Strenge medizinische Bestimmungen bei der UEFA EURO 2020
Freitag, 2. Juli 2021
Artikel-Zusammenfassung
Die UEFA hat im Rahmen ihrer medizinischen Aktivitäten und der umfassenden medizinischen Anforderungen für das Turnier enorme Anstrengungen unternommen. Die Maßnahmen in den letzten Jahren haben dazu beigetragen, die Standards auf diesem wichtigen Gebiet des modernen Fußballs zu erhöhen.
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Artikel-Aufbau
Alle vier Jahre legt die UEFA die medizinischen Rahmenbedingungen für das Vorzeigeturnier im europäischen Nationalmannschaftsfußball fest.
Das diesjährige Format der EM-Endrunde mit elf Spielorten in ganz Europa sowie die andauernde Covid-19-Pandemie, welche die medizinische Logistik erschwert, sind mit besonderen Herausforderungen verbunden.
Zu den medizinischen Rahmenbedingungen im Zuge der EM-Endrunde gehören:
- das medizinische Reglement der UEFA; sowie
- spezifische medizinische Anforderungen, die von der jeweiligen Lokalen Organisationsstruktur (LOS) für die diversen Zielgruppen der UEFA erfüllt werden müssen.
Medizinisches Reglement
Die UEFA hat Anfang 2020 die neuste Ausgabe ihres Medizinischen Reglements herausgegeben.
Der erste Teil des Reglements (Artikel 3 bis 8) konzentriert sich auf die medizinischen Untersuchungen, die für alle in UEFA-Wettbewerben registrierten Spieler obligatorisch sind.
Vor jeder EM-Endrunde müssen sämtliche Spieler eingehende medizinische Untersuchungen durchlaufen, darunter spezielle kardiologische Untersuchungen auf Grundlage der Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaft der Kardiologen (ESC) sowie ein neurologisches Baseline-Screening der Hirnfunktionen, um die Diagnosen und Folgeuntersuchungen bei potenziellen Kopfverletzungen zu verbessern.
Medizinische Mindestanforderungen
Der zweite Teil des Reglements (Artikel 9 bis 16) definiert die medizinischen Mindestanforderungen (MMA), die bei allen UEFA-Wettbewerben, darunter die EM-Endrunde, mit Blick auf die Behandlung der Spieler, der Mannschaftsoffiziellen, des Schiedsrichterteams und der Spielbeauftragten erfüllt werden müssen.
Diese Anforderungen werden am Tag vor dem Spiel bei den offiziellen Trainingseinheiten im Stadion sowie am Spieltag bei Ankunft der Mannschaften im Stadion überprüft.
Dazu gehören die Bereitstellung umfangreicher Notfallausrüstung am Spielfeldrand, ein Rettungswagen mit Advanced Life Support (ALS) sowie ein Notarzt und ein Tragenträgerteam am Spielfeldrand, die in ihrem Beschäftigungsland über ein anerkanntes ALS-Zertifikat verfügen.
Medizinische Verantwortliche
Bei jeder Endrunde eines UEFA-Wettbewerbs, einschließlich der Europameisterschaft, beauftragt die UEFA den Ausrichterverband mit der Ernennung eines Medizinischen Verantwortlichen, der während des Turniers für die gesamte medizinische Versorgung und alle gesundheitlichen Einrichtungen verantwortlich zeichnet.
Das besondere Format der UEFA EURO 2020 mit elf Spielorten hat dazu geführt, dass für jeden Spielort ein Medizinischer Verantwortlicher ernannt werden musste. Dessen Aufgabe bestand darin, im Auftrag der UEFA ein medizinisches Gesamtkonzept zu erstellen, das die gesundheitliche Versorgung während des Turniers detailliert.
Die elf Konzepte enthalten wichtige Angaben, beispielsweise zum nationalen Gesundheitssystem, zu den Verfahren für die Einfuhr von Medikamenten und der Befähigung der teilnehmenden Mannschaftsärzte zur Ausübung des medizinischen Berufs sowie zu den medizinischen Einrichtungen und der gesundheitlichen Versorgung für die verschiedenen UEFA-Zielgruppen.
UEFA-Protokoll zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs
Die Pandemie und die Verschiebung der UEFA EURO 2020 um ein Jahr bedeuteten außerdem, dass die Medizinischen Verantwortlichen im Hinblick auf die Eindämmung von Covid-19 die Besonderheiten des UEFA-Protokolls zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs berücksichtigen mussten.
Die UEFA stellte jedem Austragungsort ein für die Endrunde geltendes operatives Konzept zur Verfügung, damit die zuständigen Behörden die medizinischen, gesundheitlichen und hygienischen Rahmenbedingungen genehmigen und bestätigen konnten.
Ferner organisierte die UEFA an den elf Spielorten Gespräche mit den zuständigen Behörden, um zu definieren, welche Schutzvorkehrungen an den jeweiligen Austragungsorten gelten. Dabei handelte es sich um eine äußerst komplexe Aufgabe, da sich die geltenden Gesetze in den verschiedenen Ländern unter anderem im Hinblick auf Einreisebestimmungen, Testprogramme, den Umgang mit positiven Fällen und eventuelle Rückführungen unterschieden.
Hygienebeauftragte
Jeder Stadionbetreiber muss einen Hygienebeauftragten mit fundierten funktionalen Kenntnissen des Stadions und seines Betriebs ernennen, dessen alleinige Verantwortung darin besteht, sicherzustellen, dass alle Grundsätze und Hygienemaßnahmen am Spielort im Ausrichterland korrekt umgesetzt werden.
