So ticken die Trainer: Gustavsson und Kellermann
Dienstag, 20. Mai 2014
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Vor dem Endspiel am Donnerstag hat sich UEFA.com mit Tony Gustavsson von Tyresö FF und Ralf Kellermann vom VfL Wolfsburg unterhalten, um den Philosophien der beiden Trainer auf den Grund zu gehen.
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Tony Gustavsson, Trainer Tyresö (Profil)
Ich lese sehr viel Literatur über Führungsqualitäten. Für mich ist dieses Thema sehr spannend und ich habe sechseinhalb Jahre an der Universität studiert und werde nie in der Lage sein, mein Darlehen zurückzuzahlen. Ich lese viele Bücher von John Wooden, dem Basketballtrainer der UCLA aus den USA. Es gibt da ein tolles Zitat: "Erfolg ist ein innerer Frieden, die Gewissheit, das man das Beste getan hat, um aus sich selbst das bestmögliche herauszuholen." Ich versuche immer, einen Tag besser und nicht einen Tag älter zu werden. Für mich ist er eine Inspiration.
Was den Fußball betrifft, ist der schwedische Trainer Tord Grip schon seit meinen Anfangszeiten als Trainer ein Mentor gewesen. Sein internationaler Werdegang aber auch seine Persönlichkeit, trotz Erfolg mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, hat mich sehr inspiriert.
Ich habe ein paar starke Persönlichkeiten [im Team], die bereit sind, für Erfolg viele andere Dinge hinten an zu stellen. Aber nicht nur diese Vision oder dieses Ziel zählt, man muss auch in der Lage sein, mit Leidenschaft, Liebe und Enthusiasmus aufzutreten. Diese Dinge muss man auf den Platz bringen, den Fans zeigen und an die Teamkollegen übertragen.
Spielerinnen wie Caroline Seger, Marta, Verónica Boquete, Linda Sembrant, Lisa Dahlkvist und Christen Press. Ich könnte viele nennen, die mit Einsatz und Leidenschaft spielen und ich denke, dies gehört zu unseren wichtigsten Eigenschaften. Hinsichtlich taktischen und fußballerischen Dingen haben wir vor allem Geschwindigkeit. Dank dieser Geschwindigkeit gepaart mit unserer Technik spielen wir sehr offensiv ausgerichteten Fußball.
Warum ist das Endspiel der UEFA Women's Champions League etwas Besonderes? Wegen der Medienaufmerksamkeit und dem Prestige des Turniers. In meiner Mannschaft spielen die Kapitäninnen der spanischen, dänischen und schwedischen Nationalmannschaft. Ich habe die beste Brasilianerin in meinem Team und einige Amerikanerinnen. Wenn man mit diesen Spielerinnen spricht und sie reden hört, dann wird einem klar, dass die Champions League einer der prestigereichsten Wettbewerbe ist, den man gewinnen kann. Einige der Spielerinnen sind hier, weil wir ein Team aufbauen wollten, das um den Titel mitspielen kann. Wir sind ambitioniert. Sie wollen diesen tollen Titel holen.
Mir geht es genauso. Einmal hat ein Freund zu mir gesagt: "Tony, weißt Du eigentlich, dass Du der erste Trainer sein kannst, der im Frauenfußball drei Titel in drei Jahren gewinnt? Du hast Gold bei den Olympischen Spielen geholt [als Co-Trainer der USA im Jahr 2012], die schwedische Liga gewonnen und jetzt kannst Du die Champions League holen. Das hat noch keiner geschafft." Mir war das bis dahin nicht klar. Natürlich hat mich dies vor dem Finale noch mehr motiviert.
Das Interview mit Tony Gustavsson führte Andy Brassell.
Ralf Kellermann, Trainer Wolfsburg (Profil)
Wir spielen einen sehr attraktiven Fußball. Wir spielen sehr offensiv, wir versuchen immer, den Gegner schon hoch anzulaufen. Wir spielen ein sehr gutes Gegenpressing, das ist wichtig. Trotzdem wollen wir auch guten Fußball spielen, was in dieser Liga manchmal nicht einfach ist, wenn Gegner tief stehen. Trotzdem haben wir uns dahin weiterentwickelt, dass wir auch gegen tiefstehende Gegner unser Spiel durchsetzen können. Wir haben Flexibilität in unseren taktischen Varianten, wir können mehrere Systeme spielen. Aber mein Tenor ist, obwohl ich Torwart war, immer die Offensive, denn das ist einfach das attraktivste Spiel. Und so ist unser Kader auch ausgerichtet.
