Philipp Lahm: Die EURO 2024 hat sichtbaren Einfluss genommen
Montag, 15. Juli 2024
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Turnierdirektor Philipp Lahm ist davon überzeugt, dass Investitionen in den Amateurfußball das größte Vermächtnis des Turniers darstellen.
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Die Spiele der UEFA EURO 2024 sind bereits in den Kabinen der Amateurvereine und auf deutschen Bolzplätzen angekommen. Man redet darüber. Im Training versuchen Jugendliche, Tore zu kopieren. Kinder ahmen Jubelposen nach, die sie am Abend zuvor beobachtet haben.
Die UEFA EURO 2024 ist vier Wochen Flutlichtdrama in deutschen Arenen und schürt das Interesse eines ganzen Landes, Fußball zu spielen. Doch was nur wenige wissen: Sie kann ein Vermächtnis hinterlassen. So werden mit ihren Einnahmen wieder hunderte Entwicklungsprojekte im europäischen Fußball gefördert.
Seit 2004 wird im Durchschnitt mehr als die Hälfte der Nettoeinnahmen jeder EURO über das UEFA-HatTrick-Programm an die 55 nationalen Verbände Europas ausgeschüttet, um das Wachstum des Fußballs in ihrem Land zu fördern. Nach zwanzig Jahren und fünf Europameisterschaften der Männer hat der größte Solidaritätsfonds im Sport insgesamt 2,6 Mrd. Euro ausgeschüttet, aus denen mehr als 800 Projekte finanziert wurden.
Die UEFA EURO 2024 soll keine Ausnahme sein. Die UEFA hat bereits zugesagt, dass 935 Mio. Euro aus den Nettoeinnahmen des Turniers in sehr viele verschiedene Projekte investiert werden.
Von Island bis Malta, von Portugal bis Aserbaidschan haben die EURO-Gelder den Verbänden geholfen, Stadien und Trainingszentren zu bauen und die Trainerausbildung, das Schiedsrichterwesen und die Verwaltung zu fördern.
Aus den EURO-Einnahmen wird auch die UEFA-Akademie finanziert, die Ausbildungs- und Forschungsprogramme für Fußballmanagement, Führung, Verwaltung, Kommunikation, Recht und Fußballmedizin anbietet.
Aus den HatTrick-Geldern werden auch Minispielfelder, die Ausbildung von Amateurcoaches, der Schulfußball und viele andere Initiativen finanziert. Das erhöht die Teilhabe am Fußball für alle, unabhängig von den Fähigkeiten, dem Alter, dem Geschlecht oder der ethnischen Zugehörigkeit.
„treffpunkt fußball“: Unterstützung für den Amateurfußball
Als Turnierdirektor der UEFA EURO 2024 stehe ich auch in der Verantwortung. Meine Mitstreiterin Celia Šašić und ich haben mit der Philipp-Lahm-Stiftung eine Initiative ins Leben gerufen, die Amateurfußball und damit das Ehrenamt stärkt. Sie nennt sich „treffpunkt fußball“. Dort können sich Amateurvereine untereinander vernetzten und voneinander lernen. Wir wollen ihnen auch den Kontakt mit potenziellen Förderern ermöglichen.
Ich will ein Beispiel nennen, um zu erklären, wie „treffpunkt fußball“ funktioniert: das Projekt „Gemeinsam Essen sehen“. Essen ist die zehntgrößte Stadt in Deutschland, es handelt sich um einen dicht besiedelten Raum im Zentrum des Ruhrgebiets. Ihn teilt eine Autobahn in eine Nord- und eine Südhälfte. Wie in anderen Ruhrgebietsmetropolen wirkt die A40 für die Bewohnerinnen und Bewohner wie ein asphaltierter Grenzstreifen, den man selten bis nie übertritt.
„Die UEFA hat bereits zugesagt, dass 935 Mio. Euro aus den Nettoeinnahmen des Turniers in sehr viele verschiedene Projekte investiert werden.“
Zusammen mit dem BV Altenessen aus dem Norden der Stadt haben nun die Sportfreunde Essen ein ungewöhnliches Kooperationsprojekt initiiert. Zwei Mal im Jahr sind Jugendmannschaften beider Vereine auf gemeinsamer Entdeckungstour durch Essen unterwegs. Im gecharterten Bus geht es für sie zu wichtigen Stationen der Stadtgeschichte, an denen Tour-Guides altersgerecht und auf unterhaltsame Art Wissen vermitteln. Später klingt der Tag bei einem Fußballspiel und einem gemeinsamen Essen aus.
Die Philipp-Lahm-Stiftung unterstützt dieses Projekt wie andere aus dem Amateurfußball. Dort findet der Erstkontakt mit dem Fußball statt, in jeder Karriere. Es ist wichtig, dass Kinder einen positiven ersten Kontakt mit dem Spiel haben, der eine lebenslange Liebe zum Fußball entstehen lässt. Wenn ihre ersten „Touch Points“ mit dem Fußball positiv sind, wenn sie beim Spielen die Freude an der Bewegung spüren und sowohl Selbstwirksamkeits- als auch Gemeinschaftserfahrungen machen, dann ist der Liebe für den Fußball ein guter Boden bereitet. So kann der Fußball barrierefrei die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringen.
Wie in der Vergangenheit bei Fußball-Großveranstaltungen werden sich nach der Europameisterschaft viele Kinder und Jugendliche in Amateurvereinen neu anmelden. Sie muss der Fußball mit offenen Armen und mit guten Bedingungen empfangen.
Stärkung des sich ständig verändernden Umfelds im europäischen Fußball
Es gilt, die Mittel so zu investieren, dass sie einen langfristigen Einfluss haben. Als Vermächtnis der EURO 2024 soll der Fußball als nationale Sportart in ganz Europa gestärkt werden. Die Europameisterschaft ist aus sportlicher Sicht sehr attraktiv. Sie ermuntert unzählige Menschen, sich im Fußball zu engagieren und ist auch in kommerzieller Sicht sehr erfolgreich. Anfangs war ich skeptisch, als das Turnier auf 24 Länder aufgestockt wurde. Inzwischen bin ich froh, dass so viele teilhaben können. „United by Football“ ist das Motto – eine Europameisterschaft für alle.
Damit Wettbewerbe wie die EURO und die Champions League immer wieder Impulse für Europa setzen und unsere Zivilgesellschaft stärken können, müssen sie ständig modifiziert werden. Vereinfachung hilft da nichts, das ist ein dauerhafter und komplizierter Prozess. Er muss von einer Institution begleitet werden.
Ich engagiere mich philanthropisch, aber ich halte Institutionen wie die UEFA für wichtig. Denn Anpassung an veränderte Situationen kann nur funktionieren, wenn sich glaubwürdige Personen in einflussreichen Institutionen engagieren. Das war bei der erfolgreichen Umsetzung der EURO 2024 eindeutig der Fall. Da ist jetzt jeder in der Pflicht, daran müssen alle arbeiten. Das ist mein Fazit als Turnierdirektor, das ist meine Botschaft.