Als die Blues ihr blaues Wunder erlebten
Dienstag, 23. April 2013
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Der FC Basel 1893 ist nicht die erste Schweizer Mannschaft, die sich mit Chelsea FC misst. 2000 warf der FC St. Gallen die Blues aus dem UEFA-Pokal – als "1:600-Außenseiter".
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´Marcel Koller gilt als ruhiger Vertreter seiner Zunft. Was sich aber am 28. September des Jahres 2000 im Hardturm-Stadion zutrug, verzückte auch den gelassenen Schweizer Fußball-Lehrer: "Wir haben ein Stück Schweizer Fußballgeschichte geschrieben – phantastisch, ein Highlight", jubilierte der damalige Trainer des FC St. Gallen.
Soeben hatte der amtierende Schweizer Meister den englischen Spitzenklub Chelsea FC aus der ersten Runde des UEFA-Pokals geworfen. Mit dem 2:0 im Zürcher Ausweichstadion korrigierten die Ostschweizer das 0:1, das sie zwei Wochen zuvor an der Stamford Bridge hatten hinnehmen müssen – für Claudio Ranieri, zwischen Hin- und Rückspiel ins Amt gehoben, war es die erste Niederlage als Chelsea-Trainer.
In Erinnerung geblieben ist besonders die erste Hälfte, in der die St. Galler Chelsea keine Luft zum Atmen ließen, frech, mit erstaunlichem Tempo und höchstem technischem Niveau angriffen, die zwei entscheidenden Tore erzielten – und Chancen auf weitere Tore vergaben. "Wahnsinn" sei das gewesen, meinte Trainer Koller, der heutige Nationalcoach Österreichs. "Dabei hatte ich den Jungs in der Vorbereitung gesagt, es sei nicht nötig, die beiden Tore in den ersten zehn Minuten zu erzwingen", fügte er lachend bei.
Sascha Müller, ein schneller Mann auf der rechten Flanke, war einer von denen, die des Trainers Worte überhört haben müssen – so sehr schien er das 1:0 erzwingen zu wollen. Von rechts zog er mit dem Ball am Fuß zur Mitte und spitzelte den Ball an Carlo Cudicini vorbei. Und kurz darauf verwertete Charles Amoah eine flache Hereingabe mit einer Direktabnahme zum 2:0. Der Hardturm tobte wie lange nicht mehr; Chelsea hatte dem Druck der St. Galler schon nach einer halben Stunde nachgeben müssen.
Die Londoner "Times" sprach vom "blauen Wunder", das die Blues in Zürich erlebt hätten. Dieselbe Zeitung hatte den FCSG vor dem Rückspiel noch einen "äußerst bescheidenen Gegner" genannt, einen "1:600-Außenseiter". Koller sagte darauf bloß: "Wie wir wissen, entscheidet im Fußball nicht immer Geld – vielmehr entscheidet das Herz."
Es war nicht so, dass die St. Galler nie hätten ums Weiterkommen zittern müssen. Chelsea steigerte sich nach der Pause, hatte so manche Möglichkeit, das wohl entscheidende Auswärtstor zu erzielen – oder in den Worten Kollers: "Wir mussten das eine oder andere Mal unten durch." Wie der Schweizer Meister aber dagegenhielt, clever, nervenstark und ohne nennenswerte defensive Fehler, machte seinen Erfolg verdient.
Jörg Stiel, nachmaliger Kapitän des VfL Borussia Mönchengladbach, damals im Tor der Ostschweizer, sagt heute: "Chelsea war ein Beweis für die Reife dieser Mannschaft." Es verblüffe ihn noch heute, wie schnell der damalige Schweizer Überraschungsmeister internationale Cleverness erlangt habe. "Das Rückspiel gegen Chelsea war schließlich erst unser viertes internationales Spiel. So schnell zu lernen und Chelsea zu schlagen – das konnte nur unsere damalige Mannschaft", sagt Stiel.
Die ersten beiden internationalen Auftritte der St. Galler Meistermannschaft waren noch enttäuschend verlaufen. Mit dem Gesamtskore von 3:4 hatte Galatasaray SK den FCSG nur einen guten Monat vor dem Chelsea-Triumph am Einzug in die Gruppenphase der UEFA Champions League gehindert.
Der Chelsea-Sieg blieb dann aber der bislang letzte große Erfolg der Ostschweizer; in der zweiten Runde folgte wegen eines Gegentores in der 93. Minute das Aus gegen den Club Brugge KV. Ein Jahr darauf schaffte man es immerhin noch mal in die zweite UEFA-Pokal-Runde – mehr lag nach vielen Abgängen, unter anderem von Stiel, nicht mehr drin.
Mit dem FC Basel 1893 macht längst ein anderer Schweizer Verein von sich reden. Nach den Erfolgen gegen Sporting Clube de Portugal, den FC Zenit St Petersburg oder zuletzt Tottenham Hotspur FC scheint ein Weiterkommen des FCB gegen Chelsea nicht so unrealistisch wie damals im Falle St. Gallens. "Der FCB kann es packen", glaubt Stiel. Jedenfalls dürften die Chancen des FCB auch in London etwas höher beziffert werden als mit 1:600.