Zehn Jahre nach Bosman
Dienstag, 13. Dezember 2005
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UEFA-Generaldirektor Lars-Christer Olsson sprach heute in Brüssel über die Auswirkungen des Bosman-Urteils auf den europäischen Fußball.
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Zehn Jahre nach dem historischen Bosman-Urteil, das den europäischen Fußball verändert hat, sprach UEFA-Generaldirektor Lars-Christer Olsson heute in Brüssel über die Änderungen, die sich für die Europäische Fußballunion seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Dezember 1995 ergeben haben.
Dialog mit der EU
Letzte Woche hatte FIFA-Präsident Joseph S. Blatter bei einem Treffen in Leipzig angeregt, dass die UEFA in allen Angelegenheiten der Europäischen Union (EU) und des europäischen Fußballs eine führende Rolle einnehmen solle. Daher wird Olsson zusammen mit FIFA-Generalsekretär Urs Linsi eine Überprüfung des Fußballs in Europa leiten und die Ergebnisse nächsten Juni der EU präsentieren.
"Massive Auswirkungen"
Das Bosman-Urteil wurde zu einer Zeit gefällt, in der die kommerzielle Entwicklung des Fußballs massiv an Fahrt aufnahm. Die Auswirkungen waren deutlich spürbar, denn die Spieler handelten gut dotierte Verträge aus, und Vereine aus Europas Topligen holten immer mehr ausländische Fußballer in ihren Kader. "Der spezifische Charakter des Sports ging aufgrund des Geschäfts verloren", sagte Olsson heute. "Niemand kann abstreiten, dass das Bosman-Urteil massive Auswirkungen auf den europäischen Fußball hatte."
Keine Ablöse mehr
Der belgische Profifußballer Jean-Marc Bosman war damals vor Gericht gezogen, da ihn sein Verein RFC Liège nach Ablauf seines Vertrages nicht ablösefrei zum französischen Zweitligisten USL Dunkerque ziehen lassen wollte. Aufgrund des Urteils durften Vereine innerhalb der EU nach Ablauf eines Arbeitsvertrages keine Ablöse mehr vom neuen Verein des Spielers verlangen. Zudem war das Urteil das Ende für die "3+2"-Regelung der UEFA mit der EU. Nach dieser durften Vereine in UEFA-Wettbewerben nicht mehr als drei Nicht-EU-Ausländer plus zwei "gleichgestellte" einsetzen; mittlerweile dürfen beliebig viele Spieler aus anderen EU-Mitgliedsstaaten auflaufen.
Nachteil für kleine Klubs
"Wichtiger als das Thema Transfers war die Aufhebung der 3+2-Regel", sagte Olsson. "Dadurch verloren Ausbildung und Investitionen ihre Bedeutung. Die Vereine, die hohe TV-Einnahmen generierten, bedienten sich nach Belieben bei den kleineren Klubs, die talentierte Spieler förderten und ausbildeten. Es wurden sogar Spieler gekauft, nur um den Gegner zu schwächen, nicht um sich selbst zu verstärken."
Werte verloren
"Die traditionellen Werte des Sports gingen in der Folge verloren. Eine kleine Anzahl an Vereinen ohne soziale Ambitionen, aber mit kommerziellem Erfolg wurde führend in der Entwicklung des Vereinsfußballs. Das würden wir gerne ändern."
"Soziale Integration"
"Unserer Meinung nach muss es sich auszahlen, Talente zu fördern und Verantwortung für unsere Gesellschaft zu übernehmen. Wir sollten Rassismus und Diskriminierung bekämpfen und für soziale Integration sorgen. Das wird nicht auf Ebene der Spitzenvereine erreicht, sondern im Bereich des Breitenfußballs."
"Gemeinsame Themen"
Als Beispiele für Maßnahmen der UEFA in diese Richtung nannte Olsson das UEFA-Vereinslizenzierungssytem, die zentrale Vermarktung der UEFA Champions League und das Projekt der Ausbildung von regional trainierten Spielern. "In all diesen Bereichen gibt es gemeinsame Themen: Solidarität, fairer Wettbewerb sowie Ermutigung zu Training und Ausbildung", sagte er.