EU-Richtlinie sorgt für Diskussionen
Dienstag, 29. März 2005
Artikel-Zusammenfassung
Die EU-Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt könnte Auswirkungen auf den Ticketverkauf haben.
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Von Jonathan Hill
Die EU-Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt, einer der kontroversesten Vorschläge, die in den vergangenen Jahren aus Brüssel kamen, steckt nach wie vor im schwierigen Brüsseler Entscheidungsprozess fest. Die neue Bestimmung, die einen einheitlichen europäischen Markt für die Erbringung von Dienstleistungen schaffen soll, könnte durchaus einen Einfluss auf den europäischen Fußball haben.
Endgültiger Wortlaut
Sowohl das Europäische Parlament als auch eine Reihe von Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und Deutschland, haben die Pläne kritisiert, die die Europäische Kommission im vergangenen Jahr vorgelegt hat. Inzwischen ist es sehr unwahrscheinlich, dass die verschiedenen Institutionen sich vor Ende des Jahres auf einen endgültigen Wortlaut werden einigen können. Einige Regierungen und Mitglieder des Europäischen Parlaments (MEP) haben gar vorgeschlagen, die Kommission solle von vorn beginnen und einen ganz neuen Vorschlag ausarbeiten.
Echter Binnenmarkt für Dienstleistungen
Ziel der Richtlinie ist es, durch die Beseitigung von rechtlichen und administrativen Hindernissen zwischen den Mitgliedstaaten der EU einen echten Binnenmarkt für Dienstleistungen zu schaffen. Mit der Richtlinie würden neue Regeln zu Gunsten zahlreicher Dienstleistungserbringer aufgestellt, die diesen die nötige rechtliche Sicherheit gäben, um in anderen Mitgliedstaaten Fuß zu fassen. Kernpunkt der Richtlinie ist das so genannte Herkunftslandprinzip, nach dem jedermann seine Dienste überall in der Europäischen Union anbieten kann, sofern er die Gesetze seines eigenen Mitgliedstaates beachtet.
Mögliche Auswirkungen
Mögliche Auswirkungen auf den Fußball könnte die Richtlinie im Hinblick auf den Kartenverkauf für internationale Turniere haben. In ihrer Darstellung einiger der Probleme, die mit Hilfe der Richtlinie gelöst werden sollen, nennt die Europäische Kommission die Situation, "dass [Kunden] allein aufgrund der Tatsache, dass sie aus einem anderen Mitgliedstaat kommen oder in einem bestimmten Mitgliedstaat wohnen, bestimmte Dienstleistungen gar nicht erst angeboten werden. Derartige Probleme sind in zahlreichen Bereichen zu finden: beispielsweise wenn es um die Teilnahme an Sport- oder Kulturveranstaltungen geht." Allerdings würde jeder Versuch, den Kartenverkauf von einem binnenmarktorientierten Ansatz her zu regulieren, die bewährte Vorgehensweise von Organisatoren von Fußballveranstaltungen wie der UEFA unterminieren, Eintrittskarten für ihre Veranstaltungen unter Berücksichtigung von Nationalitäten zu vergeben, um die räumliche Trennung von rivalisierenden Fans zu gewährleisten und die Gefahr von Rowdytum zu verringern.
Wichtige Klausel
Die UEFA bemüht sich daher um Versicherungen seitens der EU-Institutionen, dass die Richtlinie in keiner Weise ihre Kompetenzen einschränken würde, Karten unter Berücksichtigung von Nationalitäten zu vergeben. Sollte die EU bestätigen, dass auch der Kartenverkauf unter die Richtlinie fällt, so würde die UEFA sich auf einen entscheidenden Satz im Entwurfstext berufen, der "Unterschiede bei den Zugangsbedingungen" vorsieht, "wo diese durch objektive Kriterien gerechtfertigt sind". Anders ausgedrückt, würde die UEFA argumentieren, dass die öffentliche Sicherheit ein eben solches Kriterium sei, das eine Abweichung von der Richtlinie rechtfertige.
Frühere Entscheidung
Die UEFA kann dabei auf eine frühere Entscheidung der Kommission verweisen, in der die Exekutive der EU die öffentliche Sicherheit als "einen legitimen Grund für bestimmte Verkaufskriterien" ansah und die räumliche Trennung von Zuschauern aus verschiedenen Ländern für "eine geeignete Maßnahme, solche Probleme anzugehen" befand.
Endgültige Entscheidung
Da die politischen Widerstände gegen die Richtlinie von Tag zu Tag größer werden, wollen führende Köpfe der EU weite Teile des Vorschlages nun noch einmal überarbeiten. Eine endgültige Entscheidung über den Inhalt verzögert sich damit, voraussichtlich bis ins kommende Jahr.
Dies ist eine gekürzte und überarbeitete Version eines Artikels von Jonathan Hill, Leiter des UEFA-Büros in Brüssel. Dieser Artikel ist in der neuesten Ausgabe der offiziellen UEFA-Publikation uefadirect erschienen.