Internationaler Frauentag: Herausforderungen annehmen, Änderungen bewirken
Montag, 8. März 2021
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In einer neuen Kampagne der UEFA kommen starke Frauen zu Wort, die den europäischen Fußball heute und in Zukunft mitgestalten – vom Breitensport bis hin zur Elite.
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Anlässlich des Internationalen Frauentages 2021 startet die UEFA eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, um starken Frauen, die maßgeblich zur Entwicklung des Fußballs beitragen, Gehör zu verleihen.
In diesem Zusammenhang werden wir dieses Jahr zu ausgewählten Anlässen die herausragenden Beiträge außergewöhnlicher Frauen im Fußball hervorheben und einen genaueren Blick auf ihre Erfolge, ihre Motivation und ihre Ziele für die Zukunft werfen.
Einige dieser Frauen haben sich durch erstklassige Leistungen auf dem Platz einen Namen gemacht. Viele andere sind eher hinter den Kulissen tätig und übernehmen Aufgaben, die genauso wichtig sind, wenngleich sie vielleicht weniger im Rampenlicht stehen – sei es in Vorständen, auf Fantribünen, auf den Reporterplätzen oder in Trainingsprogrammen für den Nachwuchs- und Amateurbereich.
Zu Beginn stellen wir fünf Frauen vor, die mit ihrem Engagement andere inspirieren und alte Denkweisen aufbrechen. Sie stehen damit stellvertretend für das zentrale Motto und Anliegen des diesjährigen Internationalen Frauentages: „Choosing to challenge“, was so viel bedeutet wie Herausforderungen anzunehmen, um Veränderungen zu bewirken.
Emma Hayes: „Riskiere etwas, vertraue dir selbst und glaube daran, dass deine Fähigkeiten gefragt sind“
Emma Hayes ist eine wahre Pionierin im Frauenfußball. Seit mittlerweile knapp neun Jahren arbeitet sie als Cheftrainerin beim Frauenteam des FC Chelsea. Dabei feierte sie Titelgewinne in der englischen Meisterschaft und im FA Cup und formte die Londonerinnen zu einem europäischen Spitzenteam. In der laufenden Saison steht sie mit den Blues im Achtelfinale der UEFA Women’s Champions League gegen Atlético Madrid. Im Jahr 2016 wurde Emma Hayes aufgrund ihrer Verdienste um den Fußball mit dem britischen Verdienstorden „Order of the British Empire“ (MBE) ausgezeichnet.
Was sind die bedeutendsten Veränderungen, die Sie in Ihrer Zeit im Fußball erlebt haben? Welche Änderungen erhoffen Sie sich für die Zukunft? „Die bedeutendste Veränderung sind sicherlich die Investitionen der Klubs und nationalen Verbände in den Frauenfußball. Als ich mit dem Fußball anfing, gab es nur Amateure. Dann kam das Halbprofitum und heute darf ich erstklassige Profispielerinnen betreuen. Mir gefällt außerdem, wie sich der Frauenfußball neben dem Spielfeld entwickelt hat – angefangen von immer mehr Sendezeit im Fernsehen bis hin zu den besseren Möglichkeiten, die die Spielerinnen heute haben, um als Profis Geld zu verdienen. Dadurch schafft unser Sport mehr Chancen für alle.“
Was raten Sie jungen Mädchen, die Ihren Erfolgen nacheifern wollen oder eine Karriere im Fußball anstreben? „Meine Familie hat mich immer bestärkt. Mein Vater hat mich mit zum Fußball genommen. Ich habe zusammen mit meinen Schwestern gekickt und meine Mutter hat mich stets ermutigt, meinen Träumen zu folgen. Ich hatte also viel Unterstützung. Wir müssen uns aber auch vor Augen halten, dass man nicht immer perfekt sein muss, um ein Ziel zu erreichen. Wenn man vor einer Herausforderung steht, dann sollte man auf keinen Fall denken, dass man nicht gut genug ist oder noch mehr von diesem oder von jenem braucht. Vielmehr lautet mein Rat an die Mädchen und Frauen: Riskiere etwas, vertraue dir selbst und glaube daran, dass deine Fähigkeiten in diesem Spiel gefragt sind. Glaube an dich selbst. Das ist nicht immer einfach, denn man braucht die nötige Ausdauer und genügend Selbstbewusstsein, um damit umzugehen. Doch am Ende zählt nur eins: sich nicht von seinen Träumen abbringen zu lassen.“
Was ist der nächste große Schritt, den der Frauenfußball Ihrer Meinung nach machen sollte? „Sobald es wieder möglich ist, sollten wir versuchen, Woche für Woche größere Stadien zu füllen. Frauen sollten mehr Gelegenheiten haben, vor größerer Kulisse zu spielen.“
Asisat Oshoala: „Glaube an dich selbst und warte nicht darauf, dass andere an dich glauben“
Der Weg von Asisat Oshoala zu einer erfolgreichen Fußballerin war keineswegs vorgezeichnet – ihre Eltern verboten ihr einst, dem runden Leder nachzujagen. Heute ist die Nigerianerin bereits vier Mal als Afrikas Fußballerin des Jahres ausgezeichnet worden. Nachdem sie sich im Jahr 2014 durch herausragende Leistungen bei der U20-Frauen-Weltmeisterschaft ins Rampenlicht gespielt hatte, ging es mit ihrer Karriere steil bergauf. Im Finale der UEFA Women‘s Champions League 2019 erzielte sie sogar einen Treffer.
