Von den Tälern in die Alpen: das walisische EM-Abenteuer
Freitag, 4. Juli 2025
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Wenn Wales am Samstag zu seiner EM-Feuertaufe gegen die Niederlande antritt, wird niemand stolzer sein als UEFA-Vizepräsidentin Laura McAllister.
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Für die ehemalige Kapitänin der walisischen Frauennationalelf und aktuell stellvertretende Vorsitzende der UEFA-Kommission für Frauenfußball ist das morgige Spiel ein Meilenstein in der Fußballentwicklung ihres Landes. Im Folgenden erklärt Laura McAllister, wie kluge Investitionen und ein unerschütterliches Streben nach Erfolg dem walisischen Frauenfußball zu dieser Premiere verholfen haben, und bringt ihre Vorfreude auf eine vielversprechende Zukunft für den Frauenfußball in ganz Europa zum Ausdruck.
Laura, wie aufgeregt und stolz sind Sie kurz vor der EM-Premiere der walisischen Frauen?
Ich bin unglaublich aufgeregt und sehr, sehr stolz, dass wir an diesem Punkt angelangt sind, denn es hat lange gedauert.
Ich stand beim ersten offiziellen Länderspiel des walisischen Frauennationalteams auf dem Platz und das war natürlich eine große Ehre. Damals wussten wir aber, dass eine Endrundenqualifikation für uns sehr schwierig sein würde – deshalb ist diese Premiere eine großartige Sache. Es nimmt uns eine Last von den Schultern.
Wenn man mit Trainern von Verbänden spricht, die sich das erste Mal qualifiziert haben, erwähnen sie danach immer die Leichtigkeit des Seins und das mit der Qualifikation einhergehende Selbstvertrauen. Deshalb bin ich sehr stolz, das wir es geschafft haben.
Was erhoffen Sie sich von Ihrem Land bei der Endrunde?
Wir kommen nicht in die Schweiz, um eine Statistenrolle einzunehmen. Wir haben großes Vertrauen in unser Team und wahrscheinlich eine der besten Trainerinnen – wir können uns glücklich schätzen, Rhian Wilkinson in unseren Reihen zu haben.
Die Voraussetzungen sind gut, und wenn man zum ersten Mal an einem solchen Turnier teilnimmt, steht man nicht gerade in der Favoritenrolle. Alle kennen die Spielerinnen und Taktiken der großen Nationen, doch von uns erwartet niemand, dass wir es über Gruppe D hinaus schaffen werden – wir glauben aber, dass das durchaus machbar ist.
Würden Sie als ehemalige Spielerin am liebsten selber mit dem walisischen Team auf dem Platz stehen?
Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als das walisische Trikot zu tragen, die Nationalhymne zu hören und unsere Flagge zu sehen, die eine der markantesten weltweit ist. Man kann die Zeiten jedoch nicht miteinander vergleichen und ich bin wirklich stolz, damals für Wales gespielt zu haben.
Ich bin stolz, dass wir den Weg für unsere Nachfolgerinnen geebnet haben, und das aktuelle Team wird dasselbe für die nächste Generation tun. Ich freue mich sehr für sie und kann unser erste Spiel in Luzern kaum erwarten.
Werden wir die berühmte rote Wand der walisischen Fans in der Schweiz sehen?
Auf jeden Fall! Wir haben 2 500 Tickets über unsere offiziellen Kanäle verkauft, doch natürlich haben sich auch viele Leute Karten über den öffentlichen Verkauf gesichert und wir werden in Luzern und St. Gallen auf eine große Anhängerschaft zählen können.
Ebenso erfreulich ist das Profil der anreisenden Fans, es werden viele Frauen dabei sein, viele Spielerinnen und Coaches aus der Fußballgemeinde, und auch viele Familien. Ich denke, dass wir es in Wales gut verstanden haben, auf unsere Fangemeinde zuzugehen und ihnen eine Stimme zu geben – zuletzt hatten wir großartige Zuschauerzahlen, beim Playoff-Spiel gegen die Republik Irland waren es 18 000.
Das Interesse ist riesig und jetzt müssen wir dafür sorgen, dass unsere Fans dieses Erlebnis genießen können. Das Ziel ist aber, dass sie künftig zu all unseren Spielen kommen, nicht nur zu den großen Turnieren.
Wie kann die Teilnahme an der Women’s EURO das Wachstum des Frauenfußballs in Wales ankurbeln?
Wir haben sehr klug investiert. Wir sind ein mittelgroßer Verband, aber in der jüngeren Vergangenheit waren wir mit den Männern sehr erfolgreich. Deshalb war es ungewöhnlich, dass es bei den Frauen noch nicht ganz klappte.
Wir haben uns schon lange vor der Qualifikation mit der Zukunft auseinandergesetzt, das war eine unserer strategischen Prioritäten. Deshalb sind wir bereits auf gutem Weg, unsere Zielsetzungen hinsichtlich der Teilnehmerzahlen zu übertreffen, nicht nur was die Spielerinnen, sondern auch was Trainerinnen und Schiedsrichterinnen betrifft.
Die Zahl der registrierten Spielerinnen ist seit 2021 um 52 % auf nunmehr über 19 000 gestiegen, davon sind knapp 13 000 Mädchen zwischen 6 und 13 Jahren.
