Mainz 05 - außergewöhnlich und erfolgreich
Donnerstag, 21. Oktober 2004
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Der Bundesliga-Aufsteiger 1. FSV Mainz 05 begeistert mit überraschendem Erfolg und einer außergewöhnlichen Vereinsphilosophie.
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Von Andreas Alf
Mit einem beeindruckenden Bundesliga-Debüt und einem 2:1-Sieg gegen Meister SV Werder Bremen am vergangenen Wochenende fährt der 1. FSV Mainz 05 unvorhergesehenen Erfolg im deutschen Fußball ein. Während der Klub bereits bis auf Tabellenplatz drei geklettert ist, wundert sich die Liga, wie es der Aufsteiger versteht, sich mit einer modernen Philosophie enthusiastischen Offensiv-Fußballs sowie einer aus unerfahrenen Talenten bestehenden Mannschaft derart furios zu etablieren.
Überraschender Erfolg
Zwischen dem Fritz-Walter-Stadion des 1. FC Kaiserslautern und dem Waldstadion von SG Eintracht Frankfurt liegt das beschauliche Mainz. Seit ihr Klub nun schon seit sieben Spielen im Fußball-Oberhaus ungeschlagen ist, blicken die traditionsreichen Nachbarn mit einigem Neid auf den beliebtesten "Underdog" der Nation. "Es ist unglaublich, was wir möglich gemacht haben", kann es Trainer Jürgen Klopp kaum fassen. Manager Christian Heidel fügt hinzu: "Ich habe das Gefühl, es regnen dauernd goldene Sterne auf uns herab und niemand schaltet sie aus.“
Nicht nur Zufall
Der Verein, dessen einziger historischer Erfolg der Gewinn der deutschen Amateurmeisterschaft 1982 war, sorgte am vierten Bundesliga-Spieltag mit einem 2:0 gegen Bayer 04 Leverkusen für die erste Sensation. Doch als Klopps Team am vergangenen Wochenende innerhalb der letzten sechs Spielminuten einen 0:1-Rückstand gegen Bremen in einen 2:1-Sieg verwandelte, waren sich selbst Experten sicher, dass diese Erfolgssträhne nicht nur Zufall sein kann.
"Wir quälen unsere Gegner"
Während der Titelverteidiger aus Bremen auf der Suche nach seiner Form ist, marschiert Mainz unaufhaltsam nach oben. Doch die Klubverantwortlichen reagieren verärgert, wenn man den Erfolg der "05er" als Sensation einstuft. "Wir sind stark genug, jede Mannschaft zu schlagen. Mit unserem Spielsystem quälen wir unsere Gegner solange, bis sie die Lust verlieren", erklärt Klopp.
Der etwas andere Verein
"Wir wollen anders sein als die anderen Klubs. Bei uns gibt es keine Intrigen", sagt Heidel über den Verein, der in der letzten drei Spielzeiten erst zwei Mal auf tragische Weise am letzten Spieltag den Bundesliga-Aufstieg verpasste, um ihn dann endlich perfekt zu machen. "Wir haben gemeinsam getrauert, doch niemals den Respekt voreinander verloren. Nun können wir auch gemeinsam feiern."
"Wir sind auch technisch stark"
Das sich in aller Munde befindliche Mainzer Spielsystem ist der wichtigste Schlüssel der Erfolgsmannschaft, bestehend aus Akteuren, die einerseits bereit sind, eine große Lauf- und Einsatzbereitschaft zu zeigen, gleichwohl aber auch diszipliniert verteidigen und unerwartet nach vorne spielen können. "Niemand rennt so viel wie wir. Doch wir sind auch technisch stark", meint Mimoun Azaouagh. Das Spielmacher-Talent füllt gemeinsam mit dem Brasilianer Antonio da Silva das offensive Mittelfeld der "05er" aus. Das Besondere: Beide agieren von den Flügeln aus, während Klopp in seiner Schaltzentrale auf erfahrene und robuste Verteidiger baut. Gepaart mit einem atemberaubend schnellen Kurzpassspiel funktioniert dieses System hervorragend.
Keine Stars
"Wir haben uns gegen große Spielerverpflichtungen entschieden. Das ist nicht unsere Philosophie", sagt Heidel. Stattdessen gibt er Spielern eine Chance, die den Sprung zuvor in anderen Klubs nicht geschafft haben. Spieler wie Azaouagh und da Silva, die von Eintracht Frankfurt wegen angeblich fehlender Perspektive abgeschoben wurden. Oder Spieler wie der ehemalige deutsche Junioren-Nationalstürmer Benjamin Auer, der bei VfL Borussia Mönchengladbach scheiterte. Azaouagh und da Silva zogen gegen Bremen die Fäden, Auer schoss das entscheidende Tor – alle drei sind mittlerweile Leistungsträger.
Zweite Chance
"Meine Jungs können verdammt stolz auf sich sein", erklärte der erst 37-jährige Klopp sichtlich gerührt nach dem Bremen-Spiel. "Sie schätzen es, dass wir ihnen eine zweite Chance gaben. Nun danken sie uns", erklärte der redegewandte Mann, der binnen Monaten zum populärsten Bundesliga-Trainer wurde. Und Heidel fügte augenzwinkernd hinzu: "Die Tabelle ist uns egal, solange wir vor den Bayern stehen!"