Wer hat Sie inspiriert, als Ihnen Ihre Eltern das Fußballspielen verboten hatten? „Die Einzige, die mich unterstützt hat, war meine Großmutter. Leider weilt sie heute nicht mehr unter uns, aber sie war als Einzige in meiner Familie immer für mich da. Wenn ich heute auf der großen Fußballbühne stehe, denke ich oft an sie. Ich wünschte, sie könnte mich spielen sehen. Doch ich bin ziemlich sicher, dass sie stolz auf mich ist. Manchmal saß ich da und habe geweint, weil ich Versagensängste hatte. Ich wollte auf keinen Fall, dass meine Eltern am Ende sagen, aus mir ist nichts geworden, weil ich nicht auf sie gehört habe. Das hat mich ganz schön unter Druck gesetzt. Ich hatte das Gefühl, liefern zu müssen.“
Wie haben Sie es geschafft, Ihre Eltern zu überzeugen? „Nachdem ich bei der U20-WM den Goldenen Ball für die beste Spielerin und den Goldenen Schuh als Torschützenkönigin gewonnen hatte, haben mir meine Eltern grünes Licht gegeben, meinen Sport professionell auszuüben. In diesem Moment war ich unglaublich glücklich. Sie sagten: ‚Wir sehen, dass du Talent hast, und wir wollen nicht, dass es vergeudet wird.‘ Jetzt spiele ich für den FC Barcelona. Was kann es Besseres geben? Ich bin auf dem Höhepunkt meiner Karriere – ich war bei der WM dabei, stand im Champions-League-Finale, das ist alles sehr emotional für mich. Ich bin froh, dass es geklappt hat.“
Wie können Sie in Ihrer heutigen Position den Spielerinnen von morgen helfen? „Ich habe eine Stiftung gegründet, die junge Mädchen unterstützt. Das bedeutet nicht, dass mir die Jungs egal sind, aber das Umfeld und die Gesellschaft unterstützen Jungen im Sport weitaus stärker als Mädchen. Daher ist mir das ein wichtiges Anliegen. Ich kann den Kindern meine Geschichte erzählen, ihnen Ratschläge geben und mit ihnen reden. Ich kann sie ermutigen, ihren Träumen nachzueifern, hart für ihre Ziele zu kämpfen, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen und niemals aufzugeben. Du musst selbst dein größter Fan sein, deine größte Motivationsquelle – wenn du dich nicht selbst motivierst, kannst du auch keinen Rückhalt von anderen bekommen. Also glaube an dich selbst und warte nicht darauf, dass andere an dich glauben.“
Stéphanie Frappart: „Ich weiß, dass ich ein Vorbild für viele Mädchen bin. Wenn ich hier auf dem Platz stehe, dann sehen sie, dass es möglich ist“
Stéphanie Frappart schrieb 2019 Geschichte, als sie den UEFA-Superpokal und damit als erste Frau ein bedeutendes Spiel in einem UEFA-Männerwettbewerb leitete. Im Dezember 2020 pfiff sie dann als erste Schiedsrichterin eine Champions-League-Begegnung der Männer. Darüber hinaus nahm sie an zwei Frauen-Weltmeisterschaften teil und leitete 2019 das WM-Finale zwischen den USA und den Niederlanden.