In den letzten drei Jahren hat die Walisische Fußballstiftung GBP 4 Mio. (EUR 4,66 Mio.) in frauengerechte Einrichtungen und Umkleidekabinen sowie weitere GBP 4,5 Mio. (EUR 5,24 Mio.) in den Bau von Kunstrasenfeldern in Standardgröße mit wöchentlichen geschützten Trainingsmöglichkeiten für Frauen und Mädchen investiert. Weitere GBP 500 000 (EUR 582 000) fließen jedes Jahr in den Betrieb von zwei regionalen Mädchenakademien.
Außerdem wollen wir mehr weibliche Stimmen im Fußball haben – Frauen in Führungspositionen, in Vorständen, in Regionalverbänden und Vereinen. Die Qualifikation für die Women’s EURO gibt uns einen enormen Schub und ermöglicht es uns, diese Ziele schneller zu erreichen.
Man kann sich nicht erst mit diesen Themen befassen, wenn man sich für ein großes Turnier qualifiziert hat – das muss Teil einer übergeordneten Strategie sein, damit man vorbereitet ist, wenn sich der sportliche Erfolg einstellt.
Gibt es andere Nationalverbände, von denen Wales sich bei der Entwicklung des Frauenfußballs inspirieren ließ?
Da gibt es einige. Ich habe viel Zeit mit Kolleginnen und Kollegen in Portugal verbracht, wo wir darüber gesprochen haben, wie sie den Frauenfußball dort aufgestellt und wie sie sich für die WM und nunmehr drei EM-Endrunden in Folge qualifiziert haben.
In den Niederlanden und in den skandinavischen Ländern ist der Frauen- und Mädchenfußball kulturell verankert, doch jetzt zeigt es sich, dass wir mit diesen Teams Schritt halten können – gegen Schweden haben wir in der UEFA Women’s Nations League zuhause und auswärts unentschieden gespielt. Lise Klaveness, die Präsidentin des Norwegischen Fußballverbands, ist eine gute Freundin und gehört auch dem UEFA-Exekutivkomitee an. Wir sprechen regelmäßig darüber, wie Norwegen seine Investitionen im Laufe der Zeit erhöht hat.
Wichtig ist aber auch, dass wir ein eigenes Modell haben und unserer walisischen Art, zu spielen und zu trainieren, treu bleiben. Die UEFA-Pro-Lizenz-Kurse gehören zu den besten in Europa und locken zahlreiche sehr talentierte ehemalige Spielerinnen an, die ihren Trainerschein bei uns machen.
Die Zusammenarbeit zwischen der UEFA und den Nationalverbänden dürfte mit Blick auf die Weiterentwicklung des Frauenfußballs ebenfalls wichtig sein...
Ja, wir müssen alle mit an Bord bringen und es ist sehr erfreulich zu sehen, dass Länder wie Gibraltar, Liechtenstein und Luxemburg vor kurzem Nationalteams ins Leben gerufen und in den Frauenfußball investiert haben.
Wir dürfen niemanden zurücklassen und alle, die im Frauenfußball tätig sind, arbeiten sehr kooperativ und tauschen Erfahrungen und Daten aus. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, das Fundament des Frauenfußballs in Europa und darüber hinaus zu stärken.
Auf Elitestufe steigt das Niveau des Frauenfußballs mit der zunehmenden Professionalisierung rasant. Dies bedeutet nicht nur mehr Geld für die Spielerinnen, sondern bringt Verbesserungen auf allen Ebenen mit sich – bessere Spielfelder, bessere Coaches, bessere Kraft- und Ausdauerwerte, bessere medizinische Betreuung, bessere technische Unterstützung. Alles wird besser.
Darum geht es bei der neuen UEFA-Strategie „Unstoppable“, und die damit verbundenen Investitionen in den Frauenfußball sind eine fantastische Sache.
Wie kann die Women’s EURO nach 2025 weiter wachsen?
Durch die neue Strategie dürfte sich das Turnier von selber weiterentwickeln. Wir sehen bereits jetzt ein höheres Sponsoreninteresse und besser dotierte TV-Verträge, was dem Frauenfußball viel Glaubwürdigkeit verleiht. Dass vor Turnierbeginn 600 000 Tickets verkauft wurden, ist fantastisch.
Jetzt geht es darum, die Fangemeinde bei Stange zu halten, denn das Wachstumspotenzial ist phänomenal. Viele dieser Menschen sind neu im Fußball und unterscheiden sich von den Fans im Männerfußball – entsprechend wichtig ist es, wie wir ihr Fanerlebnis gestalten. Vor dem Hintergrund unserer Strategie würde ich damit rechnen, dass die Stadien der UEFA Women’s EURO 2029 sogar noch früher ausverkauft sind.
Eine letzte Frage: Was würden Sie Frauen und Mädchen raten, die Ihrem Weg folgen möchten?
Wenn sich die Chance bietet, sollte man sie packen. Es ist ein großes Privileg, im Fußball zu arbeiten, und der Frauenfußball hat durch sein enormes Wachstumspotential unglaublich viel zu bieten, sei es als Spielerin, Trainerin oder im technischen, medizinischen, administrativen oder im Governance-Bereich.
Jetzt ist ein idealer Zeitpunkt, im Frauenfußball tätig zu sein, denn der Sport entwickelt sich rasant und es gibt unzählige berufliche Möglichkeiten. Wir brauchen kreative Köpfe, neue Perspektiven und Menschen, die etwas Spannendes und Innovatives bieten können.
Nutzen Sie die Gunst der Stunde, Sie werden es nicht bereuen. Die Arbeit im Fußball ist eine der spannendsten und abwechslungsreichsten überhaupt und kann unglaublich bereichernd sein.