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„Einen Traum wahr werden lassen...“

Soziales

Barış Telli hat bei einem Unfall im Alter von vier Jahren sein Bein verloren und ist trotz allem in seiner Heimat, der Türkei, und im Ausland als talentierter Amputiertenfußballer bekannt geworden. „Ich habe nie aufgehört zu träumen, auch nicht mit nur einem Bein...“ sagt er.

Lernen Sie die Geschichte des amputierten Fußball-Superstars aus der Türkei kennen. #EqualGame

Jeden Monat berichtet die UEFA im Rahmen ihrer Kampagne #EqualGame über eine Person aus einem ihrer 55 Mitgliedsverbände. Sie alle sind Beispiele dafür, wie der Fußball Inklusion, Zugang zum Sport und Vielfalt fördert und dass Behinderung, Religion, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit und soziale Herkunft kein Hindernis sind, Fußball zu spielen und Spaß daran zu haben.

Als Barış Telli als kleines Kind einem Ball nachjagte, erlitt er einen Unfall, bei dem er ein Bein verlor, was sein Leben komplett veränderte. Dies änderte jedoch nichts an seiner Liebe zum Fußball, die der heute 29-jährige Türke weiterhin pflegt. Sie hat ihm positive Chancen im Leben, internationalen Ruhm und die Gelegenheit verschafft, zu beweisen, wie Zielstrebigkeit und der Glaube an sich selbst trotz widriger Umstände zu Erfolg führen können.

Barış Telli ist schon seit frühester Kindheit fußballbegeistert.
Barış Telli ist schon seit frühester Kindheit fußballbegeistert.©Burak Kara - UEFA via Getty Images

Barış ist heute ein äußerst erfolgreicher Profi-Amputiertenfußballer und spielt für den städtischen Verein von İzmir. Seit mehreren Jahren steht er regelmäßig für die türkische Nationalmannschaft im Einsatz und hat dazu beigetragen, dass sein Land in den letzten Jahren im Amputiertenfußball große internationale Erfolge feiern konnte. 

Barış wurde in Kırıkkale in Zentralanatolien geboren. Als er vier Jahre alt war, veränderte sich sein Leben auf dramatische Weise. „Ich bin von einem Auto angefahren worden, als ich einem Ball nachrannte“, erinnert er sich.

„An den Unfall selber kann ich mich nicht erinnern, allerdings weiß ich noch, wie mich meine Mutter in die Arme nahm und schrie. Im Krankenhaus versuchten sie zehn Tage lang, mein Bein zu retten. Als klar wurde, dass dies nicht möglich war, mussten sie mein Bein amputieren.“

Es war eine traurige, jedoch auch sehr lehrreiche Zeit. „In dem Alter realisiert man erst mal nicht, dass man ein Bein verloren hat“, so Barış. „Man beginnt, sich an die Krücken zu gewöhnen. Wenn man rausgeht oder in die Schule, erinnern einen die Leute dort am meisten daran, dass man anders ist. Damit muss man lernen umzugehen. Meine Freunde bezogen mich manchmal in ihre Spiele ein, doch meistens wurde ich links liegen gelassen. Es gab viele verletzende Situationen für mich.“

Barış im Training.
Barış im Training.©Burak Kara - UEFA via Getty Images

Seine Zielstrebigkeit half ihm in diesen harten Momenten in seiner Jugend. „Es machte mich nicht nur traurig, sondern stachelte auch meinen Ehrgeiz an“, sagt er. „Ich holte mir viel Motivation daraus, sagte mir, dass ich rennen, spielen und Fußball spielen kann, und ich sollte Recht behalten...“ 

