Große Namen, große Herzen
Montag, 11. April 2005
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Das FIFA/UEFA-"Football For Hope"-Spiel hat Andy Roxburgh einmal mehr bestätigt, dass Fußball mehr als nur ein Spiel ist.
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Von Andy Roxburgh
Wir leben in einer Welt, in der sich vieles um Berühmtheiten dreht. Filmstars, Seriendarsteller und Fußballpersönlichkeiten werden von omnipräsenten, auf Show ausgerichtete Medien in den Himmel gehoben. Der Weg zu Ruhm und Scheinwerferlicht führt über einen „großen Namen“. Die Sache ist nur, dass einige so genannte Ikonen und Legenden einzig und allein der Berühmtheit wegen berühmt sind – Stars ohne eigentliches Talent, ewige Talente oder Eintagsfliegen, die einzig von ihrem Ansehen zehren.
Großherzig
Wie in der Gesellschaft sind auch im Fußball alle Personentypen anzutreffen. Einige dieser „VIPs des Fußballs“, darunter Ronaldinho, Andriy Shevchenko, Zinedine Zidane, David Beckham, Thierry Henry, Deco und Raul begaben sich an einem bitterkalten Februarabend ins Nou Camp in Barcelona. Dort nahmen sie an einem Benefizspiel (Team Ronaldinho gegen Team Shevchenko) teil und leisteten so einen Beitrag für den Tsunami-Solidaritätsfonds. Große Namen mit großem Herzen erwiesen den Verstorbenen die letzte Ehre und halfen mit ihrem Talent den Überlebenden.
Hauch von Demut
In den Umkleideräumen des Nou Camp war vor dem Spiel eine gewisse Demut zu spüren. Alte Rivalitäten rückten bei dieser Veranstaltung in den Hintergrund, die mehr war als ein schlichtes Fußballspiel. Andere hatten den strikten Anweisungen ihrer Klubs zu folgen und durften nur eine Halbzeit lang mittun, doch vor den 41.000 Stadionbesuchern und Millionen TV-Zuschauern gaben auch sie ihr Bestes.
Nachhaltiger Wert
Die kollektive Trauer rund um die Tragödie – für den beim PSV Eindhoven engagierten Schweizer Nationalspieler Johann Vogel war das Benefizspiel etwas ganz Besonderes, weil er im Tsunami einen Verwandten verloren hatte – und die Nüchternheit der Schweigeminute vor dem Anpfiff bildeten einen markanten Kontrast zur freudigen Atmosphäre, in der die Begegnung ausgetragen wurde. Einer der nachhaltigen Werte des Fußballs besteht darin, dass er selbst in Zeiten von Not, Verzweiflung und persönlichen Verlusten in der Lage ist, Menschen zusammenzuführen, um sie aufzuheitern und – wenn auch nur für kurze Zeit – von den seelischen Traumata der Realität abzulenken.
Fußballer sind Menschen
Fußballer sind nicht nur Akteure, sie sind auch Menschen. Es ist wichtig, Spieler und Mensch zu unterscheiden. Man kann einen Fußballer bewundern und seine Persönlichkeit nicht mögen. Dieser Kontrast traf auf die Spieler, die nach Barcelona kamen, nicht im Geringsten zu. Thierry Henry von Arsenal FC beweist auf und neben dem Rasen Klasse: Obwohl er am Abend zuvor ein Premier-League-Spiel bestritt, reiste er nach Spanien für einen Kurzauftritt in der zweiten Halbzeit. David Beckham, dessen Frau unmittelbar vor der Geburt ihres dritten Kindes stand, hätte sich ohne weiteres entschuldigen können, doch er leistete seinen wertvollen Beitrag.
Die Reputation des Fußballs
Ab und zu wird der Fußball wegen seiner unrühmlichen Persönlichkeiten, Egozentrikern und Zynikern von negativen Schlagzeilen heimgesucht. Es war daher erfrischend, so viele erstklassige Stars erleben zu dürfen – insgesamt waren es vierzig Topspieler, nicht zu vergessen die Trainer: Carlos Alberto Parreira, Frank Rijkaard, Marcello Lippi und Arsène Wenger leisteten dem Hilferuf aus Asien Folge. Die allermeisten Profifußballer sind ohne Zweifel einsatzwillige, teamorientierte und aufrichtige Menschen. Wenn die Berühmten unter ihnen wahre Stars wie Ronaldinho und Andriy Shevchenko sind und ihren Namen und ihr Talent für einen guten Zweck einsetzen wie in Barcelona, tun sie dem Ansehen des Fußballs etwas Gutes. Wir brauchen die großen Persönlichkeiten – talentierte Spieler, die Charakter, Engagement und soziales Bewusstsein an den Tag legen. Sie machen den Unterschied aus in einem sportlichen Geschäft, das Seriosität und Spaß verbindet.
Dies ist eine gekürzte Version eines Artikels von Andy Roxburgh, Technischer Direktor der UEFA, der in der jüngsten Ausgabe der offiziellen UEFA-Publikation The Technician erscheint.