Vor Leipzig - Liverpool: Nagelsmann und Klopp im Doppel-Interview
Montag, 15. Februar 2021
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Vor dem Achtelfinale haben sich die gut aufgelegten Trainer von Leipzig und Liverpool für UEFA.com im Videochat unterhalten.
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Im Achtelfinale der UEFA Champions League kommt es beim Duell zwischen Leipzig und Liverpool zu einem besonders interessanten Trainervergleich.
Julian Nagelsmann und Jürgen Klopp hatten bisher erst in zwei Spielen das Vergnügen miteinander. In der Play-off-Runde der UEFA Champions League 2017/18 hatte Klopp mit den Reds gegen Nagelsmann und Hoffenheim die Oberhand.
Im Doppel-Interview mit UEFA.com erinnern sich die zwei Deutschen an die Spiele von damals und erklären, welche Herausforderungen sie in der Pandemie vorfinden.
Klopp (53) und Nagelsmann (33) über...
... den Alltag mit COVID-19-Auflagen
Jürgen Klopp: Hier bei uns im Trainingszentrum ist es eiskalt, weil überall die Türen offen sind. Wir mussten zwischendurch die Kantine schließen und es wird ständig überprüft, wie es mit der Anzahl der Leuten an den Tischen ist. Wir fahren mittlerweile mit drei Bussen zum Spiel, weil immer weniger Leute im Bus sitzen dürfen. Es ist eine extreme Herausforderung, weil so Sachen wie Teambuilding – und damit meine ich nicht, sich abends zusammen zu besaufen – immer in sehr großen Räumen stattfinden.
Julian Nagelsmann: Wir hatten gerade in der Anfangszeit dieselben Probleme. Die größte Herausforderung war, vom Kopf her auf Spannung zu kommen. Man geht nach dem Training nach Hause und ist dann wieder komplett isoliert, darf niemanden sehen und nirgendwo hingehen. Es sind schon schwierige Phasen, wenn keine Fans da sind und du nur deine Mitspieler siehst. Alle drei Tage auf dieselbe Spannung zu kommen ist dann schwierig.
Klopp: Was ich extrem schwierig fand: Ich weiß ja nicht, wie viele Neuzugänge ihr hattet, aber wir hatten drei. Für sie ist es superschwer, so richtig an die Mannschaft anzudocken. In der Kabine kannst du nicht lange zusammensitzen, im Restaurant darfst du nicht lange zusammensitzen, du kannst dich nicht privat treffen und so weiter. Das ist Wahnsinn.
Nagelsmann: Das ist bei uns auch so. Wir haben ein paar Spieler, die noch nicht richtig Deutsch sprechen und für sie ist es dreifach schwieriger. Sie haben keinen richtigen Deutschunterricht, sie haben natürlich außerhalb des Fußballplatzes keinen Kontakt zu ihren Mitspielern und sitzen nur zu Hause. Man sieht es immer wieder, dass Neuzugänge Probleme haben, in eine sehr gefestigte Mannschaft reinzukommen. Aber dieses Jahr ist es extrem. Es wird noch länger dauern, bis sie richtig fruchten.
... über die Erwartungshaltung bei einem neuen Verein
Klopp: Wie war die Umstellung von Hoffenheim nach Leipzig? Von außen betrachtet sind die Strukturen zumindest nicht unähnlich.
Nagelsmann: Im Grunde sind sie sich sehr ähnlich. Es sind ähnliche Voraussetzungen bei der Infrastruktur und auch, was die Führungsetage angeht. Es gibt hier keine 50 Leute, die mitreden wollen, sondern wir haben kurze Wege. Natürlich sind die Erwartungen hier höher, weil wir auch deutlich mehr in den Kader investieren, als in Hoffenheim. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich bei einem Klub bin, bei dem man von Erwartungen erschlagen wird. Wir sind ein Klub im Aufbau und in der Entwicklung. Es wird bei dir ähnlich gewesen sein. Sicher war die Erwartungshaltung in Dortmund deutlich höher als in Mainz...
Klopp: Für mich war das ein ganz natürlicher Schritt. Ich finde, du hast es wirklich gut gemacht. Der Wechsel macht total Sinn: Tolle Mannschaft, tolle Entwicklungsmöglichkeiten.
Nagelsmann: Es sind alles Top-Charaktere und eine total einfach zu trainierende Mannschaft.
