Neue Stars: Nuri Şahin
Freitag, 22. Oktober 2010
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In dieser neuen Serie stellt UEFA.com die Stars der Bundesliga vor, mit denen man vor dieser Saison vielleicht nicht unbedingt rechnen konnte: Den Anfang macht Nuri Şahin von Borussia Dortmund.
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In dieser neuen Serie stellt UEFA.com die Stars der Bundesliga vor, mit denen man vor dieser Saison vielleicht nicht unbedingt rechnen konnte: Entweder, weil sie wie Nuri Şahin den endgültigen Durchbruch geschafft haben, oder wie Mohamed Abdellaoue oder Papiss Cisse nur Insidern bekannt waren.
Nuri Şahin ist einer der überragenden Spieler dieser Bundesligasaison. Dabei ist der Deutsch-Türke nicht wirklich ein absoluter Newcomer, gefühlt ist er schon ewig im Geschäft: 2005 feierte er, gerade einmal 16 Jahre jung, sein Ligadebüt für Borussia Dortmund und war auch gleich Stammspieler. Er brach sofort eine ganze Reihe von Rekorden: Jüngster Bundesliga-Spieler, jüngster Bundesliga-Torschütze, jüngster Nationalspieler der Türkei, jüngster Torschütze der Türkei. "Er ist weltweit das größte Talent unter 18 Jahren", erfolgte damals der Ritterschlag von Arsenal-FC-Coach Arsène Wenger.
Die Folgesaison lief es überhaupt nicht für Şahin, so dass er sich 2007 sogar für eine Spielzeit zu Feyenoord ausliehen ließ. "Mein Tiefpunkt bei der Borussia war ein Spiel in Wolfsburg. Da haben wir uns vor dem Abstieg gerettet, aber ich habe keine einzige Minute gespielt. Am Abend saß ich zuhause und hatte Tränen in den Augen", erinnert Şahin, für den die Familie eine große Rolle spielt, sich an diese schwere Zeit. Gestärkt kehrte er zum BVB zurück und hat vor allem seit diesem Sommer das Zepter im Mittelfeld der Borussia übernommen. "Mir war klar: Wenn ich es in Rotterdam nicht schaffe, habe ich auch bei Borussia Dortmund nichts mehr zu suchen. Ein Jahr im Ausland zu leben hat mir aber gut getan, dort allein zurechtzukommen hat meine Psyche gestärkt. Ich war Stammspieler bei Feyenoord und wir sind Pokalsieger geworden. Borussia Dortmund habe ich von außen beobachtet und gemerkt: Nuri, du kannst es auch dort schaffen!"
Zurzeit läuft es einfach für den in Lüdenscheid Geborenen: Am letzten Freitag gelang ihm in letzter Minute noch der Siegtreffer beim 1. FC Köln, obwohl er zuvor arg provoziert worden war, ehe er nun am Donnerstag eiskalt den Elfmeter zum 1:0 gegen Paris Saint-Germain FC (Endstand: 1:1) in der UEFA Europa League verwandelte. Şahin ist kein klassischer Spielmacher, doch immer wieder setzt er seine Mitspieler mit gekonnten Pässen in die Tiefe ("Bevor der Ball bei mir ankommt, habe ich meistens schon eine Idee, welchen Pass ich spielen könnte") in Szene.
Zu seinen unbestrittenen fußballerischen Fähigkeiten ist nun auch die geistige Reife dazugekommen. Für seine gerade einmal 22 Jahre sagt er erstaunlich überlegte Dinge. Etwa: "Es ist traurig, wenn einer sechs, sieben Jahre in Deutschland spielt, und die Sprache nicht beherrscht. Ich finde es sehr wichtig, die jeweilige Landessprache zu sprechen. Als ich zu Feyenoord nach Holland kam, konnten alle im Verein Englisch, aber es hat mir nicht gereicht, mit ihnen Englisch zu reden. Am Esstisch nämlich reden die Holländisch, und es war für mich wichtig, dass ich mitreden konnte, dass ich meine Meinung sagen konnte. Die reine Fußballsprache lernst du schnell, aber das reicht nicht. Für mich war es wichtig, dass ich auch mal mit dem Zeugwart reden kann, dass ich ihn fragen kann: Wie geht's dir, was machst du?"
Für Bert van Marwijk, einen der größten Förderer Şahins ist klar, woher diese Reife kommt: "Nuri hat in seiner jungen Karriere schon mehr erlebt als manch ein Spieler in seiner gesamten Laufbahn". Şahin, der für das Land seiner Eltern in der Nationalmannschaft spielt, findet, dass er sowohl türkische als auch deutsche Eigenschaften in sich vereint. "Die Lockerheit, dass wir nicht so schnell die Ruhe verlieren", sei das Türkische in ihm, und auch von den Deutschen habe er gelernt: "Die Disziplin. Ich stehe jeden Tag auf und denke: Du musst etwas tun. Ich habe deutsche Tugenden in mir. Die Deutschen zeichnet aus, dass sie hart arbeiten können und wollen. Ich habe mich für die Türkei entschieden, aber das ist kein Sieg für die Türkei. Diese Entscheidung ändert nichts daran, dass ich Deutschland liebe."
Also alles perfekt? Nicht ganz, in der Nationalmannschaft läuft es nicht für ihn, zuerst wurde er nicht eingesetzt, dann tauchte er, dem eine entscheidende Rolle zugedacht war, bei der 0:3-Niederlage der Türkei in Berlin völlig unter. "Der Junge braucht Zeit, das wird eine gute Lehre für ihn sein", sagte Nationaltrainer Guus Hiddink hernach. Und Zeit, die hat Sahin mit erst 22 Jahren sowieso noch jede Menge.