Technischer Bericht zur UEFA Champions League: Fünf in der Abwehr … und auch im Angriff
Mittwoch, 24. August 2022
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Der Bericht der Technischen Beobachter der UEFA zur UEFA Champions League 2021/22 konzentriert sich auf die Zunahme von Fünferketten in der Abwehr sowie auf den fünf Mann starken Angriff.
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"Oft sprechen wir über taktische Formationen und vergessen sehr oft dabei, dass ein Defensivsystem mit einem ganz anderen Auftreten eine ganz andere Wirkung hat."
Dieses Zitat von Roberto Martínez, dem belgischen Nationaltrainer und Spielbeobachter der UEFA, ist Teil einer Analyse zu Dreier- und Fünfer-Abwehrreihen in der vergangenen UEFA Champions League, zu finden im gerade veröffentlichten Bericht zum Wettbewerb 2021/22.
Martínez' Worte sind relevant, um zu verdeutlichen, dass eine Formation unterschiedlich ausgelegt werden kann, je nachdem, wie sie gehandhabt wird. Während die häufigsten Formationen 2021/22 1-4-3-3, 1-4-2-3-1 und 1-4-4-2 waren, begannen 17 der beteiligten Mannschaften ab der Gruppenphase mindestens ein Spiel mit einer Dreier- oder Fünferkette – und die Trainer wählten dabei unterschiedliche Ansätze.
Von den Mannschaften, die regelmäßig mit einer Dreier-/Fünferkette spielten, wird Atlético de Madrid im Technischen Bericht für seine Spielweise im Viertelfinale gegen Manchester City hervorgehoben, als, wie es im Bericht heißt, "seine 1-5-3-2-Formation zeitweise zu einem 1-5-5-0 wurde". Damit beschränkten sie City bei der 0:1-Niederlage im Hinspiel auf zwei Abschlüsse auf das Tor.
Im zweiten Durchgang des Rückspiels kam Atlético auf 13 Abschlüsse. Vor der Pause hatten sie gerade mal einen zustande gebracht, aber plötzlich, in Martínez' Worten, "waren sie ein anderes Team", was weitere Diskussionen auslöste: Ein Beobachter bezeichnete die vorangegangenen 135 Minuten als "Manöver zur Schadensbegrenzung", während ein anderer die Logik in der Herangehensweise von Trainer Diego Simeone sah, da es gegen City "unmöglich" gewesen wäre, die Intensität der späten Offensive länger aufrechtzuerhalten.
Wie der Bericht hervorhebt, hatten Simeones Mannen in der Runde zuvor gegen Manchester United das Offensivpotenzial ihres Systems unter Beweis gestellt, als, wie es im Bericht heißt, zeitweise "beide Außenverteidiger im Aufbauspiel fast als Stürmer spielten".
Innenverteidiger rücken auf
Die Rolle der Innenverteidiger in der Fünferkette ist ein weiteres Gesprächsthema. Benfica fiel in den Gruppenspielen unter dem damaligen Trainer Jorge Jesus durch die Art und Weise auf, wie sie einen ihrer Innenverteidiger höher agieren ließen. Im Bericht heißt es: "Einer der drei Innenverteidiger verließ die Abwehrreihe, um einen gegnerischen Mittelfeldspieler zu attackieren und so den gegnerischen Spielaufbau zu stören. Dadurch wurde das System zu einem 1-4-3-3, und vor allem Jan Vertonghen setzte diese Taktik effektiv um."
Chelsea, das mit einer 1-3-4-2-1-Formation agierte, fiel unterdessen durch die Art und Weise auf, wie einer der äußeren Innenverteidiger – César Azpilicueta oder Antonio Rüdiger – nach vorne ging, um Angriffe zu unterstützen. Gegen tiefstehende Gegner konnte ein Spieler wie Rüdiger den Raum vor ihm nutzen, und der Deutsche, der jetzt bei Real Madrid spielt, beendete die Saison mit 109 Pässen ins letzte Drittel, die drittmeisten im Wettbewerb.
Fünf Akteure im Angriff
In dem Bericht werden nicht nur die fünf Abwehrspieler unter die Lupe genommen, sondern auch die fünf Angreifer. Die UEFA-Beobachter führen das Beispiel von Julian Nagelsmanns Bayern München an, das in der vergangenen Saison mit 31 Toren die meisten Treffer erzielte und in einer 1-3-2-5-Angriffsformation auflief – oder in "fünf Bahnen". Der Bericht erklärt: "Sie hatten fünf Angreifer im letzten Drittel – zwei Flügelspieler, zwei Angreifer zwischen den Linien und Robert Lewandowski in der Spitze – und wie ihre Torausbeute zeigt, gab ihnen dieser Ansatz die Möglichkeit, durch oder um ihre Gegner herum zu spielen."
Aufgrund der heutigen Flexibilität der Mannschaften haben auch andere Teams eine ähnliche Formation gewählt, insbesondere der englische Meister Manchester City, dessen 1-4-3-3-Startformation sich im Ballbesitz in ein 1-2-3-5 verwandelte, mit, wie es im Bericht heißt, "einer Linie von zwei Innenverteidigern, dem einzigen Dreh- und Angelpunkt Rodri und den Außenverteidigern neben ihm, die in den Halbräumen agierten. Darüber hinaus waren die talentierten Offensivakteure in dieser Formation gut aufgehoben, denn City spielte mehr Pässe im letzten Drittel (1.955) und versuchte es mit mehr Steckpässen (28) als jedes andere Team."
City hatte den Vorteil, dass Kevin De Bruyne und Bernardo Silva produktiv zwischen den Linien arbeiteten, wenn der Ball auf ihre Seite gespielt wurde, und der Bericht versucht, die Wirkung dieser Achter zu erklären, die, "wenn der Ball auf ihre Seite verlagert wurde, schnell eine Überzahl mit dem äußeren Angriffsspieler auf der Außenbahn schaffen wollten oder versuchten, hinter die Abwehr im Bereich zwischen dem Außenverteidiger und dem Innenverteidiger zu kommen. Wenn sich einer der beiden Achter fallen ließ, hatte dies den Effekt, dass ein gegnerischer Innenverteidiger herausgezogen wurde, um Raum zu schaffen, in den ein Flügelspieler laufen konnte."
Balanceakt
Ein letzter Punkt in Bezug auf die vorderen Fünf ist der Balanceakt, der erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die Verteidigung nicht bloßgestellt wird. In Bezug auf die Bayern wird der ehemalige Verteidiger des Klubs, Willy Sagnol, zitiert, der auf die Anfälligkeit der Bayern für Konter hinweist, zu sehen bei der Viertelfinal-Pleite gegen Villarreal. "Wenn sie den Ball auf der rechten oder linken Seite verlieren, dann haben sie Probleme im defensiven Umschaltspiel", sagte er.
Roberto Martínez sah unterdessen eine mögliche Lösung in der Verwendung von einrückenden Außenverteidigern, wie sie von Pep Guardiolas City eingesetzt werden. "Manchmal denken wir, dass der einrückende Außenverteidiger eine zusätzliche Anspielstation darstellt, aber das ist nicht der Fall", wird er zitiert. "Es geht darum, bereit zu sein, wenn man den Ball verliert, da man den Ball in einem zentralen Bereich schneller verteidigen und den Gegner stoppen kann."