Wie gehen Sie mit Ihrer Vorreiterrolle im Fußball um? „Ich weiß, dass ich ein Vorbild für viele Mädchen bin. Wenn ich hier auf dem Platz stehe, dann sehen sie, dass es möglich ist. Allein das ist schon ein erster Schritt, um mehr Mädchen dafür zu begeistern, Schiedsrichterin zu werden. Mir ist bewusst, dass viele zu mir aufschauen. Aber ich will niemanden drängen. Die Mädchen und jungen Frauen werden ihren Weg gehen und am Ende selbst entscheiden, ob sie Unparteiische werden wollen oder nicht.“
Wie sind Sie Schiedsrichterin geworden? „Ich habe Fußball gespielt, wollte aber auch mehr über die Regeln wissen. So kam ich zu den Schiedsrichtern. Bis ich 20 war, habe ich gespielt und parallel dazu gepfiffen. Dann musste ich mich für eine Sache entscheiden. Zu jener Zeit waren die Strukturen im Frauenfußball noch nicht so entwickelt wie heute. Daher habe ich mich dafür entschieden, als Schiedsrichterin weiterzumachen. Auch als Referee braucht man Leidenschaft für den Fußball. Wenn man das Spiel liebt und überlegt, Schiedsrichterin zu werden, sollte man es einfach ausprobieren.“
Hatten Sie im Laufe Ihrer Karriere Vorbilder? „Ich hatte kein Vorbild im engeren Sinne. Aber ich habe viele Schiedsrichter in Aktion gesehen, die mich dann beeinflusst haben. Innerhalb des französischen Verbandes gab es auch viele Menschen, die mir Ratschläge gegeben und mich unterstützt haben.“
Lisa Alzner: „Man muss durch Türen hindurchgehen, wenn sie sich öffnen“
Nach anhaltenden Verletzungsproblemen hat die ehemalige österreichische U19-Nationalspielerin Lisa Alzner ihre Schuhe frühzeitig an den Nagel gehängt und das Spielfeld gegen einen Platz an der Seitenlinie getauscht. Nach einem Angebot des Oberösterreichischen Fußballverbandes ist die heute 22-Jährige als Trainerin der regionalen U14-Auswahl tätig, die an nationalen Wettbewerben teilnimmt. Darüber hinaus fungiert sie im Rahmen von „UEFA Playmakers“ als Trainerausbilderin und ist eine von drei technischen Experten, die das Ausbildungsprogramm für junge Mädchen in ganz Europa begleiten.
Wie hat sich der Frauenfußball seit Beginn Ihrer eigenen Spielerkarriere verändert? Welche Veränderungen wünschen Sie sich für die Zukunft? „Als Jugendliche schien eine Profilaufbahn in greifbarer Nähe für mich zu sein – die Möglichkeiten sind heute da. Zwar ist noch nicht alles perfekt, aber wenn ich zehn Jahre älter wäre, hätte die Sache wahrscheinlich weitaus schwieriger ausgesehen. Meine Idole waren vor allem Nationalspielerinnen. Eines meiner größten Vorbilder war Nadine Keßler. In meiner Jugend wollte ich immer so spielen wie sie. Der Frauenfußball hat in der Spitze riesige Fortschritte gemacht. Nun geht es darum, das gesteigerte Interesse zu nutzen und diese Entwicklung auch an der Basis fortzusetzen. Es sollte für Mädchen keine große Sache sein, Fußball zu spielen. Doch es muss mehr Zugang für alle Altersgruppen und Leistungsstufen geben.“
Inwieweit unterscheidet sich das Playmakers-Programm von traditionellen Trainingsansätzen? „Playmakers bietet vor allem denjenigen Mädchen die Möglichkeit, Fußball zu spielen, die vorher keine Gelegenheit dazu hatten. Wir begleiten die Mädchen in ihrer Entwicklung und sehen, wie sie Gefallen an unserem Sport finden. Viele Teilnehmerinnen sind anfangs schüchtern und haben kaum Selbstvertrauen. Doch dann tauen sie langsam auf und spüren, dass sie ein Teil des Ganzen sind. Dann fühlen sie sich dem Fußball mehr und mehr verbunden. Es ist ein schönes Gefühl, die Entwicklungsschritte von der ersten bis zur letzten Trainingseinheit zu begleiten. Mein Rat an alle Mädchen da draußen lautet: Wenn ihr darüber nachdenkt, Fußball zu spielen, probiert es einfach aus! Das gilt im Übrigen auch für andere Frauen. Sucht euch ein Umfeld, das euch unterstützt, gebt dem Ganzen eine Chance und habt Spaß am Spiel.“
