Leverkusens Sturmpuzzle
Mittwoch, 5. Januar 2011
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Mit der Rückkehr von Stefan Kießling verfügt Bayer 04 Leverkusen neben Eren Derdiyok und Patrick Helmes wieder über drei Nationalstürmer - wie löst Coach Heynckes, der eigentlich nur mit einem Stürmer spielt, dieses Problem?
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Am 14. August, da war die Welt der Stürmer bei Bayer 04 Leverkusen noch in Ordnung. Die drei Spitzenkräfte Stefan Kießling, Patrick Helmes und Eren Derdiyok waren allesamt fit, es ging in der ersten Runde des DFB-Pokals zum FK Pirmasens. Trainer Jupp Heynckes entschied sich gegen den Fünftligisten für ein 4-4-2-System, Helmes (drei Tore) und Kießling (zwei) standen in der Startelf, Derdiyok kam für Helmes ins Spiel und durfte sich bei dem 11:1-Erfolg des Bundesligisten selber noch zwei Mal in die Torschützenliste eintragen.
In den nächsten fünf Partien der neuen Saison rotierte Heynckes munter zwischen seinen drei Stürmern internationalen Formats, zwei Mal begannen Helmes/Kießling, zwei Mal Kießling/Derdiyok und ein Mal Helmes/Derdiyok. Rotation schien die Antwort auf die mit Spannung vor der Saison gestellte Frage, wie Heynckes es mit seinen drei Angreifern handhaben würde. Dann kam der 4. Bundesligaspieltag, und Kießling verletzte sich beim 0:0 gegen seinen Ex-Klub 1. FC Nürnberg so schwer am Syndesmoseband, dass er bis Dezember ausfallen sollte. Auch Helmes musste nach rund einer Stunde verletzt vom Feld.
Das führte dazu, dass Heynckes im nächsten Spiel gegen Eintracht Frankfurt nur einer aus dem Trio zur Verfügung stand. Der Ex-Angreifer wechselte das System zu einem 4-2-3-1 mit Derdiyok vorne, seine Elf siegte 4:1, und was er sah, gefiel dem 65-Jährigen offenbar, denn von da an entschied er sich regelmäßig für ein Fünfermittelfeld.
Helmes war bald wieder zurück, doch Derdiyok erhielt ab da den Vorzug. Der deutsche Nationalstürmer kam meist nur in der UEFA Europa League von Anfang an zum Einsatz, wo Heynckes sowieso mächtig durchrotierte. Zwischendrin wurde ab und zu noch mal der Versuch mit zwei Stürmern gestartet, doch Heynckes entschied sich zusehends für die Variante mit schnellen Spielern wie Sidney Sam oder Tranquillo Barnetta auf den Außen und nur einem echten Angreifer. Zwei Stürmer gab es meist nur bei einem Rückstand. Die Stimmung bei Helmes wurde immer schlechter, und Ende November äußerte er öffentlich Kritik: "Er redet sowieso nie mit mir", so Helmes über Heynckes. "Hier wird mit zweierlei Maß gemessen – das ist nicht gut."
Da fehlte Kießling schon monatelang verletzt, und trotzdem rumorte es bei Bayer. Die Abfuhr, die Helmes bekam, war deutlich. "Patrick hätte sagen sollen: Nach meinen mäßigen Leistungen in den letzten Wochen muss ich mit der Bank leben", sagte Sportdirektor Rudi Völler, der Helmes zum Rapport zitierte, während Heynckes auch deutlich wurde. "Ich habe mit keinem anderen Leverkusener so viel wie mit Helmes gesprochen. Wenn mir Spieler richtig zugehört haben, sind sie immer besser geworden, wenn die Spieler nicht zuhören wollen, werden sie über kurz oder lang keine große Rolle im großen Fußball spielen. Wir sind ein Spitzenverein, Spitzenvereine spielen Konzeptfußball, da muss man taktische Vorgaben einhalten und für die Mannschaft arbeiten."
Da auch Derdiyok trotz Bayers guter Hinrunde nicht wirklich überzeugte, kam Helmes zu Ende der Hinrunde ab und zu wieder von Anfang an zum Einsatz. Über den Schweizer sagte Heynckes: "Es ist sein zweites Bundesligajahr und das ist meist das schwierigste Jahr in einer Karriere." Derdiyok (3 Ligatore) und Helmes (5) sind also beide nicht voll in Form – bester Torschütze Leverkusens ist Arturo Vidal mit acht Treffern. Zwölf verschiedene Torschützen kann Bayer in der Liga aufbieten. "So sind wir schwer auszurechnen", findet Heynckes.
Stefan Kießling deutete bei seinem Comeback in den letzten zwei Spielen vor der Winterpause schon sein Potenzial an, was Heynckes' Stürmerpuzzle für die zweite Saisonhälfte nicht unbedingt einfacher macht. Allerdings ist das in den Augen Anderer durchaus auch ein Luxusproblem. "Wenn Bayer einen Helmes und einen Kießling einwechseln kann, kommt natürlich noch mal eine ganz schöne Qualität auf den Platz", fand Robin Dutt vom SC Freiburg, der im letzten Hinrundenspiel miterlebte, was dann passieren kann. Freiburg führte 2:1, Heynckes brachte Kießling und Helmes für Vidal und Derdiyok, sechs Minuten später hatte Helmes nach Vorarbeit von Kießling zum 2:2 ausgeglichen. So könnte die Blaupause für die Rückrunde aussehen, wenn man nur die Spieler auch zufrieden halten könnte.
"Wir haben richtig viel Qualität vorne drin", sagt Verteidiger Manuel Friedrich, während Heynckes versucht zu vermitteln, "dass wir nur Stammspieler im Kader haben." Das ist aber nicht bei allen angekommen. Übrigens: Im Sommer 2011 wird das Puzzle noch ein wenig schwieriger, denn dann stößt der hoch veranlagte André Schürrle vom 1. FSV Mainz 05 zum Bayer-Kader hinzu.