Angerer: Titel wäre phänomenal
Samstag, 27. Juli 2013
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DFB-Kapitänin Nadine Angerer hofft auf einen neuerlichen Titelgewinn der DFB-Elf und sprach mit UEFA.com über den Lauf ihres Teams, Teamspirit und Torhüterleistungen.
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Deutschland hat sieben Mal die UEFA Women's EURO und zwei Mal die FIFA-Weltmeisterschaft gewonnen - und Torhüterin Nadine Angerer stand bei nicht weniger als sechs Titelgewinnen im Kader der DFB-Elf.
Bei den EM-Titeln 1997, 2001 und 2005 war Angerer noch Nummer Zwei hinter Silke Rottenberg, genauso wie bei der WM 2003 in den USA, doch 2007 stand die 34-Jährige erstmals bei einem großen Turnier als Nummer Eins im deutschen Tor - und kassierte im Turnier keinen einzigen Gegentreffer.
Dann führte sie ihr Team 2009 bei der EM in Finnland zum fünften kontinentalen Titel in Folge und jetzt hat die zu Brisbane Roar in die australische W-League wechselnde Torhüterin mit ihrem Team erneut das EM-Finale erreicht.
Vor dem Finale gegen Norwegen am Sonntag in Solna sprach Angerer mit UEFA.com über die Chancen auf den erneuten Titelgewinn, Teamspirit und die Leistungen der Torhüterinnen im Turnier.
UEFA.com: Deutschland steht zum sechsten Mal in Folge im EM-Finale, was macht die DFB-Elf so stark?
Nadine Angerer: Wir sind bekanntlich eine Turniermannschaft. Ich finde, wir haben uns richtig in das Turnier reingebissen. Wir wussten schon vorher, dass wir ein riesiges Leistungsvermögen haben, aber wir hatten am Anfang wirklich Probleme. Es ist aber fantastisch, wie sich die Mannschaft ins Turnier hineingekämpft hat und welchen unbändigen Siegeswillen und Mut sie hat.
UEFA.com: Es wurde in den letzten Wochen viel über die jungen Spielerinnen geredet und man hatte manchmal das Gefühl, die erfahrenen Spielerinnen werden vergessen. Im Halbfinale war die Erfahrung aber wichtig, oder?
Angerer: Es geht ja bei uns nicht um alt oder jung, wir sind eine Mannschaft und das Alter ist völlig egal, es geht um die Leistung. Wir haben vor allem im Halbfinale, aber auch schon im Viertelfinale, wahnsinnig gut zusammengearbeitet, wir Älteren haben eine gute Struktur reingebracht, die Jüngeren haben sich super eingebracht und auch das Spiel sofort angenommen. Es war wieder ein super Teamwork.
UEFA.com: War das Halbfinale das intensivste EM-Spiel, das es je gegeben hat?
Angerer: Es war richtig krass. Auf dem Platz habe ich diese Energie gespürt, und ich kam mir vor wie beim Tennis, wie es auf dem Platz hoch und runter ging. Das war ein Kampfakt, ein richtig intensives Spiel und von der Dynamik und der Power eines der intensivsten Spiele. Nach vier, fünf Minuten habe ich das erste Mal auf die Uhr geschaut und ich konnte gar nicht glauben, dass erst fünf Minuten gespielt waren, so intensiv war die Partie.
UEFA.com: Als der erlösende Schlusspfiff kam, wie war das Gefühl, den Gastgeber im eigenen Stadion bezwungen zu haben?
Angerer: Das war fantastisch. Ich habe zehn Minuten vor Spielende auf die Uhr geschaut und gedacht: 'Komm, noch 13 oder 14 Minuten, das schaffen wir jetzt auch noch.' Wir haben uns reingekämpft und jeder hat so gekämpft und ich hatte noch so viel Power, dass ich zehnmal vor Freude ums Stadion hätte rennen können.
UEFA.com: Warum ist es eine spezielle Stärke der deutschen Mannschaft, sich in einem Turnier steigern zu können?
Angerer: Wir haben die Siegermentalität, wir wollen gewinnen und wir sind hungrig. Wir haben nicht so viel investiert, um hier nur die Vorrunde oder das Viertelfinale zu spielen. Wenn man so viel in die Waagschale wirft, dann möchte man auch etwas ernten. Wir haben diesen Schwung einfach mitgenommen, weil wir wussten, dass wir viel können. Wir haben uns reingebissen und sind letztendlich dafür belohnt worden.
UEFA.com: Im letzten Jahr waren Sie noch verletzt und es gab Auf und Abs. Wie schafft man es als Torhüterin, zu so einem Turnier auf dem Punkt in Topform zu sein?
Angerer: Ich war das erste Mal in meiner Karriere verletzt und damit muss man erst einmal umgehen. Ich habe eine Trainerin, die mir zu 100 Prozent vertraut, das ist wichtig, und ich habe sehr, sehr viel trainiert und dafür wurde ich belohnt. Aber ich habe nie an mir gezweifelt.
UEFA.com: Es wurde viel über Teamspirit geredet, es gibt auch die Armbändchen mit der Aufschrift "Laganda 008". Ist das im Laufe des Turniers mit Leben gefüllt worden?
Angerer: Absolut. Auch die Spielerinnen, die nicht unter den ersten Elf sind, haben sich so für das Team eingesetzt, sie haben so viele Aktionen gestartet, das ist Wahnsinn. Melanie Behringer, Laura Benkarth, Almuth Schult, sie haben so viel tolle Sachen für das Team gemacht, aber auch andere Spielerinnen haben sich so viel Mühe gegeben, das zeigt, dass wir eine coole Mannschaft sind. Du kannst kein Turnier gewinnen, wenn Du keinen guten Teamspirit hast. Wenn Du Neider hast, wenn Du schlechte Stimmung machst, wirst Du kein Turnier gewinnen.
UEFA.com: Wie beurteilen Sie die Leistung der Torhüterinnen in diesem Turnier?
Angerer: In der Vergangenheit wurden die Leistungen zu Recht kritisiert. Ich finde aber, in diesem Turnier haben die Torhüterinnen wirklich überrascht. Ihre Leistungen waren wesentlich besser als in den Turnieren zuvor, und es ist wirklich etwas passiert. Aber es gibt natürlich noch Steigerungspotenzial, aber es ist kein Vergleich mehr zu den vorherigen Turnieren.
UEFA.com: Im Finale geht es jetzt noch einmal gegen Norwegen, gegen die ihr 0:1 in der Gruppe verloren habt. Wie schätzen Sie das Team ein?
Angerer: Norwegen spielt unglaublich defensiv, die Spielerinnen sind trotzdem sehr athletisch. Mit [Ingvild] Stensland und [Solveig] Gulbrandsen haben sie ausgebuffte Spielerinnen und mit [Ingrid] Hjelmseth eine sehr gute Torhüterin. Das wird wichtig für uns, dass wir sie gleich am Anfang knacken und wenn es geht, ein schnelles Tor schießen, dass sie gleich aus ihrem Defensivblock raus müssen. Das wird wieder ein 50:50-Spiel werden.
UEFA.com: Noch einmal dieses Turnier zu gewinnen, zum sechsten Mal in Folge, ist das kaum noch zu übertreffen?
Angerer: Wenn wir es schaffen, wäre es phänomenal, aber wir haben noch nichts gewonnen. Wir sind gut genug für den Titel, aber man darf nicht vergessen, dass wir eine super unerfahrene Mannschaft haben, alles ist möglich.