Es ist zwingend notwendig, dass der Hygienebeauftragte die lokale epidemiologische Situation und die örtlich geltenden Maßnahmen gut kennt. Der Beauftragte ist außerdem dafür verantwortlich, das bestehende Protokoll für den Zutritt zum Stadion und zu den turnierrelevanten Einrichtungen in Stadionnähe umzusetzen.
Schulungen für Mannschaftsärzte
Die UEFA organisierte mehrere Schulungen für die Mannschaftsärzte der 24 teilnehmenden Nationalverbände. Die erste Schulung fand im Januar 2021 statt und nahm die medizinischen Vorabuntersuchungen genauer unter die Lupe. Ebenso ging es darum, dass alle Spieler in guter gesundheitlicher Verfassung waren, bevor sie auf die Spielerliste für die Endrunde gesetzt wurden.
Die zweite Schulung fand Ende April statt. Dabei wurden die Mannschaftsärzte über die medizinischen Anforderungen und die wettbewerbsspezifischen medizinischen Bestimmungen informiert, darunter bezüglich des Ersetzens von Spielern infolge einer Verletzung oder einer Covid-19-Infektion sowie des Vorgehens bei Trinkpausen.
Covid-19-Testprogramm
Anlässlich der Schulungen stellte die UEFA ihr Covid-19-Testprogramm eingehend vor. Die Medizinischen Verantwortlichen wurden daraufhin beauftragt, individuelle Präsentationen für alle Mannschaftsärzte der 24 teilnehmenden Teams durchzuführen, die sich mit den Einzelheiten in ihrem Land befassten.
Umgang mit Gehirnerschütterungen
Anfang Juni organisierte die UEFA eine Schulung zum konkreten Umgang mit Gehirnerschütterungen während des Turniers. Am Ende der Schulung unterzeichneten die Generalsekretäre, Cheftrainer und Mannschaftsärzte aller teilnehmenden Teams eine Charta zu Gehirnerschütterungen und bekundeten somit ihre Unterstützung für die Empfehlungen der UEFA.
Weitere medizinische Aktivitäten der UEFA
UEFA-Fortbildungsprogramm für Fußballärzte
Die UEFA hat eine eigene Weiterbildungsinitiative, das UEFA-Fortbildungsprogramm für Fußballärzte (FDEP), ins Leben gerufen. Ziel des Programms ist es, den Ärzten aller 55 UEFA-Nationalverbände die wichtigsten Kompetenzen im Bereich Fußballmedizin an die Hand zu geben.
Das Programm besteht aus drei Workshops mit unterschiedlichen Schwerpunkten:
- Rollen und Zuständigkeiten des Fußballarztes, Notfallbehandlung von Spielern am Spielfeldrand;
- Diagnose und Behandlung fußballspezifischer Verletzungen;
- darüber hinausgehende Fragen im Bereich Spielergesundheit, einschließlich Modulen zu den Themen Infektionskrankheiten, Ernährung, Psychologie und Rehabilitation.
Jeder am FDEP teilnehmende Arzt verpflichtet sich, die gleichen Workshops auf nationaler Ebene zu organisieren. So wird sichergestellt, dass dieses Wissen auch auf Stufe der Nationalverbände und Klubs vermittelt wird.
Medizinisches Webinar zu Kopfverletzungen
Die UEFA organisiert FDEP-Schulungen einmal jährlich. Pandemiebedingt musste das Programm jedoch pausiert werden, da es eine Vielzahl praktischer Prüfungen umfasst.
Jedoch konnte der europäische Fußball-Dachverband am 19. Mai erstmals ein medizinisches Webinar ausrichten, an dem mehr als 250 Sportärzte aus der ganzen Welt teilnahmen und das sich schwerpunktmäßig mit dem fachlich kontroversen Thema Kopfverletzungen befasste.
Stellungnahmen
Prof. Dr. Tim Meyer, Vorsitzender der Medizinischen Kommission der UEFA, erklärte:
„Die verschiedenen Reglemente, Anforderungen und Fortbildungsprogramme der UEFA haben in den letzten zehn Jahren zu einer drastischen Erhöhung der medizinischen Standards im europäischen Fußball geführt. Die Gesundheit und Sicherheit aller an den UEFA-Wettbewerben teilnehmenden Spieler ist das zentrale Anliegen der Medizinischen Kommission der UEFA. Ziel ist es, allen teilnehmenden Spielern eine medizinische Versorgung auf höchstem Niveau zu bieten.“
Zoran Bahtijarević, Oberster Medizinischer Verantwortlicher der UEFA EURO 2020, lobte:
„Alle elf Medizinischen Verantwortlichen bei der diesjährigen EM-Endrunde leisten herausragende Arbeit. Die intensive Kooperation und Koordinierung zwischen der UEFA und den vor Ort Zuständigen haben zur erfolgreichen medizinischen Versorgung bei der UEFA EURO 2020 beigetragen, die sich aufgrund der andauernden Pandemie noch komplexer gestaltete. Dafür hat sich unsere Zusammenarbeit im Vergleich zu den letzten Jahren intensiviert, insbesondere vor dem Hintergrund der dynamischen pandemischen Lage. Die UEFA und die Medizinischen Verantwortlichen haben gewaltige Anstrengungen unternommen, um eine möglichst sichere EM-Endrunde auszurichten.“