[Auf die Frage, wie man sich nach der letzten Saison mit drei Titeln neue Ziele gesteckt hat.] Ich muss ganz klar sagen, dass wir das als Verein mit den drei Titeln gut im Griff hatten. Aber dann kam noch die [UEFA Women's] EURO 2013 dazu. In Lena Goeßling und Nadine Keßler hatten wir zwei Spielerinnen, die fast alle Spiele über 90 Minuten durchgemacht haben und eine tragende Rolle in diesem Turnier gespielt haben. Dass diese Spielerinnen nach vier Titeln und fast keinem Urlaub irgendwann zu Beginn der Saison ein bisschen durchhängen und ihre Pausen haben, ist normal. Josephine Henning und Luisa Wensing waren beide auch noch verletzt, obwohl sie wenig gespielt haben.
Von daher war es schon sehr schwer, in die Saison hineinzukommen. Das war uns vorher bewusst, wir hatten gehofft, den einen oder anderen Punkt nicht liegen zu lassen. Aber vielleicht hat das auch geholfen, sich noch einmal neu zu fokussieren. Seit Oktober hat die Mannschaft aber zur alten Form zurückgefunden. Und diese Probleme, die zwangsläufig kommen mussten mit den drei Titeln und der Europameisterschaft, haben wir in den Griff bekommen. Jetzt sind wir auf einem guten Weg.
Bei mir ist es wirklich so, dass ich egal ob beim Champions-League-Finale oder dem Spiel gegen den Tabellenletzten in der Liga immer gleich angespannt bin. Ohne Anspannung keine Leistung. Wenn es dann zum Anpfiff geht, bin ich relativ ruhig, dann versuche ich auch, das ein bisschen zu genießen, speziell wenn ich an die Spiele in der Arena denke. Anspannung ja, Nervosität dann nicht mehr, denn man muss ja auch mit der ersten Minute funktionieren. Man muss vielleicht noch einmal auf Dinge, die es im Spiel gibt, reagieren, vielleicht mit einer Umstellung oder einer Auswechslung. Man muss fokussiert sein.
Die schlimmste Zeit, in der ich richtig nervös bin, ist für mich vor der letzten Mannschaftsbesprechung, weil das in der Regel der Punkt ist, der mit am Wichtigsten ist, an dem man die Spielerinnen noch einmal erreicht und wo alle noch einmal ein offenes Ohr haben, was hinterher auf dem Platz nicht mehr ganz so einfach ist. Von daher liegt der Fokus in der Besprechung vor dem Spiel, da muss alles bis auf den Punkt sitzen, deshalb sind die Nervosität und Angespanntheit dort am größten. Wenn ich danach das Gefühl habe, ich habe das rübergebracht, was ich der Mannschaft vermitteln wollte, dann fällt die Nervosität ein bisschen ab und dann ist die Vorfreude und Fokussierung auf das Spiel da.
Jeder Trainer sollte mit seinem Trainerteam als Team auftreten, das ist extrem wichtig. Und auch versuchen, mit der Mannschaft eine Einheit zu bilden. Speziell im Frauenfußball ist es so, dass an allererster Stelle Kommunikation kommt.
Mir hat es früher geholfen, wenn man Vorbilder hat. Wir haben in Wolfsburg jetzt endlich Vorbilder, die etwas erreicht haben, zu denen man aufschauen kann. Man soll sich Vorbilder suchen und versuchen, ihnen nachzueifern, ohne zu viel von der eigenen Persönlichkeit abzugeben. Und schauen, wie diese Spielerinnen dahingekommen sind, was die Spielerinnen dafür leisten müssen. Und dafür haben wir hier die besten Beispiele, wenn man unsere Kapitänin Nadine Keßler sieht oder Martina Müller, was diese beiden opfern und noch zu dem ganzen Training arbeitstechnisch machen und versuchen, immer weiter zu kommen. Wenn man diese als Vorbilder hat, weiß man, man muss eine Menge machen, um vielleicht einmal auf dieses Niveau zu kommen.
Das Interview mit Ralf Kellermann führte Markus Juchem.