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Tolisso: "Ich hatte schon immer den Siegerspirit"

UEFA.com spricht mit Corentin Tolisso über seine Entwicklung zum Mittelfeldspieler, das ominöse Kinderbild im Bayern-Trikot sowie das anstehende Duell mit Beşiktaş.

Tolisso: "Es ist unser Ziel, in dieser Saison alles zu gewinnen"
Tolisso: "Es ist unser Ziel, in dieser Saison alles zu gewinnen" ©AFP/Getty Images

Als Sie der FC Bayern letzten Sommer verpflichtet hat, wussten viele Fans nicht so richtig, was für ein Spielertyp da kommt. Natürlich hat sich dies seitdem geändert und man schätzt Ihre Qualitäten hier sehr, aber wie würden Sie sich als Fußballer selbst beschreiben?

Es ist immer schwierig, über sich selbst zu reden. Ich bin ein Spieler, der gerne den Ball hat, versucht das Spielgeschehen zu diktieren und sich vorne mit einschaltet. Ich versuche, ein entscheidender Faktor für meine Mannschaft zu sein, in dem ich Vorlagen gebe oder Tore erziele. Das sind wichtige Eigenschaften für einen modernen Mittelfeldspieler.

Sie strahlen immer wieder Torgefahr aus. Stimmt es, dass Sie früher als Stürmer gespielt haben?

Als ich elf oder zwölf Jahre alt war, habe ich als echter Mittelstürmer gespielt. Aber als ich zu Olympique Lyon ging, habe ich angefangen, als Zehner zu agieren, da musste ich also ein Stück nach hinten rücken. Ich war klein, ich war sehr schnell, aber ich war nicht kräftig. Ich war nicht so groß, kleiner als der Durchschnitt und als ich 15 oder 16 Jahre alt war, bin ich größer und kräftiger geworden. Da bin ich noch weiter nach hinten gerückt und habe auf der 8 oder auf der 6 gespielt.

Tolissos Idol aus der Kindheit: Sonny Anderson
Tolissos Idol aus der Kindheit: Sonny Anderson©Getty Images

Und ich hatte in meiner Jugend ein Idol, der Mittelstürmer war: Sonny Anderson. Er hat bei mir Eindruck hinterlassen. Er war absolut mein Idol, ich habe alle seine Spiele angeschaut und mochte seinen Spielstil. Ich wollte so spielen, wie er. Aber mit der Zeit wurde ich zum Mittelfeldspieler umgeschult.

Gab es später auch noch Spieler, an denen Sie sich orientiert haben?

Ich mochte die Spielweise von Steven Gerrard. Es gab viele Mittelfeldspieler, denen ich gerne zugeschaut habe. So wie Steven Gerrard, [Frank] Lampard, Xavi [Hernández], [Andrés] Iniesta, [Michael] Ballack. Solche Mittelfeldspieler, die ihre Ära geprägt haben, haben mich inspiriert.

Bei den Namen kann man sich in der Tat einiges abschauen. Das sind auch alles Spieler, die sich zu 100 Prozent dem Profi-Dasein verpflichtet haben. Sie sind noch relativ jung, haben Sie Ihre Berufswahl schon einmal bereut?

Am meisten liebe ich den Fußball wegen der Genugtuung, die er mir auf dem Platz bringt. Ich kann ich selbst sein, ich mag es, Fußball zu spielen. Es ist wahrhaftig meine Leidenschaft und das mag ich besonders an dem, was ich tue. Was ich wirklich liebe, und was meiner Meinung nach der wunderbarste Aspekt am Fußball für einen Spieler ist, sind Tore. Ich liebe das Gefühl, ein Tor zu erzielen. Wenn Du ein Tor erzielst, stehen die Fans auf und es erzeugt etwas, man fühlt etwas Besonders, man ist in einem anderen Gemütszustand, da ist Euphorie. Manche Tore sind wichtiger als andere, aber es geht im Endeffekt darum, welches Gefühl man für die Leute schafft, und das mag ich besonders.

Hier in München jubelt man überdurchschnittlich oft über Tore. Wie läuft es für Sie in Ihrem ersten Jahr beim FCB?

