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Khedira-Interview Teil 2: Auf der Suche nach dem Maximum

Nach seinem Wechsel zu Real Madrid erlebte Sami Khedira fünf interessante Jahre in der spanischen Hauptstadt und feierte in diesem Zeitraum die größten Erfolge seiner Karriere.

Sami Khedira: Achterbahnfahrt mit Happy End bei Real Madrid
Sami Khedira: Achterbahnfahrt mit Happy End bei Real Madrid ©UEFA.com

Im ersten Teil des Interviews sprach Sami Khedira über seine Anfänge in einem Stuttgarter Vorort, die Vorzüge der VfB-Jugendakademie und seine ersten Erfahrungen in der UEFA Champions League. Im zweiten Teil geht es um seine Zeit bei Real Madrid.

UEFA.com: Nach der guten WM 2010 standen Sie bei vielen Klubs ganz oben auf dem Wunschzettel. Wie leicht war es, das Angebot von Real Madrid anzunehmen, und wie schwer war es, Stuttgart zu verlassen?

Sami Khedira: Als sich José Mourinho das erste Mal gemeldet hat, dachte ich: "Hmm. Was ist da wirklich dran?" Aber als er dann wirklich signalisiert hat, dass er mich haben möchte, gab es für mich keine zwei Sekunden Zeit, in denen ich überlegen musste. Speziell José Mourinho war zu diesem Zeitpunkt das Nonplusultra der Trainer. Deswegen war es eine Sache, die ich nicht ausschlagen konnte.

Aber das hat mir auch keiner übel genommen. Der Verein hat mir keine Steine in den Weg gelegt. Die Fans haben mich gebührend verabschiedet und ich komme immer wieder gerne hier zurück. Es war schwer, dem VfB, der Stadt Stuttgart, meiner Familie und der Heimat den Rücken zuzukehren, aber für meine Karriere und für mich persönlich als Mensch war das genau der richtige Schritt.

José Mourinho mit seinen zwei deutschen Neuzugängen Khedira und Mesut Özil
José Mourinho mit seinen zwei deutschen Neuzugängen Khedira und Mesut Özil©Getty Images

Sie mussten aber auch schnell feststellen, dass Real eine ganz andere Hausnummer ist...

Definitiv! Als ich zu dem Gespräch mit Mourinho nach Madrid eingeladen wurde und das Trainingsgelände gesehen habe, wurde mir klar: "Okay. Hier sind andere Dimensionen und andere Möglichkeiten." Die erste Reise führte nach Los Angeles. Da waren wir an der University und da haben Hunderte oder Tausende von Menschen gewartet. Für ein Training! Da habe ich gedacht: "Wow, was ist denn hier los?"

Da wusste ich, dass ich auf einem anderen Level angekommen war. Aber auch die Qualität der Spieler war phänomenal. Danach habe ich aber gesucht: Dem Maximum, um mich immer wieder selber zu fordern. Gleich vom ersten Training an habe ich diese unheimliche Freude und Sehnsucht gespürt, bei Real bestehen zu können.

Endstation Halbfinale: Real verliert 2011/12 gegen den FC Bayern
Endstation Halbfinale: Real verliert 2011/12 gegen den FC Bayern©AFP/Getty Images

Sie wurden mit Real Meister in der Saison 2011/12, aber in den ersten Jahren scheiterten Sie auch drei Mal hintereinander im Halbfinale der Champions League. Was ist davon hängen geblieben?

So etwas vergisst man nicht. Jedes einzelne Aus war auf seine Art und Weise bitter und auch traurig, aber diese Momente gehören im Sport dazu. Das wird einem jeder Sportler erzählen, der große Erfolge gefeiert hat. Bevor man etwas ganz Großes erreicht, muss man auch bittere Niederlagen einstecken.

So war es auch mit dieser Mannschaft von Real Madrid. Wir hätten es meines Erachtens bei drei Halbfinals zwei Mal verdient gehabt, in das Finale zu kommen und auch den Cup zu gewinnen. Es lag letztendlich nur an Kleinigkeiten.

Gegen Bayern München sind wir im Elfmeterschießen im Bernabéu gescheitert. Das war Glückssache. Es war die schmerzlichste Niederlage, die ich mit Real Madrid in der Champions League verkraften musste.

2012/13 scheitert Real im Halbfinale an Dortmund
2012/13 scheitert Real im Halbfinale an Dortmund©Getty Images

Wie groß war der Druck, La Décima zu gewinnen?

