Seuchenjahr für Lauth
Donnerstag, 21. April 2005
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Die Bilderbuchkarriere des Benjamin Lauth wurde beim HSV durch Verletzungspech jäh gestoppt – schafft er die Kehrtwende hin zur WM?
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Von Andreas Alf
Die Fußball-Welt schien ihm in rasanter Geschwindigkeit zu Füßen zu liegen. Benjamin Lauth, so die weitläufige Meinung, bringe all das mit, was ihn im Land des FIFA-Weltpokals 2006 zum neuen deutschen Vorzeige-Kicker machen würde. Doch noch ehe der neue deutsche Hoffnungsträger den Weg nach ganz oben antreten konnte, kam es den Gesetzen des Sports mit dem runden Leder folgend wieder einmal ganz anders.
Beckham-Effekt
Dem irgendwo zwischen offensivem Mittelfeld und Sturmzentrale angesiedelten Talent wurde nicht nur technische Versiertheit, eine bezaubernd leicht wirkende spielerische Auffassungsgabe und eine große Portion Athletik in die Wiege gelegt, er versteht es zudem, die Gradwanderung zwischen Frechheit, Arroganz und Intelligenz zu meistern. Und: Er sieht gut aus, versprüht selbst im Fußballtrikot modischen Flair. Lauth ist schlichtweg gleichermaßen gut wie medial und ließ genau deshalb die Sportmarketing-Experten hierzulande schnell von einem herbeigesehnten David-Beckham-Effekt träumen.
Traum geplatzt
Als der damals 22-Jährige mit dem TSV 1860 München vor dem Abstieg aus dem Fußball-Oberhaus stand, dachten nicht wenige, dass sich gerade Lauth keine Gedanken machen bräuchte. Schließlich würde sich der große Nachbar das Juwel ohnehin nicht entgehen lassen. Doch beim FC Bayern München kam Felix Magath, der sich gegen eine Lauth-Verpflichtung entschied, und das Seuchenjahr des Blondschopfes sollte Fahrt aufnehmen.
HSV-Starkult
Das Drehbuch verlagerte sich gen Norden. „Es hat schon eine Weile keinen [Uwe] Seeler, [Manfred] Kaltz oder [Felix] Magath mehr bei uns gegeben“, beklagte damals Katja Kraus. Das für Marketing und PR verantwortliche Vorstandsmitglied beim Hamburger SV suchte ein neues Idol, „jung, spektakulär, attraktiv und erfolgreich“. Gesagt, getan. Die Hanseaten angelten sich Lauth in der durchaus nahe liegenden Hoffnung, einen neuen Starkult zu entfachen.
Abrupt ausgebremst
Doch die Rechnung des HSV ging bislang nicht auf. Während das Trikot des „Beaus“ Absatzrekorde verzeichnet, durchläuft der Protagonist eine Odyssee quer durch zahlreiche Reha-Zentren der Republik. Starkult ist eben doch nur geringfügig planbar. Statt Tore zu schießen widerfährt Lauth die Kehrseite des Fußballer-Daseins. Den heute 23 Lenze zählenden fünfmaligen Nationalspieler stoppten erst zwei Ermüdungsbrüche im Mittelfuß, um schließlich von einem Innenbandriss am Knöchel heimgesucht zu werden. „Ich bin maßlos enttäuscht“, verrät er.
Verblasste Euphorie
Lediglich zehn Bundesligaspiele konnte der einstige Senkrechtstarter in seinem ersten Jahr bei den Norddeutschen verbuchen, keines davon über 90 Minuten. Nur die vier dabei erzielten Treffer erinnern daran, dass Lauth eigentlich die Ambitionen hegt, in einem Atemzug mit den mittlerweile an ihm vorbeigezogenen Kevin Kuranyi und Lukas Podolski als Deutschlands Sturmgeneration der Zukunft genannt zu werden. „Vorsprung hin oder her: Wenn man gut genug ist, holt man den noch auf“, tröstet sich der Pechvogel.
WM-Zug rollt schon…
Ein Jahr hat er noch Zeit. Eine Spielzeit, in der es gilt, zu beweisen, dass der plötzlich unter Druck geratene Bayer tatsächlich jene Laufbahn einschlagen kann, die man ihm prophezeit hat. Für Lauth steht nichts Geringeres als die Teilnahme am globalen Kräftemessen im eigenen Land auf dem Spiel. Doch er sagt: „Die bisherigen Verletzungen werden mich die WM mit Sicherheit nicht kosten. Wenn ich gut genug bin, werde ich dabei sein.“
Doppelte Bürde
Aber die früh geernteten Lorbeeren lasten nun doppelt auf ihm, da die Öffentlichkeit nicht nur Tore erwartet, sondern auch die Entwicklung zu einem neuen Imageträger. Und daran sind auch schon andere Kicker gescheitert – Mehmet Scholl und Lars Ricken lassen grüßen. „Wenn man nicht spielt, ist man nicht interessant. Das habe ich sehr genossen“, gibt der ehemalige Teenie-Schwarm unverhohlen zu. Hoffentlich war Hamburgs Werbeslogan „Let’s get Lauth!“ kein verhängnisvoller Schnellschuss.