Der vergessene Torjäger
Mittwoch, 19. August 2009
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Der beste Torjäger der deutschen U-Länderspielgeschichte ist heute nur noch Experten ein Begriff. Dabei hat Erdal Kilicaslan mit seinen 24 Jahren eine interessante Geschichte zu erzählen.
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Während Deutschland mit dem Titel-Hattrick der U17-, U19- und U21 bei UEFA-Europameisterschaften für positive Schlagzeilen sorgte, die Stars von morgen größtenteils schon Stammspieler bei Bundesligisten sind, ist der erfolgreichste Torjäger der deutschen Junioren-Länderspiel-Geschichte für die meisten Fußballfans ein unbeschriebenes Blatt.
Harte Zeiten
Erdal Kilicaslan hat viel durchgemacht, doch wo einerseits alte Kumpels wie Philipp Lahm oder Mario Gómez zu millionenschweren Weltstars reiften, ist der 24-jährige Türke nur den Wenigsten ein Begriff. Obwohl Horst Hrubesch, der für die U19- und U21-Titel als Trainer verantwortlich war, auch heute noch größte Stücke auf ihn hält und dachte, "dass es weiter nach oben geht." Doch anstatt die großen Stadien der Welt zu bereisen, beginnt für den gebürtigen Münchener dieses Wochenende die neue Saison – in der zweiten türkischen Liga gegen Gaziantep Belediye. uefa.com hat sich auf die Suche nach den Gründen begeben und einen kämpferischen Kilicaslan erlebt.
Frühe Erfolge
Mit dem FC Bayern München wurde er Deutscher Meister der A- und der B-Jugend, die deutsche U18- und U20-Nationalmannschaft führte er unter Horst Hrubesch als Kapitän auf das Feld. Mit 41 Treffern in 63 Länderspielen stellte er einen bis heute bestehenden, sensationellen Torrekord auf, doch trotz aller frühen Erfolge geriet seine Karriere ab dem 18. Lebensjahr ins Stocken. Wo für Spieler wie Lahm, Christian Lell, Michael Rensing, Piotr Trochowski und Co. die große Karriere mit dem Gewinn der Regionalligameisterschaft in der Saison 2002/03 beginnt, da geht es bei dem sensiblen Angreifer bergab.
Schwere Zeit
Unter der harten Hand von Hermann Gerland verliert Kilicaslan zunächst sein Selbstvertrauen und dann seinen Killerinstinkt. "Als ich in den Amateurbereich gekommen bin, hatte ich mit dem Hermann Gerland natürlich einen schweren Brocken vor mir. Er hat nicht auf mich gebaut und das hat mich fertig gemacht." Die Statistik gibt ihm recht. In zwei Jahren kam er zwar auf 66 Spiele, doch weil er lediglich sieben Mal durchspielen durfte, schoss er nur acht Tore und wechselte im Juni 2005 in die Türkei. Mit Lahm und Lell verbindet ihn aber noch heute eine enge Freundschaft.
Neue Heimat
Dass Kilicaslan heute dennoch nichts bereut und mit sich selbst im Reinen ist, liegt daran, dass er dennoch seinen Weg gegangen ist. Er hat sich nach oben gekämpft und von dem Rückschlag im Amateurbereich nicht unterkriegen lassen. Sein Weg führte über Gaziantespor vor der vergangenen Saison zu Konyaspor – einem türkischen Erstligisten. Bei seinem neuen Verein erkämpfte er sich schnell einen Stammplatz, doch nachdem er den Durchbruch im Profifußball geschafft zu haben schien, wartete der nächste schwere Rückschlag auf ihn.
Erneuter Rückschlag
"So eine Krankheit ist natürlich erstmal ein Schock", sagt die ehemalige Tormaschine über einen Tumor, der bei ihm in der Winterpause im Februar entdeckt wurde. Die Karriere stand auf dem Spiel, gerade nach einem halben Jahr als Stammspieler in der Süper Lig ein ganz schwerer Schlag, doch in dieser "schweren Zeit" rückte der Fußball zunächst ins zweite Glied, aber erfreulicherweise konnte seine Gesundheit schnell wieder hergestellt werden. "Es war zum Glück eine einfache Operation", sagte er. "Ich habe keine Probleme mehr im Körper, keine Metastasen und bin auch wieder völlig fit." Erneut steht Kilicaslan auf und setzt sich durch. Am 31. Spieltag gibt er gegen Bursaspor sein Comeback, zum Saisonabschluss darf er erneut ran und markiert sogar den 3:0-Endstand gegen Ankaraspor. Allerdings steigt der Verein trotzdem ab, so dass sich Kilicaslan nun um die Zukunft Gedanken macht.
Zurück nach Deutschland
"Dieses oder nächstes Jahr" will er wieder in Deutschland spielen – für Deutschland übrigens nicht mehr, mit 21 Jahren hat er sich endgültig für die Türkei entschieden. "Auf jeden Fall" will er in die Bundesliga, von einer Rückkehr zum FC Bayern träumt er manchmal noch, auch wenn er die Dinge ganz realistisch sieht. "Ich will konstant in meinem Verein spielen und viele Tore schießen. Wenn die Leistung stimmt und man Erfolg hat, kommen alle anderen Dinge von alleine." Zumindest Hrubesch würde das mit Sicherheit nicht überraschen.