Interview mit Frankfurt-Trainer Oliver Glasner vor dem UEFA-Superpokal gegen Real Madrid
Mittwoch, 3. August 2022
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"Je schwieriger die Gegner, desto besser musst du selber sein" - Oliver Glasner hat sich für sein zweites Jahr in Frankfurt einiges vorgenommen und freut sich auf die nächste Titelchance im UEFA-Superpokal gegen Real Madrid.
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Nach Frankfurts Titelgewinn in der UEFA Europa League 2021/22 konnte Oliver Glasner den Sommer in vollen Zügen genießen. Neben vielen Selfies, die er "sehr gerne" gemacht hat, stand vor allem Urlaub mit der Familie auf dem Programm.
Doch die nächsten Highlights lassen nicht lange auf sich warten. Im UEFA-Superpokal trifft Frankfurt auf Real Madrid (alle Infos hier) und dort gibt es schon einen Vorgeschmack auf die anstehenden Kaliber, die man in der UEFA Champions League erwarten darf. UEFA.com hat sich mit dem 47-jährigen Österreicher über die neue Saison unterhalten.
Oliver Glasner über...
... den UEFA-Superpokal gegen Real Madrid
Wir alle freuen uns riesig auf dieses Duell. Wir treffen auf einen der größten und schillerndsten Vereine in der Geschichte des Fußballs. Carlo Ancelotti hat mit verschiedenen Vereinen die Champions League gewonnen. David Alaba und Karim Benzema – ich könnte noch viele aufzählen – sind mit die erfolgreichsten Fußballer der letzten Jahre. Es ist toll, dass wir uns mit denen messen können.
Wir bereiten uns auf diese Begegnung vor wie auf jedes andere Spiel. Wir wollen dieses Spiel gewinnen und nicht nur einen Sparringspartner abgeben. Es geht darum, dass die Spieler den festen Glauben haben, dass dies möglich ist. Real Madrid hat auf dem Weg zum Champions-League-Titel die Top 3 der Premier League und Paris Saint-Germain ausgeschaltet.
Das heißt: Eigentlich hat der Bundesliga-Elfte keine Chance. Trotzdem denke ich, dass wir in der Lage sind, den Superpokal zu gewinnen. Das sehe ich als unsere Herausforderung. Wir wollen gegen einen eigentlich übermächtigen Gegner mit unserer Spielidee, mit unseren Charakteren und unserer Leidenschaft in der Lage sein, das Spiel zu gewinnen.
... den suboptimalen Start in die letzte Saison, als Frankfurt erst im Oktober erstmals ein Ligaspiel gewinnen konnte
Es war eine anstrengende und sehr intensive Zeit für uns alle. Wir waren uns damals relativ sicher, was es für Gründe gab. Es gab einen großen Umbruch auf allen Ebenen, mit elf neuen Spielern in der Kabine und einem ganz neuen Trainerteam. Wir mussten uns finden. Ich habe aber vom ersten Tag an gemerkt, dass wir charakterlich großartige Jungs haben. Sie haben immer mitgezogen und versucht, das umzusetzen, was wir besprochen haben.
Wir haben damals schon in sehr kleinen Schritten gesehen, dass eine Entwicklung stattfindet. Und dann brauchst du das ein oder andere Schlüsselerlebnis, wie etwa den ersten Europa-League-Sieg gegen Antwerpen mit dem Tor in der 92. Minute. Oder drei Tage später dem Bundesliga-Sieg in München. Dadurch ist immer mehr das Selbstvertrauen gewachsen.
... die Unterschiede der aktuellen Vorbereitung zur letzten Saison
Der Sommer ist definitiv anders verlaufen. Letztes Jahr war natürlich eine große Unruhe im gesamten Verein da. Dieses Mal war es sehr ruhig. Wir hatten unsere Neuverpflichtungen zum Trainingsstart hier. Es läuft sehr harmonisch ab und wir können unsere Spielidee auf einem anderen Level fortsetzen. Wir müssen nicht mehr dort beginnen, wo wir letztes Jahr waren. Viele Abläufe sind klar. Die neuen Spieler müssen wir integrieren, aber das funktioniert sehr gut. Ich bin sehr zufrieden mit der Vorbereitung.
... seine Pläne mit Mario Götze
Mario hat einen sehr großen Namen in Deutschland und auf der ganzen Welt. Er hat die gleiche Aufgabe, wie alle Spieler: Er muss sich in die Mannschaft integrieren und sich dem Spielstil anpassen. Das macht er bisher sehr gut und es geht für uns wie immer darum, die Qualitäten, die ein Spieler hat, bestmöglich in die Mannschaft zu integrieren. Er muss sein Spiel nicht komplett verändern, sondern soll seine Stärken mit den anderen kombinieren.
... seine persönlichen Erfahrungen im ersten Jahr als Eintracht-Coach
Ich spreche ungern über mich selber. Ich hoffe immer, dass ich mich als Trainer und als Mensch weiterentwickle. Es gibt immer wieder neue Erfahrungen und dadurch neue Schlüsse für mich in meinem Leben ziehen kann. Ich bin jemand, der viel reflektiert. Ich habe sicher auch viele Fehler gemacht in diesem Jahr. So, wie ich das den Spielern verzeihe, hoffe ich, dass es auch mir verziehen wird. Das ist Teil der Entwicklung.
... die Stärken seiner Mannschaft
Wir haben einen fantastischen Charakter in unserer Gruppe. Jeder einzelne Spieler stellt sich in den Dienst der Mannschaft. Wenn es mal schwierig läuft, verlieren wir trotzdem nicht den Glauben an uns, sondern tun in jeder Sekunde alles für den Sieg. In vielen Spielen haben wir dadurch noch einen Sieg oder ein Unentschieden erreicht. Natürlich haben wir auch richtig gute fußballerische Qualität, viele fleißige Spieler und technisch gute Spieler. Wir haben einen guten Mix. Aber herausragend ist unser Spirit und der Charakter der Mannschaft.
Wir ziehen alle an einem Strang. Es gibt auch mal kritische Worte, wenn es mal nicht so läuft und wir etwas nicht gut machen. Aber wir können damit umgehen, denn jeder weiß: Der Erfolg der Mannschaft und des Vereins steht über allem. Jeder Fehler wird verziehen. Man kann mal ein Gegentor verschulden oder eine Großchance vergeben. Das ist Teil des Spiels. Aber ich werde nie verzeihen, wenn jemand Unruhe stiftet oder hinten herum in der Kabine für schlechte Stimmung sorgt. Das wissen die Spieler und deswegen hatten wir das Thema auch nie in der Gruppe.
... die Herausforderungen in der anstehenden Gruppenphase der Champions League
Je schwieriger und je besser die Gegner, desto besser musst du selber sein. Du wirst gefordert, auf deinem höchsten Level zu performen. Wenn du das schaffst, kannst du auch die nächsten Schritte gehen. Das ist etwas, was wir immer von den Spielern einfordern, auch im Training. Wir haben eine Idee, wie wir spielen wollen. Das funktioniert teilweise sehr gut, oft aber auch nicht so gut.
Wir haben noch viel Potenzial bei der Besetzung des Strafraums und den Laufwegen in den Strafraum, damit wir mehr Torchancen kreieren. In der Europa League haben wir 13 Spiele absolviert und haben nur zwei Mal kein Gegentor bekommen, also ist auch da noch großes Potenzial.