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Als Mutter auf dem Platz: Aus dem Leben von... Almuth Schult

Die deutsche Nationaltorhüterin Almuth Schult ist die einzige aktive Spielerin in der Frauen-Bundesliga, die Kinder hat. In diesem Sommer muss sie ihre Mutterrolle und die Jagd nach dem EM-Titel unter einen Hut zu bringen.

In diesem Sommer muss DFB-Torhüterin Almuth Schult ihre Mutterrolle und die Jagd nach dem EM-Titel unter einen Hut bringen.

Almuth Schult hat in ihrem Leben schon viel erreicht: Sie war nicht nur Europameisterin, sondern auch Champions-League-Gewinnerin und sechsmal deutsche Meisterin mit dem VfL Wolfsburg. Daneben ist sie auch Mutter von zweijährigen Zwillingen.

Nach deren Geburt im April 2020 hat sie sich auf ein Top-Fitnesslevel und ins Nationalteam zurückgearbeitet und es geschafft, die Elternrolle mit den Aufgaben einer Spitzentorhüterin zu vereinbaren. Während der EM-Vorbereitung sind ihre Kinder immer mit von der Partie; gleichzeitig ist sie voll auf den Europameistertitel fokussiert.

Wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel der UEFA Women’s EURO 2022 erzählt sie UEFA.com ihre Geschichte.

Almuth Schult über... ihr Leben als Fußballerin und Mutter

Wir wussten von vornherein, dass ein Leben mit Kindern schwer durchzuplanen ist. Ich wollte wirklich unbedingt weiter spielen, aber ich wollte auch Kinder haben. Ich habe mich dann entschieden, meine Laufbahn nicht zu beenden, und dank der großen Unterstützung, die wir erhalten, funktioniert es auch.

Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass mein Mann und ich es alleine schaffen würden. Ich habe meine Familie um mich – natürlich meinen Mann, aber auch meine Eltern und Schwiegereltern und meine Geschwister, die uns alle helfen. Dafür sind wir wirklich dankbar. Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden, da waren immer Kinder da, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Dazu kam die Arbeit mit den ganzen Tieren und auf dem Feld. So ist meine Familie – es helfen immer alle zusammen, auch bei der Kinderbetreuung. Ich bin das also gewöhnt, was schon mal ein guter Anfang war.

Außerdem war ich glücklich und dankbar für meine bisherige Karriere. Hätte ich zu dem Zeitpunkt aufgehört, wäre es auch in Ordnung gewesen: Ich hatte Gold bei Olympia, den Europameistertitel und sämtliche Titel in Deutschland gewonnen, außerdem die Women’s Champions League; ich denke, da kann man zufrieden sein.

Almuth Schult nach dem Gewinn der EM 2013 mit der DFB-Auswahl.
Almuth Schult nach dem Gewinn der EM 2013 mit der DFB-Auswahl.Getty Images

Almuth Schult über… die Rückkehr in den Fußball

Wieder Top-Niveau zu erreichen, war schwer, vor allem am Anfang. Mit zwei kleinen Kindern kriegt man viel weniger Schlaf, deshalb ist es schwieriger, sich zu erholen. Manchmal bin ich so müde zum Training gekommen, dass ich abbrechen und kurz im Auto schlafen musste, bevor es wieder ging. Und man hat halt auch nicht wirklich „frei“, wenn man einen Tag frei hat – dann muss man sich um die Kinder kümmern, den Haushalt machen oder einkaufen gehen. Aber ich will mich nicht beschweren. Ich liebe mein Leben und die viele Arbeit – ich weiß, dass ich es geschafft habe, wieder in Form zu kommen und Leistung zu bringen.

Am Anfang war es auch schwierig für meinen Verein und die Nationalelf – sie hatten ja keine Erfahrung mit Spielerinnen, die Kinder haben. Deshalb waren sie ein bisschen unsicher, wie sie mich in der Praxis unterstützen sollten. Aber sie haben sich sehr gekümmert, das weiß ich zu schätzen. Sie haben gesagt: „Wenn du etwas brauchst, musst du es uns sagen, denn wir wissen nicht, was wir tun können.“ In der ersten Saison durfte ich das Krafttraining zu Hause absolvieren und musste dafür nicht zum Verein fahren. So hatte ich einen Tag mehr, an dem ich nicht mit dem Auto weg musste, und ich konnte trainieren, wann ich wollte – das war sehr wichtig für mich. Sie waren auch so offen, mir anzubieten, die Kinder ins Trainingslager mitzubringen, und dass sie das voll und ganz unterstützen würden. Das war ein großer Fortschritt für Deutschland.

Die Kinder waren schon früher im Stadion und haben mich spielen sehen, aber jetzt habe ich sie zum ersten Mal bei einem Turnier dabei. Ich denke, das wird super. Es macht so viel Spaß und Freude, sie um mich zu haben. Hoffentlich können sie stolz sein und in ein paar Jahren, wenn wir ihnen erzählen, wo sie während der EM-Endrunde waren, wird es etwas Besonderes für sie sein.

