Technischer Bericht zur UEFA Champions League: Was die Abschaffung der Auswärtstorregel bringt
Mittwoch, 24. August 2022
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Der Rückblick der Technischen Beobachter der UEFA auf die Saison 2021/22 der UEFA Champions League zeigt, wann und wie die Tore erzielt wurden und wie sich die Abschaffung der Auswärtstorregel bemerkbar gemacht hat.
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Die Technischen Beobachter der UEFA haben jedes Spiel der Saison 2021/22 der UEFA Champions League unter die Lupe genommen und zeigen uns im jährlichen Technischen Bericht neueste Trends in diesem Wettbewerb.
UEFA.com konzentriert sich darauf, wie die Abschaffung der Auswärtstorregel die Spiele beeinflusst hat.
Auch wenn im Mai das Champions League-Finale zum dritten Mal in Folge durch ein einziges Tor entschieden wurde – die längste derartige Serie seit 1978–83 – gab es in der gesamten Saison Tore im Überfluss.
Der gerade veröffentlichte Technische Bericht der Champions League zeigt, dass die 380 Tore, die im Laufe der letzten Saison in diesem Wettbewerb erzielt wurden, die drittmeisten Treffer in einer Spielzeit darstellen, seit das aktuelle Format mit 125 Spielen in der Saison 2003/04 eingeführt wurde. Nur 2017/18 (401) und 2019/20 (386) fielen noch mehr Treffer.
Mit 31 Toren (3,1 Tore pro Spiel) war Bayern München das dritte Jahr in Folge der im Schnitt torfreudigste Klub. Hinter den Münchnern folgt Ajax (2,75), das in acht Spielen 22 Mal getroffen hat.
Neben zahlreichen Statistiken zeigt der Bericht über die Saison 2021/22 aber auch eine Analyse, wie und wann die Treffer gefallen sind – hier ein paar Highlights...
Wann wurden die Tore erzielt...
Erstmals seit 2018 lag die produktivste Zeit für Tore zwischen der 61. und 75. Minute. Aber auch die letzten Spielminuten hatten es - wie fast immer - in sich: 23 % aller Tore fielen zwischen der 76. Minute und dem Ende der zweiten Hälfte, inklusive Nachspielzeit. In dieser Nachspielzeit fielen übrigens 25 Tore – in der Vorsaison waren es noch 18 gewesen.
...und wie wichtig waren sie?
Die Bedeutung dieser späten Tore ist enorm, zehn der 21 Siege in den K.o.-Runden wurden durch einen oder mehrere Treffer nach der 70. Minute sicher gestellt. Gleichzeitig ist eine Lehre dieser Saison, dass es sich durchaus auszahlt, in einem Champions-League-Spiel zuerst zu treffen. In 88 % der 117 Spiele der Saison 2021/22, in denen mindestens ein Tor fiel, holte die Mannschaft, die den ersten Treffer erzielte, zumindest ein Unentschieden, 72% der Teams gewannen sogar ihre Spiele.
Der Weg zum Tor
Bei der Analyse, wie die Tore 2021/22 gefallen sind, zeigt der Technische Bericht, dass Flanken und flache Hereingaben von der Torlinie die erfolgreichste Methode waren, um zum Torerfolg zu kommen: 89 Treffer, also 23 % aller Tore, kamen so zustande. Die zweiterfolgreichste Variante war erfolgreiches Kombinationsspiel (61). 41 Tore wurden durch Pässe vorbereitet, 23 nach langen oder diagonalen Pässen.
Am erfolgreichsten zelebrierten dies die Bayern, die neun Tore durch ihr Kombinationsspiel vorbereiteten. Ajax, Chelsea, Real Madrid und Manchester City waren alle je sechs Mal nach Flanken erfolgreich, hinzu kamen bei Ajax, Madrid und City noch zusätzlich ein Treffer durch einen zurückgelegten Ball. Ajax konnte sich dabei vor allem auf Dušan Tadić verlassen, der 40,4 % seiner Flanken an den Mann brachte, sein Teamkollege Antony legte vier Tore auf.
Real mag's gemächlicher
Die UEFA untersuchte auch, wie schnell die Teams bei ihren Toren zum Ziel kamen und fand heraus, dass von allen Mannschaften in der K.o.-Phase Real Madrid im Schnitt am längsten brauchte, um zum Abschluss zu kommen. Eine durchschnittliche Torschuss-Sequenz des Teams von Carlo Ancelotti dauerte 16,2 Sekunden und bestand aus 5,3 Pässen. Sieben Real-Toren gingen mindestens neun Pässe voraus, das wunderbare Kopfballtor von Karim Benzema im Spiel gegen Chelsea im Viertelfinale beendete eine 59-Sekunden-Sequenz der Madrilenen. Madrid zeigte sich auch extrem kaltblütig, obwohl das Team nur einen xG-Wert (erwartete Tore) von 21,78 aufwies, erzielten die Madrilenen 29 Treffer.
Madrid war aber nicht die einzige Mannschaft, die von ausgefeilten Spielzügen profitierte, Chelsea erzielte sechs Tore nach Sequenzen von neun oder mehr Pässen, die Bayern fünf. Finalist Liverpool spielte vor dem Abschluss im Schnitt drei Pässe innerhalb von 9,5 Sekunden. Es dürfte interessant sein zu sehen, welchen Einfluss Neuzugang Dárwin Núñez auf das Torschussverhalten der Reds hat. Letzte Saison wählte sein alter Klub Benfica von allen Viertelfinalisten den schnellsten Weg zum gegnerischen Tor, im Schnitt benötigten die Portugiesen nur 1,5 Pässe und 4,9 Sekunden, um zum Abschluss zu kommen.
Und die Abschaffung der Auswärtstorregel?
Zu guter Letzt war 2012/22 die erste Saison ohne Auswärtstorregel seit über 50 Jahren, auch mit den Auswirkungen dieser Regeländerung haben sich die Technischen Beobachter der UEFA natürlich ausführlich beschäftigt.
In dem Bericht heißt es: "Eine Analyse der langfristigen Auswirkungen kann es natürlich erst in ein paar Jahren geben, aber ein erster Eindruck besagt, so Frank de Boer, dass die Hinspiele in der Saison 2021/22 'viel attraktiver' waren, da die Heimmannschaften nicht mehr um jeden Preis verhindern mussten, einen Gegentreffer zu kassieren."
Auch wenn die Spiele "offener" waren, um den Bericht nochmals zu zitieren, zeigte sich doch in den K.o.-Runden eine ähnliche Tendenz wie in sechs von neun Jahren vor der Pandemie (2010–2019). Laut Bericht fielen in den Rückspielen mehr Treffer als in den Hinspielen.
Übrigens, von allen Spielen in der K.o.-Runde der letzten Saison hätte nur die Halbfinalpartie zwischen Manchester City und Real Madrid einen anderen Sieger gebracht, wäre die Auswärtstorregel noch gültig gewesen.