UEFA Women’s Champions League: Bühne frei für die K.-o.-Phase
Dienstag, 22. März 2022
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Traum-Einschaltquoten, Rekordzuschauerzahlen in den Stadien und große Zufriedenheit bei den Spielerinnen – die in dieser Saison erstmals ausgetragene Gruppenphase in der UEFA Women’s Champions League war ein durchschlagender Erfolg.
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„Wir fühlten uns ein wenig wie kleine Kinder vor der Weihnachtsbescherung“, sagt Sandy Maendly vom Servette FC Chênois Féminin. „Das war eine besondere Sache für uns – wir hätten uns nie träumen lassen, dass wir diese Saison dabei sind.“
Maendlys Begeisterung rührt vom neuen Format der UEFA Women’s Champions League her, in der die bisherige Mischung aus Miniturnieren und K.-o.-Spielen durch eine im Meisterschaftsmodus ausgetragene, von Oktober bis Dezember dauernde Gruppenphase mit 16 Mannschaften ersetzt wurde. Das Team der Schweizer Mittelfeldspielerin traf in Gruppe A auf die europäischen Schwergewichte Wolfsburg, Juventus und Chelsea, was dem Verein aus Genf drei hochattraktive Heimspiele bescherte und in Maendlys Heimatstadt entsprechendes Interesse weckte.
„Ich stamme aus Genf und ist es immer etwas Besonderes, im heimischen Stadion spielen zu dürfen“, sagt Maendly – und meint damit das Stade de Genève mit seinen 30 000 Plätzen, in dem Servette seine drei Heimspiele bestritt. Diese Arena bildete einen starken Kontrast zum beschaulicheren Stade de la Fontenette, wo die Genferinnen üblicherweise spielen, doch das große Zuschauerinteresse rechtfertigte den temporären Umzug.
„Dieses Jahr erstmals in der Champions League zu spielen – und das mit Fans – machte das Ganze noch schöner. Der Verein hat in der Stadt viel Werbung für die drei Spiele gemacht. In den sozialen Medien waren die Spiele ein großes Thema und in der Stadt hingen viele Plakate; es herrschte eine ziemliche Begeisterung. Die Leute sind dank der Champions League auf uns aufmerksam geworden. Als wir uns qualifiziert haben, kamen plötzlich Leute zu den Spielen, die noch nie da gewesen waren. Gegen Chelsea waren es über 12 000.“
Nadine Keßler, UEFA-Bereichsleiterin Frauenfußball:
„Bereits in dieser ersten Saison, in der die UEFA Women’s Champions League zentral vermarktet wird, haben 13 Gruppenspiele in großen Stadien stattgefunden. Es freut uns sehr, zu sehen, dass dieser Trend im Viertelfinale weitergeht, wo sieben der acht Vereine in ihrem größeren Stadion spielen. Das Viertelfinalfeld ist hochkarätig und verspricht Weltklasse-Fußball in Weltklasse-Arenen. Solche Großereignisse braucht der Frauenklubfußball.“
Rosige Aussichten für den Frauenfußball
Durch die Einführung der Gruppenphase wird die Sichtbarkeit, Attraktivität und Ausgeglichenheit des europäischen Elite-Frauenfußballs verbessert – das neue Format ist denn auch ein Eckpfeiler der auf fünf Jahre angelegten UEFA-Strategie („Zeit zu handeln“) für eine nachhaltigere Zukunft des Frauenfußballs. Dank der bahnbrechenden Zusammenarbeit mit DAZN und YouTube kann die Women’s Champions League nun weltweit verfolgt werden; in den ersten beiden Spielzeiten sind gar sämtliche Partien des Wettbewerbs kostenlos zu sehen. Zuvor wurden bis zum Finale nur vereinzelte Spiele übertragen und es war schwierig, Übertragungen außerhalb des jeweiligen Heimmarktes der Mannschaften zu verfolgen. Nun sind sämtliche Begegnungen verfügbar, und allein in der Gruppenphase wurden über 14 Millionen Aufrufe aus über 210 Ländern und Märkten weltweit verzeichnet.