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Ich hoffe, dass ich langfristig so weitermache wie bisher. Ich weiß, dass ich hart arbeiten muss, um voranzukommen und zu spielen. Ich hoffe, dass ich so lange wie möglich bei Bayern bleiben kann, denn wir wissen, dass es die besten Spieler sind, die bei einem großen Klub lange bleiben dürfen. Bayern ist ein sehr guter Verein, also wenn ich es schaffe, hier eine lange Zeit zu bleiben, dann kann ich am Ende meiner Karriere sagen, dass ich ein guter Spieler war.

Ich wollte für einen der größten Vereine der Welt spielen und das tue ich jetzt. Ich muss so weitermachen. Ich hatte andere Träume, ich wollte Titel gewinnen. Bisher habe ich einen Titel mit Bayern geholt, ich hoffe, es werden so viele wie möglich. Ob mit Bayern oder mit Frankreich.

Wenn Ihnen jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, dass Sie mal Bayerns Rekordneuzugang werden. Was hätten Sie gesagt?

Ich hätte es nicht geglaubt. Meine Antwort wäre vielleicht gewesen: 'Das wird aber schwierig'.

Es ist aber so gekommen. Erzählen Sie doch mal, wie der Transfer abgelaufen ist?

©AFP/Getty Images

Es lief richtig gut. Ich habe erfahren, dass ich zu Bayern wechseln werde, als ich mit Frankreich bei einem Länderspiel unterwegs war. Ich bin von der Nationalmannschaft direkt hierhergekommen, habe den Medizincheck bestanden und unterschrieben. Ich bin mit dem Vorstand gut klargekommen und alles lief reibungslos. Jetzt bin ich sehr glücklich, hier zu sein.

Es war aber auch ein wenig schwierig, Lyon zu verlassen. Als ich nach der Sommerpause zurückkam, wurde mir schlagartig klar, dass meine  Zeit bei Lyon vorbei ist und ich weiterziehen muss. Ich musste erwachsen werden. Meine Familie und Freunde waren jetzt nicht mehr um die Ecke. Es ist ein wenig kompliziert, aber man muss sich schnell anpassen. Wenn man diesen Job macht, dann weiß man, dass man ins Ausland gehen kann, wo man weit weg von Familie und Freunden ist und eine andere Sprache lernen muss. Man muss sich schnell anpassen und seinen Platz finden.

… und sich auf Teamkollegen einstellen, die fast alle zur Weltspitze auf ihren Positionen gehören.

Ich erlebe eine fantastische Zeit beim FC Bayern. Ich wusste, dass ich hier mit Top-Spielern zusammen sein werde und wurde nicht enttäuscht. Als ich hier ankam, habe ich gesehen, dass diese Spieler in allen Bereichen exzellent sind. Körperlich, athletisch oder im Sinne der fußballerischen Intelligenz. Hier ist jeder gut. Bayern hat 2013 die Champions League gewonnen und Deutschland hat die WM geholt. Dies bedeutet, dass diese Spieler mir jeden Tag helfen, besser zu werden. Ich muss ihrem Weg folgen, denn sie sind nicht durch Zufall so erfolgreich. Es ist das Ergebnis harter Arbeit. Ich muss so hart arbeiten, wie sie es tun.

Kann Konkurrenzkampf auch Stress sein?

Das Level ist natürlich extrem hoch. Hier sind die besten Spieler der Welt. Manche von ihnen haben die Champions League und die WM gewonnen, also muss man sich so verbessern, dass man ihr Niveau erreicht. Das Tempo des Spiels ist auch schneller. Die Spiele sind intensiver und körperlicher, die Spieler sind intelligenter und machen weniger technische Fehler, also muss man sein Spiel verbessern.

Was ist die größte Herausforderung für Sie beim FC Bayern?

©Getty Images

Die Sprache! Mein Englisch ist nicht perfekt und nicht alle Spieler sprechen Französisch, mit Ausnahme von Franck Ribéry und Kingsley Coman, auch Rafinha kann es ein bisschen. Ich gebe zu, es ist manchmal schwer, mit meinen Teamkollegen zu kommunizieren, da ich kein Deutsch spreche. Aber ich habe viel Unterricht und versuche, so schnell wie möglich die Sprache zu lernen. Dies ist wichtig, damit ich den Trainer verstehe, wenn er auf Deutsch spricht. Es war für mich die größte Herausforderung, als ich hier ankam. Mir wurde vorher schon gesagt, dass es schwierig ist, Deutsch zu lernen, also habe ich versucht, vorher schon so viel wie möglich zu machen.

