"Welttorhüter" Lutz Pfannenstiel - Burghausen
Dienstag, 3. November 2009
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Er ist weltweit der einzige Profi-Fußballer, der auf allen Kontinenten unter Vertrag stand. Auf uefa.com erzählt Lutz Pfanennstiel seine bewegende Geschichte. Heute: Rückkehr nach Bayern.
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Er ist ein waschechter Weltenbummler und weltweit der einzige Profi-Fußballer, der auf allen Kontinenten unter Vertrag stand. Über 20 Vereine hat er mit seinen Torwartfähigkeiten bereichert und kann dementsprechend viele Geschichten und Erfahrungen verschiedenster Art aufweisen. Mit 36 Jahren hat Lutz Pfannenstiel schon jetzt ein bewegtes (Fußballer-) Leben vorzuweisen. Auf uefa.com wollen wir im Rahmen einer zehnteiligen Serie seine Weltreise nachempfinden. Heute Teil drei...
Nach Stationen in Malaysia, England, Südafrika, Singapur und Finnland wechselte Lutz Pfannenstiel zur Saison 1998/99 zu Wacker Burghausen in die Regionalliga Süd, damals noch die dritte deutsche Liga. Diese eine Saison in Burghausen, nur gute 100 Kilometer von seinem Heimatort Zwiesel entfernt, war die einzige Profi-Station des Weltenbummlers in seinem Vaterland.
Immer wieder in Kontakt
"Mit den Leuten von Wacker war ich immer mal wieder in Kontakt, denn sie wollten mich häufig verpflichten und haben sich stets sehr um mich bemüht", so Pfannenstiel. "Ich habe damals in Burghausen das Potenzial gespürt, der Aufstieg in die 2. Bundesliga war fest eingeplant." Dass im Fußball jedoch nicht immer alles nach Plan läuft, weiß vermutlich keiner besser als er selbst. Ein gewonnener Meistertitel, ein Pokalsieg und die Teilnahme an der Qualifikation zur UEFA Champions League, alles in Finnland erreicht, ließen den Hunger nach einer neuen Herausforderung wachsen, Burghausen schien der geeignete Ort für das nächste erfolgreiche Kapitel zu sein. Zudem kamen private Wünsche hinzu: "Ich war inzwischen 25 Jahre alt und seit sechs Jahren um die Welt gereist – der Gedanke, sesshaft zu werden, erfasste mich erstmals in aller Ernsthaftigkeit", so Pfannenstiel.
Verletzungspech
In Burghausen angekommen ereilte den sympathischen Bayern das Pech, sich als vermeintliche Nummer eins in einem harten Konkurrenzkampf vier Tage vor Beginn der neuen Saison den Zeh zu brechen und somit verletzungsbedingt auszufallen. Von der Seitenlinie aus musste Pfannenstiel dann zusehen, wie sein Konkurrent zwischen den Pfosten steht, während er voller Schmerzen und lauffähig gespritzt auf der Bank Platz nehmen musste, da es keinen gleichwertigen Ersatzmann für ihn und seinen Konkurrenten gab. "Ich habe leider nicht so viele Spiele gemacht, wie ich es erhofft hatte", so das nüchterne Fazit aus der Sicht des Leidtragenden. Nach einer weiteren Verletzung eroberte sich Pfannenstiel erst zum Ende der Saison den Platz im Tor zurück. "Die Saison verlief sehr enttäuschend, weil wir nach schwachem Start den Anschluss an die Tabellenspitze nicht mehr hatten und das Ziel ‚Aufstieg' recht schnell aus den Augen verloren, obwohl wir eigentlich die beste Mannschaft der Regionalliga hatten."
Von enttäuscht zu schockiert
Doch die sportliche Enttäuschung hat den Torwart nicht aus der Bahn geworfen und auch nicht aus Deutschland getrieben. Vielmehr waren es die rassistischen Anfeindungen gegen seine damalige Partnerin und deren dunkle Hautfarbe, die "extrem unangenehm" waren und einen Verbleib in Burghausen unmöglich machten. "So eine Geschichte war nie zu erwarten, vor allem nicht zu Hause in Bayern. Alle fünf Tage waren Morddrohungen im Briefkasten, teilweise sogar in dem des Vereins. Drohungen, dass es Anschläge auf uns geben würde und dass wir uns gefälligst vom Acker machen sollen waren das", so Pfannenstiel, aus dessen Stimme man auch zehn Jahre später noch eine tiefe Betroffenheit hört.
Feuer, Benzin, Bomben und ein toter Spatz
"Es ist natürlich alles andere als spaßig, wenn man mehr oder weniger mit Polizeischutz auf die Straße gehen und sich 24 Stunden am Tag vor Angst fast in die Hose machen muss", so der heute 36-jährige. Von Feuer, Benzin und Bomben war in den Drohbriefen die Rede, einmal lag ein Paket vor der Tür, drin lag ein toter Spatz. Betroffenheit machte sich auch in der Mannschaft breit: "Es war mir fast peinlich, dabei habe ich ja gar nichts falsch gemacht. Eigentlich war in Burghausen alles super und auch wenn die Saison nicht so gut lief, hatte ich noch zwei Jahre Vertrag und wollte die eigentlich schon ganz gerne erfüllen", so Pfannenstiel weiter. Zudem meint er, dass seine Karriere in Deutschland ohne diesen Vorfall wohl anders gelaufen wäre. "Doch als diese privaten Probleme nicht weniger wurden, da war mir klar, dass der Käse gegessen ist."
"Romantischer" Abschied
"Danach blieb uns leider nichts anderes übrig als den Vertrag aufzulösen und uns zu trennen; im Reinen, fast romantisch", so das Resümee des Keepers in der gewohnt lässigen Art, dem damals ein gutes Angebot aus Jakarta vorlag, zudem sollte er in Indonesien eingebürgert und Nationaltorwart werden. In seinem Buch "Unhaltbar" erzählt Pfannenstiel auch von Kurt Gaugler, damaliger Manager bei Burghausen, der bei der Verabschiedung angesichts der Gerüchte zu ihm sagte: "Nationaltorwart von Indonesien? Irgendwann wirst du noch Papst."
Über die schlimmste Zeit seines Lebens berichtet Lutz Pfannenstiel im nächsten Teil der Serie in eigenen Worten.