Viktor Kassai: vom Referee zum Funktionär – über die Arbeit als Schiedsrichter und berufliche Weiterentwicklung
Donnerstag, 26. Oktober 2023
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Ein Gespräch mit Viktor Kassai, ehemaliger Topreferee und Absolvent des UEFA-Master-Studienkurses für Nationalspieler (UEFA MIP), über seine Arbeit als Schiedsrichter und wie sie sein Leben geprägt hat.
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Seit mehr als 20 Jahren ist Viktor Kassai ein bekanntes Gesicht im Fußball. 2003 figurierte er erstmals in der Liste der FIFA-Schiedsrichter. Er stand unter anderem bei der FIFA-WM 2010, beim Champions-League-Finale 2011 und bei zahlreichen EM-Endrunden im Einsatz, bevor er seine Schiedsrichterkarriere 2020 schließlich beendete.
Heute ist er eine Schlüsselfigur beim Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB), wo er als technischer Direktor für Elitereferees verantwortlich zeichnet. Diese Funktion trat er an, nachdem er den UEFA-MIP absolviert hatte, einen zweijährigen Master-Studiengang in Fußballmanagement, der von der UEFA Academy in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Sportrecht und -ökonomie (CDES) der Universität Limoges und dem Birkbeck Sport Business Centre der Universität London angeboten wird.
Er erklärt, welche Rolle das Schiedsrichterwesen in seinem Leben spielt, wie wichtig Aus- und Weiterbildungen sind und was es braucht, um als Spielleiter erfolgreich zu sein.
Warum haben Sie sich entschieden, Schiedsrichter zu werden?
Mein Vater war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für mich. Auch er war Schiedsrichter. Von ihm wusste ich, dass das eine besondere Karriere und ein toller Job ist. Er war wirklich fußballbegeistert, und ich eben auch. Eine Karriere als Referee ist eine ausgezeichnete Option für alle, denen das Talent als Spieler fehlt, die so aber trotzdem eine aktive Rolle im Fußball spielen können.
Was haben Sie in den Jahren Ihrer aktiven Karriere gelernt?
Ich denke, dass es gerade für junge Menschen ganz besonders wichtig ist, zu lernen, Teil eines Teams und einer Organisation zu sein, zum Beispiel in einem Regionalverband. Dort trifft man auf Hunderte von Unparteiischen – in jedem Alter, Männer und Frauen. Da treffen ganz unterschiedliche Lebensgeschichten aufeinander. Als junger Spielleiter lernst du, wie man mit Menschen und ganz verschiedenen Charakteren umgeht. Es ist eine fantastische Schule fürs Leben.
Haben Sie Ratschläge für junge Referees, die sich auf diesem Gebiet weiterentwickeln möchten?
Man lernt nie aus. Vor allem am Anfang. Zu Beginn der Karriere muss man Geduld aufbringen und sich einarbeiten. Das ist keine Frage von Wochen oder Monaten, sondern von vielen Jahren.
Warum haben Sie sich entschieden, an einem Programm wie dem UEFA-MIP teilzunehmen?
Ich habe mich angemeldet, weil mir am Ende meiner aktiven Karriere klar wurde, dass ich noch etwas anderes machen wollte. Ich wollte den Fußball noch aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen. Als Schiedsrichterverantwortlicher oder im Vorstand eines Vereins brauchst du Kenntnisse in ganz unterschiedlichen Bereichen. Man muss über den Tellerrand schauen. Ich wollte von anderen lernen. Das Schiedsrichterwesen ist nur ein ganz kleiner Teil des Fußballs.
Und wie war es, gemeinsam mit ehemaligen Nationalspielern die Schulbank zu drücken?
Es war spannend, denn ich hatte eine ganz andere Sichtweise. Ich habe die Dinge aus der Sicht eines Referees betrachtet, und meine Mitstreiter eben aus der Spielerperspektive. So haben wir dasselbe Thema aus anderen Blickwinkeln besprochen, das war wirklich ergiebig. Für die Spielerinnen und Spieler war es gut, die Arbeit der Unparteiischen besser zu verstehen. Das gilt natürlich auch andersherum.
Gibt es Fähigkeiten aus Ihrer aktiven Zeit, die sich in den verschiedenen Seminaren und Veranstaltungen anwenden ließen?
Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sind weitestgehend sehr disziplinierte Menschen. Für sie besteht die Vorbereitung oft aus langen Seminaren und Vorträgen, das kannte ich also schon gut. Aber für die Spieler war es sicher schwieriger, denn sie sind es gewohnt, für Spiele zu trainieren. Lange Sitzungen gehören da eher nicht dazu. Für mich hat das kein Problem dargestellt, auch nicht das strukturierte Lernen.
Noch eine Frage zum Schluss: Gibt es ein Spiel in Ihrer Karriere, das Ihnen ganz besonders in Erinnerung bleibt?
Wahrscheinlich das Champions-League-Finale 2011 zwischen Barcelona und Manchester United im Wembley-Stadion. Ich denke, dass jeder zu Beginn seiner Schiedsrichterkarriere davon träumt, einmal das Finale in der Königsklasse zu pfeifen. Ich habe über 20 Jahre darauf hingearbeitet, und als es dann soweit war, konnte ich es einfach nicht fassen, in Wembley zu sein. In meiner aktiven Zeit war dies die schönste Erinnerung.
Wie werde ich Schiedsrichter/-in?
Die UEFA hat die neue Kampagne „Werde Schiri!“ auf den Weg gebracht, um Bewusstsein für die Arbeit von Unparteiischen zu schaffen, deren Bedeutung für den Fußball hervorzuheben und junge Menschen dazu zu bringen, eine Karriere als Referee einzuschlagen. Die Kampagne ist Teil eines umfassenden Programms, in dessen Rahmen die UEFA die Nationalverbände bei ihren Rekrutierungsaktivitäten unterstützt. Ziel dabei ist es, pro Saison rund 40 000 neue Schiedsrichter/-innen zu finden.