Ich wusste das eigentlich von Anfang an. Als ich dort unterschrieben habe, war klar, dass man Meisterschaft und Pokal gewinnen muss, aber das Wichtigste war La Décima. Jeder Fan, überall im Verein, jeden Tag war das Thema. Es war bei jedem im Kopf präsent.

Es war auch Thema meiner Antrittsrede, da ich gesagt habe, dass ich gekommen bin, um die Champions League zu gewinnen. Mit Mourinho haben wir es leider nicht geschafft, da haben wir "nur" Liga und Pokal gewonnen. Aber mit Carlo Ancelotti haben wir dann den Durchbruch geschafft.

Das war eine riesige Erleichterung, weil es auch etwas Historisches war. Es war der zehnte Titel. Als erster Verein haben wir das erreicht. Das war etwas ganz Spezielles und Großartiges. Nicht nur für den Verein, sondern auch für mich persönlich.

Sie waren vor diesem Endspiel lange verletzt, standen dann aber überraschend in der Startelf. Wie kam es dazu?

Es war eine Konstellation, die sich so ergeben hat. Mein Ziel war die Weltmeisterschaft, dafür hatte ich noch fünf oder sechs Wochen mehr Zeit. Es ging dann doch etwas schneller. Ancelotti hat mich immer wieder motiviert und hat mir immer gesagt, dass man auf mich wartet und mich dabei haben will. Das war einfach ein Antrieb. Wirklich realistisch war es nicht.

Ich bin mit der Mannschaft zum Halbfinal-Rückspiel nach München gereist und es war phänomenal, wie Sergio Ramos zwei Tore erzielt und Cristiano Ronaldo seinen Torrekord gemacht hat. Kurz vor Schluss bekommt Xabi Alonso eine unnötige Gelbe Karte. Da wusste ich: "Oh, da wird im Finale ja ein Platz frei." Und das hat mich nochmals zusätzlich motiviert.

Ich wusste zu dem Zeitpunkt, dass ich eine Chance auf das Champions-League-Finale habe, wenn ich einigermaßen fit bin und meine Leistung abrufen kann. Und das nach einer sehr schweren und komplizierten Verletzung. Letztendlich stand ich dann auf dem Platz und das war ein ganz besonderer Moment für mich.

Khedira steht im Finale gegen Atlético überraschend in der Startelf
Khedira steht im Finale gegen Atlético überraschend in der Startelf©Getty Images

Atlético lag bis in die Nachspielzeit vorne. Wie schwierig war es, nach der Auswechselung von draußen mit anzuschauen, wie eine womöglich selten schmerzhafte Niederlage droht?

Auf dem Platz ist man voll fokussiert, und als ich in der 60. Minute ausgewechselt wurde, hatte ich schon noch den Glauben, dass wir das Spiel drehen können. Aber die Minuten wurden immer mehr heruntergezählt und irgendwann schaut man nach oben und sieht: '90. Minute'. Aber irgendwie war eine Stimmung im Stadion, an der man gemerkt hat, hier passiert noch etwas.

Nach drei Jahren hintereinander mit Aus im Halbfinale und jetzt ein Finale gegen den Erz- und Stadtrivalen Atlético zu verlieren, das kann es doch nicht gewesen sein. Irgendetwas lag noch in der Luft. Zum Glück hatten wir dann so eine großartige Mannschaft, die das Spiel in letzter Sekunde gedreht und in der Verlängerung alle Qualitäten gezeigt hat.

Es war ein Herzschlagfinale. Die Nerven wurden bis auf das Äußerste strapaziert. Auch bei mir. Ich habe draußen gezittert, aber danach war die Freude umso Größer. Man kann gar nicht in Worte fassen, was mit einem da passiert.

Wie wurde der Champions-League-Sieg gefeiert?

Im Stadion und in den Momenten nach dem Triumph konnte ich es noch gar nicht so richtig fassen. Bei mir sind die letzten fünf Monate im Kopf vorbeigezogen. Alles nach dem Kreuzbandriss im San Siro gegen Italien, die Operation, harte Reha, kurze Vorbereitungszeit, nur zwei Pflichtspiele und dann habe ich den Henkelpott in der Hand.

Das war surreal, es war nicht zu fassen. Deshalb konnte ich mich nicht so wirklich frei fühlen und freuen. Es war ein riesiger Druckabfall und auch eine gewisse Freude da, aber es war keine Euphorie, auch weil alles relativ schnell an einem vorbeigezogen ist. Richtig realisiert und gefreut habe ich mich darüber erst nach der Weltmeisterschaft. Denn das war für mich ja schon das nächste Ziel...

Dritte Teil des Interviews: Wie Weltmeister Khedira seine neue Rolle bei Juventus definiert.