Klopp: Ich mag gerne Spiele gewinnen, diese andere Zeug mit der Erwartungshaltung habe ich noch nicht gehabt, um ehrlich zu sein. Ich habe ein ganz enges Verhältnis zu den Besitzern von Liverpool. Als ich zu Dortmund ging, war ich völlig naiv und unvoreingenommen. Ich war einfach nur froh, da zu sein. Das hat mich mein Leben lang ausgezeichnet: Wenn es um Fußball geht, mache ich mir keine so großen Sorgen. Da habe ich immer das Gefühl, dass ich es irgendwie regeln kann. Ich kann es mir irgendwie nicht vorstellen, dass im Fußball Probleme auftauchen, wo ich gar keinen Ansatz finde.
...über die letzte Begegnung beim Duell Liverpool gegen Hoffenheim
Nagelsmann: Ich erinnere mich noch gut. Vor allem im Hinspiel in Hoffenheim haben wir es eigentlich sehr gut gemacht. Wir haben einen Elfmeter verschossen und direkt im Anschluss hat uns Trent Alexander-Arnold einen Freistoß reingedonnert. An das Rückspiel erinnere ich mich nicht so gerne. Es war extrem laut und emotional. Nach 17 Minuten stand es 3:0 für Liverpool...
Klopp: ... aber es waren geile Tore!
Nagelsmann: Ja. In der 21. Minute oder so habe ich nur gedacht: 'Hoffentlich hat Jürgen in seinem Büro einen Klappspaten, den ich mir ausleihen kann. Dann kann ich schon mal anfangen, zu graben...' In der zweiten Halbzeit haben wir uns ein bisschen gefangen. Aber wir waren chancenlos. Es hätte mich interessiert, wie es gewesen wäre, wenn Andrej Kramarić den Elfmeter gemacht hätte.
Klopp: Das würde mich auch brennend interessieren, um ehrlich zu sein. [lacht]
Nagelsmann: Das Hinspiel war ein sehr gutes Spiel und auch das Rückspiel war super, nur nicht von uns. Ich denke, jetzt sind es ganz andere Voraussetzungen. Ich habe eine bessere Mannschaft zur Verfügung als damals. Aber Jürgens Mannschaft heute ist auch besser. Ich hoffe nur, dass wir keinen Elfmeter verschießen und dass Alexander-Arnold keinen Freistoß reinhaut. Alles andere werden wir sehen.
Klopp: Für mich war es damals so, dass ich von Julian unheimlich viel gehört hatte. Dann stand vor dem Spiel die Analyse an und ich habe nur gedacht: 'Wow, Hut ab.' Es war eine große Herausforderung. Die Art und Weise, wie sie damals gespielt haben, war außergewöhnlich. So richtig auf Ballbesitz und starke Abläufe angelegt. Das hat mir gut gefallen. Am Ende entscheidet manchmal die individuelle Qualität und da hatten wir schon damals ein bisschen was am Start...
Ich habe aber nicht so ein gutes Gedächtnis wie Julian. Ich hätte nicht gewusst, dass wir damals einen Elfmeter verschossen haben.
Nagelsmann: Eine Minute vor dem Freistoß war das.
Klopp: Ich habe ein selektives Gedächtnis. Bei Julian war damals ja noch das Problem, dass er als "Trainertalent" beschrieben wurde. War er ja auch, ist er immer noch, irgendwie. Zumindest kommt er langsam in ein Alter, in dem andere Leute auch Trainer sind. [lacht] Das hilft ja auch, um dieses Prädikat loszuwerden.
An was ich mich erinnern kann: Nach dem Spiel im Anfield habe ich Julian gesucht.
Nagelsmann: Da kann ich mich auch noch daran erinnern. [lacht]
Klopp: Dann habe ich die Tür von so einem Räumchen aufgemacht, von dem ich gar nicht wusste, dass dahinter irgendetwas ist. Da saß er dann mit seinem Co-Trainer vor dem Laptop und du konntest in seinem Gesicht ablesen: 'Was ist denn bitte hier passiert in der Anfangsphase" [lacht]
Nagelsmann: Ja, genau so war's. Du hast meinen Laptop zugeklappt und nur gesagt: 'Komm, hör auf, es ist eh vorbei.'
Klopp: Nach dem Schlusspfiff kann man nicht mehr gewinnen. Das ist meine Erfahrung.