Tabellenzweiten BSC Young Boys, sechs sind es auf Spitzenreiter Basel. Doch um den Anschluss nicht zu verlieren, müssen jetzt Siege her, am besten ein paar in Folge.