Noch eine persönliche Frage: Was wünschen Sie sich für Ihre weitere Karriere? „Das Wichtigste für mich ist, all den Mädchen, die ich trainiere, eine bestmögliche Trainerin und Mentorin zu sein. Ich habe mir keine konkreten Ziele für die nächsten fünf, zehn oder 15 Jahre gesetzt. Doch man muss durch Türen hindurchgehen, wenn sie sich öffnen. Ich möchte neue Dinge ausprobieren, etwas riskieren und Chancen ergreifen, wenn sie sich bieten.“
Anne Rei: „Am Anfang dachten alle: Du bist eine Frau, was verstehst du schon von Fußball?“
Seit 2012 fungiert Anne Rei als Generalsekretärin des Estnischen Fußballverbandes. Darüber hinaus ist sie Vorsitzende der UEFA-Kommission für Frauenfußball und Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees Estlands. Die ehemalige Leichtathletiktrainerin bekleidet seit nunmehr knapp 30 Jahren Funktionärstätigkeiten im Fußball und hat in dieser Zeit maßgeblich dazu beigetragen, den Männer- wie auch den Frauenfußball auf Klub-, nationaler und internationaler Ebene weiterzuentwickeln.
Wie würden Sie Ihre bisherige Laufbahn im Fußball beschreiben? „Als einen ziemlich langen Weg. Es gab immer neue Herausforderungen, da sich der Fußball in dieser Zeit unglaublich schnell weiterentwickelt hat. Er ist gereift – besonders in Estland, wo Frauen zu Zeiten der Sowjetunion nicht Fußball spielen durften. Wenn man als junge Frau und Leichtathletiktrainerin in den Fußball kommt, braucht es etwas Zeit, um sich den nötigen Respekt zu erarbeiten. Alle dachten: ‚Du bist eine Frau, was verstehst du schon von Fußball?‘. Also musste ich hartnäckig bleiben und mit viel Hingabe beweisen, dass ich gut genug bin. Das ist mir bis heute ganz gut gelungen, darauf bin ich stolz.“
Was war nach Ihrer Meinung der wichtigste Meilenstein im Frauenfußball? „Das Jahr 2017 war für den Frauenfußball ganz entscheidend. Wir hatten eine überaus erfolgreiche Europameisterschaft – die Stadien waren voll und die Einschaltquoten im TV waren großartig. Auch Menschen, die sich bisher nicht für Frauenfußball interessierten, haben auf einmal die Spiele angeschaut und gemerkt, was Frauen leisten können. Gleichzeitig haben wir bei der UEFA eine eigene Abteilung für Frauenfußball geschaffen, die Kampagne #WePlayStrong ins Leben gerufen und eine neue Strategie auf den Weg gebracht. Nun reformieren wir die Wettbewerbe und sind im Hinblick auf die weitere Professionalisierung des Frauenfußballs wirklich zuversichtlich. Wir schreiben sozusagen ein neues Kapitel. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich ein Teil davon sein darf. Gleichzeitig gehe ich die anstehenden Aufgaben mit der nötigen Konzentration und dem nötigen Respekt an.“
Wo sehen Sie den Frauenfußball in fünf Jahren? „Es wird ganz sicher viel mehr Spielerinnen geben. Topwettbewerbe wie die Women‘s Champions League oder die Women’s EURO 2022 werden das öffentliche Interesse weiter beflügeln. Junge Mädchen werden erkennen, dass Fußballspielerin ein Beruf ist, mit dem man es ganz nach oben schaffen kann. Viele große Vereine investieren kräftig in den Frauenfußball. Sie legen damit den Grundstein dafür, dass sich das Spiel weiterhin positiv entwickelt. Sie sorgen so für das richtige Umfeld und passen auch die Infrastruktur an. Dadurch wird das Interesse steigen. Es wird mehr Sponsoren und mehr Fernsehübertragungen geben. Ich bin überzeugt davon, dass wir in fünf Jahren die anspruchsvollen Zahlen unserer Strategie ‚Zeit zu handeln‘ erreichen werden.“