Almuth Schult vor Rekordkulisse beim Champions-League-Spiel gegen Barcelona.
Almuth Schult vor Rekordkulisse beim Champions-League-Spiel gegen Barcelona.Getty Images

Almuth Schult über... Work-Life-Balance

Fußball ist für mich neben der Familie das Wichtigste, aber er hat nicht oberste Priorität. Mit Kindern ist das Leben ganz anders, aber so schön. Wenn man sieht, wie sie Tag für Tag wachsen und sich entwickeln, geht einem das Herz auf. Man muss einfach jeden Moment genießen. Denn dafür ist das Leben da, und ich gebe zu, dass ich mich verändert habe: Ich bin ausgeglichener.

Das Familienleben und die Verpflichtungen als Profifußballerin unter einen Hut zu bringen, kann schwierig sein. Ich kann nicht entscheiden, wann ich trainiere, wann ich auf dem Trainingsplatz erscheinen muss – das entscheidet der Trainer, und daran muss ich alles andere ausrichten. Das ist manchmal etwas schwierig, wenn sich kurzfristig etwas ändert. Ich kann den Trainer nicht anrufen und sagen: „Heute komme ich nicht, meine Tochter ist krank, sie hat Fieber und ich muss zu Hause bleiben.“ Dann würden man zu mir sagen: „Ja, aber morgen ist ein wichtiges Spiel, du musst kommen.“ Das ist das einzig Schwere: die Kinder allein zu lassen und konzentriert zu bleiben. Man möchte ja immer gewinnen, jedes Spiel.

Hätten Sie's gewusst?

Seit Einführung des neuen Formats sieht das Reglement der UEFA Women’s Champions League vor, dass schwangere Spielerinnen oder solche in Mutterschaftsurlaub auf der Spielerliste vorübergehend ersetzt werden dürfen. So sind sowohl der Verein als auch die Spielerinnen besser geschützt: die Spielerinnen im Hinblick auf ihre Karriere und der Verein im Hinblick auf einen ausreichend großen Kader.

Almuth Schult über... die Zeit ohne Kinder

Im Allgemeinen finde ich es nicht so schwer, mich auf die Partie zu fokussieren, wenn ich unterwegs bin. Ich weiß, dass meine Kinder dann gut aufgehoben sind und dass liebe, nette Menschen sich um sie kümmern. Das beruhigt mich. Aber wenn ich weiß, dass sie krank sind, zwinge ich mich 90 Minuten lang, mich zu konzentrieren, und danach bin ich wieder die Mama. Dann ist es viel schwerer, sie allein zu lassen.

Wenn es nur um ein Auswärtsspiel für ein oder zwei Tage geht, ist es kein Problem. Dann weiß ich, ich bin bald wieder da und die Kinder sind umgeben von lauter Menschen, die sie wirklich gern haben, und werden gut versorgt. Aber wenn ich für zehn Tage ins Trainingslager muss und meine Kinder nicht mitnehmen kann, dann ist das schon hart. Ab drei Tagen wird es schwierig, weil ich daran gewöhnt bin, ein, zwei oder vielleicht drei Tage weg zu sein bei Auswärtsspielen oder so.

Wenn man sich dann von den Kindern verabschiedet, denkt man daran, dass man sie jetzt zehn Tage lang nicht sieht: Was werden sie alles dazulernen in den zehn Tagen? Werden sie ihre Mama vermissen? Wird zuhause alles rund laufen? Wird es irgendwelche Probleme geben? All das geht einem dann durch den Kopf und dann will man nicht weg. Aber so ist der Fußball, und ich liebe es, Fußball zu spielen, und so ist es eben. Das Leben ist nicht immer leicht.

Schult 2018, beim Feiern mit ihrer damaligen Vereinskameradin Sara Björk Gunnarsdóttir.
Schult 2018, beim Feiern mit ihrer damaligen Vereinskameradin Sara Björk Gunnarsdóttir.Bongarts/Getty Images

Almuth Schult... über ihre Vorbildfunktion für andere Fußball spielende Mütter

Ich bin die einzige Spielerin in der deutschen Frauen-Bundesliga, die Kinder hat. Viele andere Spielerinnen fragen mich: „Wie machst du das?“, weil sie selbst darüber nachdenken. Vielleicht halten sie es jetzt für machbarer. In Europa gab es zuletzt mehr Spielerinnen, die ein Kind bekommen und nicht daran denken, ihre Laufbahn zu beenden. Ich habe mit Kristine Minde aus Norwegen und Sara Björk Gunnarsdóttir aus Island gesprochen und sie haben mir gesagt, dass ich sie ein bisschen inspiriert habe. Das ist das schönste Kompliment, das man bekommen kann. In der deutschen Nationalmannschaft ist gerade Melanie Leupolz schwanger. Ob sie das bereits so vorhatte oder sich auch hat inspirieren lassen, weiß ich nicht.

Ich kann nur sagen, dass man sich mit seiner Entscheidung wohlfühlen sollte. Wenn das nicht der Fall ist, muss man dafür sorgen, dass es sich besser anfühlt. Auf die Leute zugehen, für seine Rechte kämpfen, niemals aufgeben. Dann wird es viel besser werden. Sich Unterstützung organisieren – das ist das Wichtigste, was man braucht, um wieder in den Fußball einzusteigen und Leistung zu bringen. Wenn man das Gefühl hat, dass man alleine dasteht, dann kann man es nicht schaffen. Es ist gut, dass sich das verändert in Europa, vielleicht überall auf der Welt: dass anerkannt wird, dass Frauen auch während ihrer Karriere Kinder bekommen können.