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Ancelotti im Olymp

Als er nach dem Gewinn der UEFA Champions League zur Pressekonferenz kam, hatte Carlo Ancelotti seine ganz persönliche Odyssee hinter sich.

Als er nach dem Gewinn der UEFA Champions League zur Pressekonferenz kam, hatte Carlo Ancelotti seine ganz persönliche Odyssee hinter sich. Der Weg war lang und mühsam, aber für den 47-Jährigen war das unerwartete Erreichen des Zieles mehr als Lohn für all die Strapazen.

Schwere Zeit
Als Milan im vergangenen November zuletzt im OACA Spyro Louis-Stadion spielte, schien die Mannschaft am Boden zerstört. Platz 16 in der Serie A, nur ein Sieg in den bis dahin absolvierten vier Spielen der Königsklasse. Über den Titel in diesem wichtigsten Vereinswettbewerb Europas dachte da niemand nach. Einziges Ziel war es, sich auch für den nächsten Wettbewerb qualifizieren zu können. "Wir haben den Platz ausgemessen, weil wir wussten, dass wir hier das Endspiel bestreiten würden", scherzte Ancelotti, als er an die 0:1-Niederlage dachte. Die Verletzungen von Massimo Ambrosini und Alessandro Nesta machten Milan schwer zu schaffen. Dazu kam der offenbare Kräfteverlust von Andrea Pirlo und Gennaro Gattuso, die sich noch nicht von den Strapazen der erfolgreichen FIFA-WM erholt hatten.

Punkteabzug
Von Erholung konnte schließlich keine Rede sein, denn nach dem Bestechungsskandal in Italien und dem damit verbundenen Punkteabzug musste Milan in der dritten Qualifikationsrunde zur UEFA Champions League ran. Zwar wurde der FK Crvena Zvezda (Roter Stern Belgrad) besiegt, aber die Auswirkungen dieser Spiele reichten noch bis weit in die Saison hinein. Als Milan im November die Partie bei AEK Athen verlor, stand der Job von Ancelotti auf der Kippe. "Das ist Fußball", sagte er. "Mich haben die Gerüchte über meine Ablösung nicht gestört, weil man in diesem Sport, wenn die Dinge nicht so laufen, seinen Preis bezahlt. Ich habe mich nie bedroht gefühlt. Die Tatsache, dass wir die Champions League gewonnen haben, ist genauso unerwartet wie großartig. Wenn ich an den Dezember zurückdenke, wo wir so viele Hindernisse überwinden mussten, dann ist dies ein ganz besonderer Sieg. Trotz der Probleme ging es bei uns weiter sehr harmonisch zu."

"Großartigster Sieg"
Ancelotti holte als Spieler mit Milan zweimal den Pokal der europäischen Meistervereine, und auch als Trainer war er 2003 erfolgreich. Nichts aber kommt an die Gefühle heran, die er nun nach dem Triumph in Athen empfindet. War das Finale vor zwei Jahren in Istanbul, als seine Mannschaft schon mit 3:0 führte und am Ende doch gegen Liverpool verlor, der Tiefpunkt seiner Karriere, so war das "Rückspiel" gegen die Reds der Höhepunkt. Von Revanche aber will er nicht sprechen. "Das ist der großartigste Sieg, den wir hatten", sagte er. "Wir haben niemals den Blick darauf verloren, was wir erreichen wollten. Sehr wenige Menschen oder Fans erwarteten, dass Milan den wichtigsten Pokal der Saison gewinnen könnte, wahrscheinlich hat es sogar niemand erwartet. Abgesehen von den Pokalen, die ich gewonnen habe, ist das eine besondere Beziehung. Was ich erreicht habe, liegt an der Tatsache, dass ich fühle, zu Milan zu gehören. Ich habe dieses Trikot als Spieler getragen, und wichtige Pokal in diesem Trikot zu gewinnen, macht meine Gefühle und meine Beziehung zu Milan sehr stark."

Fester Bund
Vor allem die Beziehung zu seinen Spielern ist sehr eng - er selbst sieht ein Trainingslager im Winter in Malta als den Wendepunkt der Saison. "Ich denke, dass wir in Malta sehr gut gearbeitet haben, die Mannschaft war in guter Stimmung. Wir wollten vergessen, was im letzten August geschah, die schlechten Leistungen und den Punkteabzug. Aber ich würde den Sieg nicht als Rache für diesen Skandal sehen. Der italienische Fußball musste im letzten Sommer sehr leiden, besonders Milan, aber das ist ein wichtiger Sieg für den gesamten italienischen Fußball. Wir können jetzt gelassener sein und einen Teil unserer Glaubwürdigkeit zurückgewinnen."

"Motivation"
Ancelottis taktische Änderungen während der Saison spielten dabei eine große Rolle. Seine Entscheidung, Kaka weiter nach vorn zu stellen, hinter die einzige Spitze, rettete Milan die Saison. Am meisten aber lieben die Spieler an Ancelotti dessen Motivationskünste. Wer sonst hätte aus dem alternden Stürmer Filippo Inzaghi noch zu solchen Höhen treiben können. Gerade rechtzeitig war der 33-Jährige in blendender Verfassung. "Ich versuche, das Beste aus den Spielern herauszuholen", sagte Ancelotti nach Inzaghis siegbringenden Treffern gegen Liverpool gegenüber uefa.com. "Aber es war nicht schwer, sie zu motivieren. Wir hatten einige schlechte Augenblicke, und darüber nachzudenken, hat uns geholfen, neue Energie zu gewinnen. Vor dem Spiel habe ich wirklich gezweifelt, ob ich Inzaghi oder [Alberto] Gilardino spielen lassen sollte. Gilardino war in guter Verfassung, und seine Stärke hätte sich als nützlich erweisen können, aber ich habe mich stattdessen entschieden, auf die Erfahrung von Inzaghi zu setzen."

Nichtraucher Carlo
Erfahrung ist ein wichtiger Punkt für Milan, Als sie im Halbfinale gegen Manchester United FC hinten lagen, war diese Erfahrung die gefährlichste Waffe. Stadtrivale FC Internazionale Milano mag in der Serie A meilenweit entlaufen sein, aber einmal mehr waren es die Rossoneri, die am Ende lachten. Es war eine beschwerliche Reise für Ancelotti, aber wenn er nun an diese monumentale Saison zurückdenkt, dann steht er bereits der nächsten Herausforderung gegenüber. "Ich habe vor dem Spiel eine großartige Sache beschlossen", sagte er. "Wenn wir gewinnen sollten, würde ich mit dem Rauchen aufhören. Es wird schwer, aber ich werde es tun." Nachdem, was er in dieser Saison erreicht hat, besteht ja wohl kaum ein Zweifel, dass er auch dieses große Ziel erreichen wird.

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