Barış erinnert sich daran, dass diese Fußballbegeisterung auf seine früheste Kindheit zurückgeht. „Bereits vor dem Unfall war mein Vater mit einem Ball nach Hause gekommen. Ich erinnere mich daran, wie ich auf dem Schulhof und zu Hause spielte. Doch nach dem Unfall wusste ich, dass ich Fußball spielen würde, denn ich konnte nicht stillsitzen, ich musste etwas unternehmen, um all meine Energie loszuwerden. Ich war überzeugt, es zu können, auch mit einem Bein, und begann, alleine einen Ball gegen die Wand zu spielen.“ 

Barış und seine Teamkollegen halten fest zusammen.
Barış und seine Teamkollegen halten fest zusammen.©Burak Kara - UEFA via Getty Images

Dank dem Amputiertenfußball, einem Bereich, den die UEFA besonders unterstützt, fand Barış schließlich den Weg zum Erfolg. Die Teams umfassen sieben Spieler – sechs Feldspieler und einen Torhüter – und ein Spiel dauert zweimal 25 Minuten mit einer zehnminütigen Pause. Die Feldspieler haben eine Amputation der unteren und Torhüter der oberen Extremitäten. Die Feldspieler benutzen Unterarmgehstützen und spielen ohne Prothese.

„Mir war bewusst, dass ich nicht ,normalʻ Fußball spielen kann, doch war mir noch nicht bekannt, dass es den Amputiertenfußball gibt. Mein Sportlehrer setzte mich mit dem Amputiertenfußballteam in Verbindung.“ Dank seiner angeborenen Zielstrebigkeit und seinem Ehrgeiz hat Barış viel erreicht. „Ich habe meine Träume nie aufgegeben. Ich habe hart gearbeitet und mich auf meinen Traum, Fußballer zu werden, konzentriert“, erklärt er.

Das Ergebnis ist mehr als bemerkenswert. Barış erkämpfte sich einen Platz in der türkischen Amputiertenfußball-Nationalmannschaft. Im Oktober 2017 durfte er den europäischen Titel feiern – die Türkei besiegte England vor 40 000 Fans im EM-Endspiel in Istanbul. Vergangenen November nahm das Team auch an der WM-Endrunde in Mexiko teil, wo die Türkei Angola in einem Endspiel unterlag, das nach einem torlosen Unentschieden im Achtmeterschießen entschieden werden musste.

Zu seinen weiteren Erfolgen zählen dritte Plätze bei den WM-Endrunden 2007, 2010, 2012 und 2014. Die Erfolge des türkischen Teams begeistern die Menschen im Land, was in der steigenden Beliebtheit des Amputiertenfußballs zum Ausdruck kommt.

„Innerhalb unseres Teams schaffen wir es bestens, uns gegenseitig zu motivieren“, betont Barış. „Wir konnten unser Land sehr erfolgreich vertreten und haben den Leuten gezeigt, dass nichts unmöglich ist. [Bei der vergangenen Europameisterschaft] haben wir der Welt bewiesen, dass die Türkei das beste Team hat.“

Schnelligkeit und Fitness sind entscheidend.
Schnelligkeit und Fitness sind entscheidend.©Burak Kara - UEFA via Getty Images

Barış betont die wichtigsten technischen und physischen Aspekte des Amputiertenfußballs. „Was unseren Sport vom ,normalenʻ Fußball unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir uns mit Unterarmgehstützen bewegen, was bedeutet, dass Gleichgewicht und Kraft entscheidend sind. Am wichtigsten ist es, sich daran zu gewöhnen. Im Training konzentriere ich mich auf Fitness und Schnelligkeit.“ 

Barışʼ besondere Fähigkeiten haben ihm auf dem Spielfeld persönlichen Ruhm, zahlreiche Preise und viel Lob im eigenen Land und weltweit eingebracht. Zudem wurde er zum besten Spieler der WM 2014 gewählt. Für seine Leistungen hat er sogar den Spitznamen „der Amputierten-Messi“ erhalten.

