Analyse: Der Weg ins Finale der UEFA EURO 2024
Samstag, 13. Juli 2024
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Die Technischen Beobachter haben die taktischen Aspekte analysiert, die Spanien und England ins Endspiel am Sonntag geführt haben.
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England hofft auf den ersten Titel bei einer UEFA EURO, wenn die Three Lions am Sonntag in Berlin auf den dreimaligen Champion Spanien treffen. Die Technischen Beobachter der UEFA haben einige taktische Merkmale unter die Lupe genommen, die die beiden Teams ins Endspiel geführt haben.
England
Die Elf von Gareth Southgate spielte vermehrt über die rechte Seite, Phil Foden zog immer wieder in die Mitte und sorgte dort für Gefahr.
Saka über die rechte Seite
Das erste Tor der Engländer im Turnier wurde über die rechte Seite eingeleitet. Eine Flanke von Bukayo Saka verwertete Jude Bellignham gegen Serbien per Kopf. Über den rechten Flügel entstanden auch Bellinghams akrobatischer Ausgleichstreffer in der Partie gegen die Slowakei und das späte Tor zum 1:1 von Saka gegen die Schweiz.
Dies ist kein Zufall, sondern spiegelt die Tatsache wider, dass England über diese Seite in der Offensive deutlich gefährlicher agierte. Das ist keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass Southgate nach wie vor nach der besten Lösung für die linke Seite sucht, wo Luke Shaw, der einzige gelernte Linksverteidiger im Kader, aufgrund von Trainingsrückstand noch kein Spiel von Beginn an bestritten hat.
Als Southgate im Viertelfinale gegen die Schweiz auf eine Fünferkette ohne Ball umstellte, fiel Saka den Beobachtern der UEFA besonders durch seine Leistung als rechter Außenverteidiger auf. Er hatte defensiv seine Aufgaben, war aber auch Englands wichtigster Angreifer, der immer wieder Druck auf die gegnerischen Verteidiger ausübte und versuchte, offensiv etwas zu bewirken.
Die Leistungsdaten unterstreichen seinen Einfluss an diesem Tag. Er führte die meisten Bälle ins letzte Drittel (25) und schlug auch die meisten Flanken (neun). Auch ohne Ball war er aktiv, denn er hatte von allen Spielern auf dem Platz die meisten Läufe nach hinten (15). Außerdem wurden in diesem Spiel 63 % der Pässe ins letzte Drittel auf die rechte Seite gespielt, wobei Saka 25 der 45 Pässe dort erhielt.
Fodens Einfluss durch die Mitte
Das Spiel gegen die Schweiz war auch deshalb bemerkenswert, weil Foden über das komplette Spielfeld verteilt die Bälle forderte. Nachdem er zu Beginn des Turniers noch vermehrt über die linke Seite agierte, zog Foden durch die Umstellung immer wieder in die Mitte, um in die Schnittstellen vorzustoßen.
Dies setzte er auch im Halbfinale [gegen die Niederlande] fort, als er und Bellingham mit ihren Bewegungen zwischen den Linien und ihren Läufen in die Offensive eine Schlüsselrolle spielten. "Mir hat ihre Bereitschaft, hinter die Linien zu laufen, sehr gut gefallen", sagte Ole Gunnar Solskjær, Technischer Beobachter der UEFA.
In Dortmund erhielt Foden 15 Mal den Ball zwischen den Linien, im Gegensatz zu acht Mal in den regulären 90 Minuten gegen die Slowakei. Auch dies ist ein Beispiel dafür, wie sich England von Spiel zu Spiel verbesserte.
Spanien
Die individuelle Klasse von Nico Williams und sein Zusammenspiel mit Marc Cucurella auf der linken Seite waren der Schlüssel für Spanien
Williams sorgt konstant für Gefahr
Während Lamine Yamal, der nach seinem überragenden Treffer im Halbfinale gegen Frankreich der jüngste Torschütze in der Geschichte der EURO wurde, immer wieder im Rampenlicht stand, waren Spaniens Vorstöße über die linke Seite ein Schlüssel für die sechs Siege in Folge auf dem Weg ins Finale.
Was die erfolgreichen Dribblings betrifft, gehört Linksaußen Nico Williams mit 35 hinter dem Belgier Jérémy Doku und Deutschlands Jamal Musiala zu den drei besten Spielern des Turniers. Außerdem beeindruckte den Technischen Beobachter Fabio Capello insbesondere seine Leistung beim 1:0-Sieg gegen Italien im zweiten Spiel der Gruppenphase: "Immer, wenn er den Ball hatte, sorgte er für Gefahr. Auch in Eins-gegen-Eins-Situationen war er sehr gut", sagte Capello.
Williams' zwölf Dribblings an diesem Abend waren die meisten eines Spielers in einem Spiel der Gruppenphase. Zudem führte eine seiner Flanken zum entscheidenden Eigentor von Riccardo Calafiori.
Williams bringt es im Kader der Spanier auf die meisten Eins-gegen-Eins-Situationen und abgesehen von seiner individuellen Stärke war auch sein Zusammenspiel mit Außenverteidiger Marc Cucurella entscheidend.
Laut dem Technischen Beobachter Aitor Karanka versuchte Williams, seine Spielweise zu variieren, und Cucurella, der sich mit ihm zusammen immer wieder in die Offensive einschaltete, sorgte für noch mehr Probleme in der gegnerischen Verteidigung. "Manchmal zieht Nico als Rechtsfuß nach innen und überlässt Cucurella den Flügel, ein anderes Mal ist es umgekehrt: Cucurella geht ins Zentrum und Nico bleibt auf dem Flügel", so Karanka.
Perfektes Zusammenspiel
Später, im Halbfinale gegen Frankreich, fielen die beiden durch ihre Defensivarbeit auf. Williams ließ sich zurückfallen, um Cucurella hinten zu unterstützen und den Einfluss von Ousmane Dembélé auf dieser Seite so gering wie möglich zu halten. Wie der Technische Beobachter David Moyes sagte: "Dembélé hatte ein paar gute Läufe, aber Spanien hat sich mit Cucurella und Williams doppelt abgesichert."
Um diesen Punkt zu unterstreichen, betrug der durchschnittliche Abstand zwischen Spaniens linker Seite an diesem Abend 8,7 Meter - im Spiel zuvor gegen Deutschland waren es noch 13,5 Meter.