Medizinisches Symposium der UEFA: Individuelle Bedürfnisse im Vordergrund
Montag, 6. Februar 2023
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Die Bedeutung einer auf die individuellen Bedürfnisse von Spielerinnen und Spielern zugeschnittenen medizinischen Betreuung und Leistungsbewertung kam bei den letzten Sitzungen des Medizinischen Symposiums der UEFA in Frankfurt immer wieder zur Sprache.
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Ron Maughan, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung der Medizinischen Kommission des IOK, schilderte die Auswirkungen des Fußballspielens bei extremer Hitze, darunter ein bedeutender Anstieg der Anstrengungswahrnehmung, Körpertemperatur, Transpiration, Dehydrierung und des Risikos von Hitzeerkrankungen sowie eine beträchtliche Verringerung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Er betonte die Bedeutung von Strategien zur Eindämmung von Hitzeeffekten, darunter die individuell abgestimmte Akklimatisierung und Flüssigkeitsaufnahme sowie die Sensibilisierung von Spielerinnen und Spielern, Betreuerstäben und Veranstaltern für Methoden zur Verringerung gesundheitlicher Risiken.
Christopher Carling vom Französischen Fußballverband ging auf die Ursachen möglicher Überbelastungen ein, denen Spitzenspielerinnen und -spieler ausgesetzt sein könnten, wie dicht gedrängte Spielpläne, mangelnde Kaderrotation, regelmäßige und/oder lange Reisen sowie übermäßig intensives oder monotones Training. Alan McCall vom FC Arsenal und der spanische Sportphysiologe Iñigo Mujika sprachen über die Schwierigkeiten hinsichtlich der Anwendung einheitlicher Methoden im Zusammenhang mit der Vorbereitung, Leistungsfähigkeit und dem Wohlbefinden von Fußballprofis und gingen dabei im Einzelnen auf das Verhältnis von akuter zu chronischer Trainingsbelastung (acute:chronic workload ratio; ACWR) bzw. auf Erholungsstrategien ein.
Die Sicht der Protagonisten
Der letzte große Programmpunkt des Symposiums war eine Podiumsdiskussion über die gesundheitliche Betreuung von Spielerinnen und Spielern in Vereinen und Nationalmannschaften mit den ehemaligen Fußballprofis Thomas Hitzlsperger, Niko Kovač und Josephine Henning sowie der Teamärztin der belgischen Frauennationalelf, Elke Van den Steen.
Hitzlsperger, der neben der Bundesliga auch in England und kurzzeitig in Italien spielte, schilderte seine Erfahrungen bei Vereinswechseln mit Blick auf die Anpassung an neue Trainings- und Behandlungsmethoden. Dabei betonte er, wie wichtig Vertrauen und gegenseitiger Respekt zwischen Spieler und dem physiotherapeutischen Team sind.
Kovač schlug nach seiner illustren Karriere als Spieler eine Trainerlaufbahn ein, in der er unter anderem die kroatische Nationalmannschaft, Eintracht Frankfurt, Bayern München sowie Monaco betreute und aktuell beim VfL Wolfsburg an der Seitenlinie steht. Der ehemalige kroatische Nationalspieler erklärte, wie er in seiner Aktivzeit voll darauf fokussiert war, seine körperliche Leistung durch gesunde Ernährung, Erholung und Regeneration zu optimieren. Als Trainer legt er heute großen Wert auf offene Kommunikation und eine detaillierte vorausschauende Planung in Zusammenarbeit mit dem medizinischen Personal, um die Belastung von Spielern und die Erholung nach Verletzungen angemessen zu steuern.
Josephine Henning, die 2016 mit Deutschland Olympiasiegerin wurde, sprach über ihre mentale Belastung nach einer schweren Knieverletzung, die sie sich im Ausland zuzog. Gleichzeitig wies sie auf die großen Fortschritte hin, die in den letzten Jahren in der Sportwissenschaft mit Blick auf die medizinische Versorgung von Fußballerinnen erzielt wurden. Es fehle allerdings noch an der medizinischen Nachbetreuung von Spielerinnen nach ihrem Rücktritt, insbesondere in den ersten Jahren nach dem Ende einer Profikarriere.
Elke Van den Steen betonte, wie wichtig es sei, die körperlichen Besonderheiten von Frauen zu kennen, wie etwa die größere Anfälligkeit für Bänderverletzungen im Vergleich zu Männern, aufgrund derer Training und Erholung entsprechend angepasst werden müssten. Mit Voranschreiten der Datenerfassung und wissenschaftlichen Forschung werde die Fußballmedizin künftig besser dafür gewappnet sein, die Fitness und Gesundheit von Fußballerinnen während einer langen Karriere aufrechtzuerhalten.
Zum Abschluss des Symposiums fanden drei praktische Workshops zur Auswertung von Elektrokardiogrammen (EKG), zu neurologischen Baseline-Screenings und zur Notfallversorgung statt, die als Ergänzung zu den Schulungen zum Thema Reanimation dienten, die einige Tage zuvor von der UEFA und dem europäischen Beirat zu Fragen der Reanimation (European Resuscitation Council, ERC) auf den Weg gebracht worden waren.
Zoran Bahtijarević, Oberster Medizinischer Verantwortlicher der UEFA:
„Das Medizinische Symposium der UEFA 2023 war ein überwältigender Erfolg. Die Teilnehmenden waren mit der Qualität der Vorträge äußerst zufrieden und schätzten die Gelegenheit, mit den zentralen Akteuren der Fußballmedizin Kontakte zu knüpfen.
Die UEFA bemüht sich kontinuierlich darum, Fußballerinnen und Fußballern die bestmögliche medizinische Betreuung zu bieten, und ist bestrebt, die an den letzten beiden Tagen angesprochenen Herausforderungen bis zum nächsten Medizinischen Symposium zu bewältigen.
Die wichtigste Botschaft, die während des gesamten Symposiums in zahlreichen Vorträgen bekräftigt wurde, ist die, dass Ärztinnen und Ärzte, weiteres medizinisches Personal, die Sportwissenschaft sowie Coaches sich in ihren Entscheidungen nicht von Emotionen oder äußerem Druck – unter anderem von Seiten der Medien –, sondern von wissenschaftlichen, evidenzbasierten Erkenntnissen leiten lassen sollten. Das erfordert Geduld, aber es ist letztlich der einzige Weg, die Gesundheit von Spielerinnen und Spielern zu schützen.“