Rottenberg: "Jeder kann jeden schlagen"
Samstag, 13. Juli 2013
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Die ehemalige deutsche Nationaltorhüterin Silke Rottenberg sprach mit UEFA.com über die DFB-Elf, die wachsende Konkurrenz und Top-Torhüterinnen.
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Silke Rottenberg bestritt mit der DFB-Elf als Torhüterin 126 Länderspiele, wurde zweimal Weltmeisterin, dreimal Europameisterin und gewann mit dem 1. FFC Frankfurt den UEFA Women’s Cup. Heute kümmert sich die 41-Jährige als DFB-Torwarttrainerin um den Torhüterinnen-Nachwuchs in Deutschland und arbeitet als Fußballexpertin beim ZDF.
Mit UEFA.com sprach Rottenberg über die Erfolgsaussichten der deutschen Mannschaft in Schweden, die starke Konkurrenz sowie die Entwicklung des Turniers und die wachsende Qualität der Torhüterinnen.
Die DFB-Elf konnte ihr Auftaktspiel gegen die Niederlande nicht gewinnen. Ein überraschendes Ergebnis?
Silke Rottenberg: Es war schon im Vorfeld klar, dass Holland kein leicht zu schlagender Gegner ist, sondern eine Mannschaft, die in den vergangenen Jahren eine Spielkultur entwickelt hat. Sie hat der DFB-Elf das Leben schwer gemacht, die keine Mittel gefunden hat, Holland zu knacken. Am Ende war das 0:0 für Holland verdient, auch wenn Deutschland sich vorgenommen hatte, mit einem Sieg zu starten. Man hat aber auch gesehen, dass der Gegner in der zweiten Halbzeit durch Fehlpässe ein bisschen stark gemacht wurde.
Warum hat es nicht für einen Sieg gereicht?
Rottenberg: Jede Spielerin wollte etwas Besonderes machen und dann kam auch etwas Nervosität auf. Der ein oder andere Fehlpass hat bei der jungen, unerfahrenen Mannschaft zur Verunsicherung beigetragen. Viele Spielerinnen haben ihr erstes EM-Spiel außerhalb des Juniorinnenbereichs gespielt. Im Spiel gegen Island wird jede Spielerin ihre Stärken wieder besser einbringen müssen. Es ist im Moment noch nicht so, dass wir so viele Führungspersönlichkeiten auf dem Platz haben wie in der Vergangenheit. Das Können der Spielerinnen ist groß – beidfüßig, technisch versiert, kreativ – aber in einem Spiel wie gegen Holland fehlte in vielen Situationen noch die Erfahrung.
Umso wichtiger war Kapitänin Nadine Angerer im Tor als erfahrene Stütze.
Rottenberg: Ich freue mich für sie besonders, dass sie gegen Holland auf den Punkt fit war und zeigen konnte, dass auf sie noch Verlass ist. Angerer weiß selbst, dass sie bei der WM 2007 für Furore gesorgt hat und danach die Leistung ein wenig stagniert hat und es weniger gute Spiele gab. Dann kam auch noch die eine oder andere Verletzung dazwischen. Sie hat es sich hart erarbeitet, wieder an ihre alte Leistungsstärke heranzukommen. Und man hat im ersten Spiel gesehen, wie wichtig die Position der Torhüterin ist, wenn es einmal nicht so läuft im Team.
Wie weit kann es diese deutsche Mannschaft in diesem Turnier bringen?
Rottenberg: Es wäre vermessen, jetzt schon davon zu träumen, nach den Sternen zu greifen, obwohl der zweite Schritt noch nicht gemacht ist. Deswegen muss man sich vernünftig auf den nächsten Gegner konzentrieren, dann gegen Norwegen spielen und sehen, was in der Gruppenphase herausgekommen ist. Das Viertelfinale wird das entscheidende Spiel sein. Auch wenn es gegen Holland nicht so ausgesehen hat, ist mit diesem deutschen Team alles möglich, das Potenzial muss nur ausgeschöpft werden.
Wie beurteilen Sie die bisherigen Spiele?
Rottenberg: Die Botschaft der ersten Spiele ist, dass die Teams in diesem Turnier in ihrer Leistungsstärke nah beisammen liegen und jeder in der Lage ist, den anderen zu schlagen. Das ist für den Frauenfußball positiv. Man sieht, wie er sich entwickelt hat und dass in anderen Ländern nicht geschlafen wird. Jeder Gegner hat Qualität und man darf keines der zwölf Teams unterschätzen. Es wird spannend und man muss jetzt auch Holland und Dänemark mit in den Favoritenkreis aufnehmen.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Europameisterschaft, seit Sie selbst aktiv waren?
Rottenberg: Das Spiel ist noch einmal viel schneller, ideenreicher und taktisch besser geworden. Die jungen Spielerinnen sind technisch versiert, auch die Spielschnelligkeit hat sich sowohl vorne wie hinten vergrößert. Am meisten muss sich noch die Torhüterinnenposition entwickeln. Aber auch in diesem Bereich tut sich einiges, dieser Position wurde in der Vergangenheit zu wenig Beachtung geschenkt. In Deutschland sind wir seit 2007 auf einem guten Weg.
Welches sind die derzeit besten Torhüterinnen?
Rottenberg: Es gibt viele Torhüterinnen, die sich entwickelt haben, aber es gibt keine komplette Torhüterin. Hope Solo ist unheimlich athletisch und sie hat Qualitäten im Spielaufbau, aber trotz ihrer Athletik fehlt mir bei ihr ein bisschen die Dynamik und Sprungkraft. Sarah Bouhaddi bringt viele gute Dinge mit, ihr unterlaufen aufgrund ihrer riskanten Spielweise aber auch gelegentlich Fehler. Und Nadine Angerer gehört immer noch zum Kreis der besten Torhüterinnen, bei ihr ist bei der Fußtechnik Luft nach oben. Das sind die drei Torhüterinnen, die mir am meisten auffallen.
Sie arbeiten als DFB-Torwarttrainerin und seit 2011 auch als Expertin im Fernsehen beim ZDF. Wie sieht Ihr Tagesablauf bei dieser EURO aus?
Rottenberg: Mein Job als DFB-Trainerin läuft auch während der EURO, da müssen etwa ein Torwartstützpunktraining organisiert und E-Mail-Anfragen beantwortet werden. Ansonsten bereite ich mich ganz normal auf den nächsten Gegner vor, lese mich ein und schaue mir noch einmal das Spiel Island gegen Norwegen an. Wir diskutieren viel über den aktuellen Leistungsstand der Teams, die Mannschaftsaufstellung und den Tagesablauf. Für das Fernsehen zu arbeiten ist sehr spannend, weil es sekundengenau funktionieren muss. Man muss flexibel sein, weil immer unvorhergesehene Sachen passieren, das macht mir unheimlich viel Spaß.