EM-Schiedsrichter Michael Oliver: „Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet“
Dienstag, 11. Juni 2024
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Michael Oliver, einer von 19 Schiedsrichtern der UEFA EURO 2024, über den wachsenden Druck großer Turniere, die Zusammenarbeit mit anderen Unparteiischen und das Streben nach Spitzenleistungen.
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Für alle Spieler und Schiedsrichter, die in Deutschland im Einsatz stehen, ist die UEFA EURO 2024 der Lohn für jahrelange harte Arbeit. Während sich die Spieler auf die besonderen Anforderungen der drittgrößten Sportveranstaltung der Welt vorbereiten, tun es ihnen die Schiedsrichter gleich.
„Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet“, sagt Michael Oliver, einer von 19 für die UEFA EURO 2024 aufgebotenen Referees. „Wenn du im Stadion ankommst, merkst du, dass die Atmosphäre eine andere ist. Der Druck, die Konkurrenz, die Qualität der Spiele – alles ist größer. Diesen Druck nimmst du wahr, versuchst aber dennoch, dich so gut wie möglich vorzubereiten, damit du bereit bist.“
Kameradschaft und Konkurrenz
Michael Oliver ist seit 2012 internationaler Schiedsrichter und gehört seit 2018 der Gruppe der UEFA-Elitereferees an. Das Turnier in Deutschland wird für den Engländer die zweite EM-Endrunde sein, nachdem er bei der UEFA EURO 2020 drei Spiele geleitet hat. Die EM-Schiedsrichter sind während der Endrunde in der Nähe von Frankfurt untergebracht; dank dieser zentralen Lage können sie nach ihren Einsätzen in ihr Hauptquartier zurückkehren, sich erholen und sich auf das nächste Spiel vorbereiten.
„Es geht kameradschaftlich und freundschaftlich zu“, erklärt Oliver. „Das ist wie bei einer Mannschaft. Wir sitzen alle im selben Boot und wissen, was wem auf dem Herzen liegt. Es herrscht eine gute Stimmung. Zwar steht die Freundschaft im Vordergrund, aber wir stehen auch in Konkurrenz zueinander. Es ist eine freundschaftliche Konkurrenz, jeder will der Beste sein. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann, ist, dass wir uns gegenseitig Erfolg wünschen. Wir sind alle bestrebt, Fehler zu vermeiden, aber die können leider vorkommen – deshalb hilft es, von Personen umgeben zu sein, die wissen, wie man sich in einer solchen Situation fühlt.“
Unterstützung neben dem Platz
Betreut werden die Schiedsrichter während des Turniers vom geschäftsführenden Direktor Schiedsrichterwesen der UEFA, Roberto Rosetti, und Mitgliedern der UEFA-Schiedsrichterkommission. Dazu gehören Vlado Sajn, welcher der Kommission seit über 20 Jahren angehört, Björn Kuipers, der Schiedsrichter des letzten EM-Finales, und Carlos Velasco Carballo, der das Endspiel der UEFA Europa League 2011 geleitet hat.
„Diese Unterstützung ist sehr wichtig“, so Oliver. „Roberto ist ein sehr netter und umgänglicher Typ mit einem tollen Team. Es ist viel Erfahrung vorhanden mit Leuten wie Björn, Vlado und Carlos. Auch die Mitarbeitenden sind fantastisch und nehmen Druck von uns. Man weiß, dass für alles gesorgt ist, und wenn man irgendein Problem hat, kann man mit jemandem reden und es lösen. So können wir uns auf den Fußball konzentrieren.“
Neue Weisung zur Förderung von Respekt
Die UEFA hat den Mannschaften vor dem Turnierauftakt mitgeteilt, dass nur die Kapitäne mit dem Schiedsrichter sprechen dürfen und Rudelbildung nicht toleriert wird. Spieler, die diese Weisung missachten, werden verwarnt.
Auf diese Weise können die Schiedsrichter ihre Entscheidungen klarer kommunizieren und ein Vertrauensverhältnis mit den Kapitänen aufbauen, was mit Blick auf die Vorbildfunktion jungen Spieler/-innen und Fans gegenüber wichtig ist.
Michael Oliver hält die neue Weisung für einen Schritt in die richtige Richtung. „Das wird auf jeden Fall helfen. In vielen Situationen wollen die Spieler und Fans Antworten und Begründungen. Durch den Dialog mit einem designierten Spieler kann sich das nur verbessern. Wenn man eine Beziehung mit dem Kapitän aufbaut, kann man seinen Standpunkt übermitteln, seine Sicht der Dinge hören und sich dann entsprechend erklären. Das kann nur positiv sein.“
Streben nach dem Besten
Michael Oliver hofft, dass mehr Menschen bewusst wird, dass die Schiedsrichter ebenso fußballbegeistert sind wie die Spieler und Fans. „Viele Leute denken, dass wir fünf Minuten vor dem Anstoß eintreffen, dann gleich wieder weggehen und eine Woche lang nicht an Fußball denken. Wir trainieren und arbeiten aber sehr hart, um zu den Besten zu gehören und möglichst wenige Fehler zu machen. Nach dem Spiel braucht mir niemand zu sagen, wie gut ich war – das weiß ich selber. Das kann ich besser beurteilen als sonst jemand.“
Werde Schiri!
Letztes Jahr brachte die UEFA die Kampagne „Werde Schiri!“ auf den Weg, mit der Bewusstsein für die Arbeit der Unparteiischen geschaffen und deren Bedeutung für den Fußball hervorgehoben wird sowie junge Menschen dazu gebracht werden sollen, eine Karriere als Referee einzuschlagen.