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Interview mit Raymond Kopa

Für die französische Fußballlegende Raymond Kopa war der Fußball die einzige Chance, einem Leben als Minenarbeiter zu entgehen. Im Gespräch mit William Gaillard von der UEFA blickt der 79-Jährige zurück auf sein Leben.

Interview mit Raymond Kopa
Interview mit Raymond Kopa ©Getty Images

Raymond Kopa wird am Samstag bei seinem ehemaligen Klub Stade de Reims den Preis des UEFA-Präsidenten aus den Händen von Michel Platini entgegen nehmen. Aus diesem Anlass hat UEFA.com ein bisschen im Archiv gewühlt und ein Interview mit dem heute 79-jährigen Franzosen gefunden, das im Juni/Juli 2005 von William Gaillard geführt und im Champions magazine veröffentlicht wurde.

Der Kohlebergbau prägte einst das Gesicht des Départements Pas-de-Calais im äußersten Norden Frankreichs. Als Raymond Kopa in Noeux-les-Mines im Oktober 1931 das Licht der Welt erblickte, ragten die grauen Fördertürme in allen Himmelsrichtungen bis zum Horizont. Heute sind die Gruben geschlossen und die Fördergerüste von Gras überwuchert.

Kopas Familie kam aus Polen, wie Zehntausende andere Familien, die im Norden Frankreichs ihr Glück im Bergbau suchten. Sein Nachname Kopaszewski wurde schon in der Grundschule der Einfachheit halber in Kopa umgewandelt. Seine Großeltern kamen nach dem Ersten Weltkrieg aus Krakau über Deutschland, wo seine Eltern geboren wurden, nach Frankreich. Zuhause wurde weiter polnisch gesprochen, doch heute beherrscht Raymond Kopa die Sprache seiner Eltern nicht mehr. Nach einem Besuch in Polen erklärte er vor einiger Zeit, diese Reise habe ihm gezeigt, wie französisch er mittlerweile denke.

Der junge Kopa arbeitete ab seinem 14. Lebensjahr in den Minen, wie schon vor ihm Bruder, Vater und Großvater. Mit zehn Jahren hatte er bei Noeux-les-Mines FC seine ersten fußballerischen Gehversuche unternommen. Diese Erfahrung hatte ihn darin bestärkt, alles zu tun, um dem Leben in den Kohleminen zu entkommen und ein Fußballstar zu werden.

"Ich spielte immer in der höheren Altersklasse, mit 17 debütierte ich dann für Noeux-les-Mines in der dritten französischen Liga", erinnert sich Kopa. "Der Chefingenieur meiner Grube war zugleich Präsident des Klubs, aber er hat nichts unternommen, um meine Fußballkarriere zu unterstützen."

Kopas Familie zahlte einen hohen Preis für die Arbeit im Bergwerk. Sein Vater starb mit 56 an der Staublungenkrankheit, sein Bruder wurde aus demselben Grund nur 64 Jahre alt. Raymond selbst verlor bei einem Grubenunglück einen Finger.

"Ich hatte gehofft, einen Vertrag bei einem der großen Klubs im Norden zu bekommen: Lille OSC, RC Lens, Valenciennes oder Roubaix [damals alles Erstligisten]. Deshalb war ich richtig enttäuscht, als ich nur ein Angebot von einem westfranzösischen Zweitligisten, SCO Angers, bekam." Doch der Aufenthalt in Angers lohnte sich dennoch, lernte Kopa doch dort seine spätere Frau Christiane kennen.

Nach zwei Jahren in der 2. Liga verpflichtete ihn der französische Pokalsieger Stade de Reims. Mit 1.69 Meter und kräftigen Beinen wurden atemberaubende Dribblings sein Markenzeichen, der Ball schien ihm am Fuß zu kleben.

Am 5. Oktober 1952, ein Jahr nach seinem Wechsel zu Reims, bestritt er gegen Deutschland sein erstes Länderspiel für Frankreich. Am Ende seiner Karriere konnte er auf 45 Auftritte in der Nationalmannschaft zurückblicken, in denen er 18 Tore erzielte.

"Reims war eine großartige Mannschaft, wir spielten wundervollen Offensivfußball, so genannten Champagner-Fußball und wir waren in ganz Frankreich beliebt. "1953 schlugen wir den AC Milan im Endspiel des Coupe Latine [einem Vorläufer des Landesmeisterpokals] mit 3:0. Milan machte mir anschließend ein Angebot, aber ich wollte unbedingt für Real Madrid spielen, weil das damals der beste Klub der Welt war."

Ein Jahr später ging sein Traum in Erfüllung, Kopa ging für die damalige Rekordablöse von rund 500 000 Euro nach Madrid. Für dieses Geld holte Reims drei Stars: Just Fontaine, Jean Vincent und Roger Piantoni. Kopa dagegen erhielt in Madrid schnell den Spitznamen "Kopita" – kleiner Kopa.

"Das waren drei fantastische Jahre, wir gewannen drei Landesmeisterpokale, zwei spanische Meisterschaften und haben in dieser Zeit nur ein einziges Spiel verloren - leider ausgerechnet gegen den Lokalrivalen Atlético, das war eine große Schande", blickt Kopa auf seine Zeit bei den Königlichen zurück. "Heute nennt man Real die Galácticos. Ich möchte der heutigen Mannschaft nicht zu nahe treten, aber ich glaube, dass wir damals das bessere Team hatten, mit Spielern wie Di Stéfano, Puskás, Gento. Oder unsere exzellente Defensive mit Marquitos, Santamaría, Santisteban.

Viele Journalisten verglichen Kopa mit dem brasilianischen Dribbel-König Garrincha. Doch anders als der geborene Flügelspieler Garrincha entwickelte sich Kopa später zu einem vielseitigen Spielmacher, viele halten ihn für die erste wahre Nummer 10.

Nach den größten Fußballern aller Zeiten befragt, zögert Kopa keine Sekunde: "Drei ragen heraus – Pelé, Alfredo Di Stéfano und Ferenc Puskás. Aber auch Michel Platini war herausragend. Er spielte eine ähnliche Position wie ich, ein paar Schritte hinter der vordersten Spitze. Meine Ära lief parallel zur großen Zeit von Reims [1952-62]. Dann kam nach längerer Zeit die Generation um Platini [1976-86], dann mussten wir wieder fast zehn Jahre warten, ehe Zidane auftauchte. Thierry Henry hat auch auf Vereinsebene, vor allem in England, Großartiges geleistet."

Auch andere Namen kommen ihm ins Gedächtnis: "Garrincha, Franz Beckenbauer und Johan Cruyff gehören in den Pantheon der großen Spieler, wie auch Stanley Matthews. In jüngster Vergangenheit haben mich Zizou und Henry ebenso beeindruckt wie Ronaldo und Ronaldinho – zwei herausragende Talente."

"Die Profis von heute haben es leichter, wenn sie ihre Schuhe an den Nagel hängen. ich war in den späten 60er Jahren eine Ausnahme. Ich habe mich nach drei Jahren bei Real entschieden, nicht noch einmal um drei Jahre zu verlängern, weil ich mich in Frankreich auf die nächste Phase meines Berufslebens vorbereiten wollte. Ich habe unter der Marke Kopa Sportartikel produziert, und hatte damit genügend Erfolg, um einige weniger vom Glück begünstigte Mitspieler von früher zu engagieren. Ich habe mich in Korsika niedergelassen, mich 1991 endgültig aufs Altenteil zurückgezogen und verbringe jetzt viel Zeit in meinem mediterranen Garten."