„Würde der Amputiertenfußball nicht mein Leben bestimmen, wäre ich trotzdem Sportler geworden“, betont er. „Ich liebe den Sport, sei es nun Fußball oder etwas anderes. Ich würde auf jeden Fall im Sport eine Bestätigung suchen.“

Amputiertenfußball ist nicht der einzige Sport, den er betreibt. Barış ist auch ein erfolgreicher Leichtathlet und hat bei den Europameisterschaften eine Silbermedaille im Hochsprung gewonnen. Darüber hinaus ist er im Rollstuhltennis erfolgreich und stolzer türkischer Meister in dieser Disziplin.

„Mein Erfolg hat viel mit der Liebe und der Geborgenheit zu tun, die ich von meiner Familie erhalten habe – das ist wichtiger als alles andere“, erklärt er. „Ich möchte, dass sie noch stolzer werden auf mich, dadurch, dass ich Medaillen gewinne.“

Barış hat auch seinen beruflichen Weg gefunden, indem er nach seinem Studium an der Universität Ankara Sportlehrer geworden ist. „Meine Mutter wollte, dass ich Sportlehrer werde“, erklärt er. „Es war sehr wichtig für sie, sie wollte, dass ich mit Kindern arbeite, um ihnen etwas fürs Leben mitzugeben. Aufgrund meiner besonderen Bedürfnisse fand ich keine universitäre Fakultät, an der ich hätte Sport studieren können. Ich wollte aber meine Mutter nicht enttäuschen. Ich trainierte hart und gab nie auf, denn ich wollte ihren Traum wahr werden lassen. Heute bin ich der erste behinderte Sportlehrer in der Türkei. Ich liebe es, mit Kindern Fußball zu spielen, da fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt.“

Wichtige Zeit mit Freunden.
Wichtige Zeit mit Freunden.©Burak Kara - UEFA via Getty Images

Barış ist seinen Eltern ewig dankbar für die Liebe und Fürsorge, die er von ihnen erhalten hat, insbesondere nach dem Unfall. „Meine Mutter und mein Vater sind wie Engel“, sagt er. „Sie haben so viel für mich getan. Ich habe nur ein Bein, doch sie haben unglaublich viel getan, damit ich auf diesem Bein stehen kann.“ 

Barış ist stolz, ein Vorbild zu sein – jemand, der es geschafft hat, Hindernisse im Leben zu überwinden und Großes zu erreichen. „Der Amputiertenfußball hat mir dabei geholfen, in meinem Land und weltweit bekannt zu werden. Ich versuche, mit gutem Beispiel voranzugehen und Menschen dabei zu helfen, eine passende Sportart zu finden und ihre Talente auszuschöpfen.“

Wörter wie „unmöglich“ haben in Barışʼ Wortschatz nie existiert, er möchte sie loswerden, denn nichts ist unmöglich. Ehrlich gesagt hat niemand an mich geglaubt, wirklich niemand. Alle haben mich ausgelacht, als ich ihnen von meinen Hoffnungen und Träumen erzählte. Ich habe nur zurückgelächelt – eine andere Antwort gab es nicht. Wenn du etwas wirklich willst und hart dafür arbeitest, können deine Träume wahr werden und du kannst deine Ziele erreichen.“

©Burak Kara - UEFA via Getty Images

Barış ist überzeugt, dass Respekt ein zentrales Element jeder Sportart ist. „Fairplay ist sehr wichtig für mich. Fairplay ist mir im Fußball wichtiger als mein Talent. Ich möchte Fußball so spielen, wie er gespielt werden sollte – den Fans soll ein gutes, spannendes Spiel geboten werden.“ 

Weshalb glaubt Barış so fest an die Kraft, die Attraktivität und die Offenheit des Fußballs für alle? „Alle sollen Fußball spielen können, denn der Fußball kennt keine Barrieren“, erklärt er.

„Fußball ist ein wunderbarer Sport. Ich war schon früh davon begeistert und er bedeutet mir alles im Leben. Das wichtigste jedoch ist, seine Träume wahr werden zu lassen. Ich habe meine Träume nie aufgegeben – auch mit nur einem Bein nicht...“