Mussten Sie Ihre Mentalität auch auf das "Mia san Mia" des FC Bayern anpassen?

Ich hasse Verlieren. Ich will immer gewinnen, egal ob in einem Trainingsspiel oder bei Ballbesitzübungen oder Torschusstraining. Natürlich gilt das umso mehr für Pflichtspiele. Die Dinge haben sich für mich nicht wirklich verändert, denn ich hatte schon immer diesen Siegerspirit. Dies ist ein großer Verein und das war mir bewusst. Bayern ist eine Familie und ich wurde wärmstens empfangen. Der Verein kann beeindruckende Erfolge vorweisen mit vielen Titeln in der Bundesliga, im Pokal und in der Champions League. Ich fühle hier schon mehr Druck, weil wir jedes Spiel gewinnen müssen und in der Bundesliga, dem Pokal und in der Champions League den Titel holen müssen. Die Erwartungshaltung ist höher.

Im letzten Gruppenspiel gegen Paris haben Sie ein Tor erzielt. Das muss doch auch ein schönes Erlebnis gewesen sein?

Es war wunderbar, gegen PSG zu treffen, denn das ist ein Topverein und es war der große Rivale, als ich für OL gespielt habe. Jeder französische Fußballfan hat dieses Spiel gesehen. Als Franzose, der für Bayern spielt, war es eine tolle Sache, gegen eine französische Mannschaft herauszustechen.

Was hat es eigentlich mit dem Bild aus Ihrer Kindheit auf sich, welches Sie in einem Bayern-Trikot zeigt?

Das Foto von mir als Kind im Bayern-Trikot habe ich im März bei meinen Eltern gefunden. Ich habe das Familienalbum angeschaut und dann habe ich dieses Foto auf Snapchat veröffentlicht. Bevor ich bei Bayern unterschrieben habe, habe ich es an Alexandre Lacazette geschickt. Nachdem ich unterschrieben habe, hat es sich wie Schicksal angefühlt.

Ich war sehr jung, als ich das Trikot anhatte, aber ich wusste zu der Zeit schon, dass Bayern zu den besten Teams gehört. Ich habe das Trikot zum Geburtstag bekommen und weiß noch, wie sehr ich mich darüber gefreut habe. Ich habe damals aber nicht viel TV geschaut.

 

Ne rêve pas ta vie ... vie tes rêves #ToutEstUneQuestionDeVolonté #BayernMünchen

Ein Beitrag geteilt von Corentin (@corentintolisso) amJun 17, 2017 um 9:19 PDT

Am Dienstag steht das Achtelfinal-Hinspiel an. Sie kennen den Gegner ein wenig. Was für ein Spiel dürfen wir erwarten?

Beide Spiele gegen Beşiktaş werden sehr schwer. Ich habe letzte Saison mit Lyon gegen Beşiktaş gespielt, im Viertelfinale der Europa League. Wir haben sie bezwungen, aber das Auswärtsspiel war richtig schwer. Sie  haben eine großartige Atmosphäre. Dieses Jahr sind sie Gruppenerster geworden und haben bisher eine gute Champions-League-Saison gespielt. Sie haben einige starke Spieler. Ich weiß das, weil ich letztes Jahr gegen sie gespielt habe. Wir müssen vorbereitet sein, die richtige Intensität an den Tag legen und taktisch, technisch und körperlich bereit sein. Am besten verschaffen wir uns einen Vorsprung im Hinspiel und erledigen den Job bei ihnen im Stadion. Wir wollen ins Viertelfinale.

James Rodríguez hat bei uns im Interview mit UEFA.com gesagt, dass er keinen Grund sieht, warum der FC Bayern nicht das Triple holen sollte. Wie schätzen Sie die Chancen ein?

©Getty Images

Ich hoffe doch, dass wir das Triple gewinnen können. Wir arbeiten täglich darauf hin. Wir sind auch noch im Rennen. In der Liga sind wir weit vorne, wir sind im Halbfinale des Pokals und im Achtelfinale der Champions League. Es ist ein Tanz auf drei Hochzeiten. Seine Ziele erreicht man aber nur dann, wenn man weiter hart arbeitet. Wir sollten die anderen Teams nicht unterschätzen und müssen so weitermachen. Dann ist es natürlich unser Ziel, in dieser Saison alles zu gewinnen.