Durch das neue Format ist zudem eine „echte“ erste Saisonhälfte entstanden, die mehr umfasst als zwei K.-o.-Runden, die in der Regel einseitig verlaufen. Die Höhen und Tiefen von Teams wie Arsenal, Juventus, Wolfsburg und Chelsea haben dem Wettbewerb zusätzliche Dramatik verliehen. „Diese Reform war nötig“, bilanziert Arsenal-Verteidigerin Leah Williamson. „Zuvor konnte in der Champions League alles sehr schnell vorbei sein, aber jetzt erhält der Frauenfußball Aufmerksamkeit. Solche hochkarätigen Duelle austragen zu können – sechs davon allein in der Gruppenphase – ist für uns und für das Wachstum des Frauenfußballs sehr wichtig.“
Das Faninteresse war jedenfalls vorhanden, wie die Zuschauerzahlen bei den Spielen zeigen. 2019/20, in der letzten Ausgabe, die nicht von der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt war und in der das Sechzehntel- und Achtelfinale noch in Hin- und Rückspiel ausgetragen wurden, lag der Zuschauerschnitt für 48 Spiele bei 1 732. In der diesjährigen, gleich viele Partien umfassenden Gruppenphase war der Schnitt mit 3 381 Zuschauern fast doppelt so hoch, und das obwohl noch pandemiebedingte Einschränkungen in Kraft waren. Zu den Höhepunkten gehörten die 18 344 Fans im Parc des Princes bei der Partie zwischen Paris Saint-Germain und Real Madrid und die von Sandy Maendly erwähnten 12 782 Besucher beim Duell Servette - Chelsea in Genf, die für einen Schweizer Rekord sorgten. Am dritten Gruppenspieltag, der unter anderem diese beiden Publikumsmagnete auf sich vereinte, lag die Gesamtzuschauerzahl für die acht Begegnungen bei fast 60 000.
Neue Teams, größere Stadien
Dieser Trend dürfte in diesem Frühling seine Fortsetzung finden. Dazu tragen unter anderem auch ein neuer Werbeclip im Rahmen der Kampagne Together #WePlayStrong, der Mädchen auf den lebenslangen Nutzen des Fußballspielens aufmerksam macht, und die kürzlich erschienene Physische Analyse zur UEFA Women’s Champions League bei, in der eingehend über diverse in den letzten beiden Spielzeiten (ab dem Viertelfinale) erfasste Leistungsdaten berichtet wird. Praktisch alle K.-o.-Spiele dieser Saison werden im Hauptstadion des jeweiligen Vereins ausgetragen, darunter das Viertelfinal-Rückspiel zwischen Barcelona und Real Madrid im Camp Nou, bei dem ein weiterer Zuschauerrekord aufgestellt werden könnte.
Durch das neue Format können sich außerdem Vereine präsentieren, die bisher in der UEFA Women’s Champions League weniger erfolgreich waren. Drei Teilnehmer – HB Køge, Hoffenheim und Real Madrid – feierten ihre Europapokal-Feuertaufe, während es Benfica, Juventus, Servette und Charkiw zum ersten Mal seit Bestehen des Wettbewerbs unter die letzten 16 schafften. Der isländische Vertreter Breiðablik Kópavogur war gar der erste Verein seines Landes überhaupt, der die Gruppenphase eines UEFA-Klubwettbewerbs bestritt. Breiðablik-Stürmerin Tiffany McCarty schwärmte: „Es ist der Traum einer jeden Fußballerin, in der Champions League zu spielen, und ich bin sehr dankbar, dass ich das erleben darf.“
Sandy Maendly verspricht sich ihrerseits nicht nur einen kurzfristigen Nutzen für Spielerinnen und Fans, sondern auch eine nachhaltige Wirkung. „Es gibt mehr Spiele auf höchster Ebene zwischen den großen Mannschaften und in ganz Europa haben immer mehr Vereine Frauenteams – das ist für die Entwicklung des Frauenfußballs vielversprechend. Es gibt nun viel mehr weibliche Vorbilder, denn zuvor schauten sich Fußball spielende Mädchen alle die Spiele der Männer an. Mit der Gruppenphase haben wir jetzt auch eine richtige Champions League.“ Einschalten lohnt sich also, das Beste steht noch bevor.