Klopp-Interview: "Reals Gesamtpaket ist richtig gut"
Sonntag, 20. Mai 2018
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"Es war ein verrückter Ritt", sagt Jürgen Klopp vor dem Finale in Kiew. "Jetzt brauchen wir auch ein wenig Glück."
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Jürgen Klopp greift nach seinem ersten Titel als Liverpool-Trainer. Im Gespräch mit UEFA.com erklärt der 50-Jährige, welche Dinge ihm vor dem Finale der UEFA Champions League durch den Kopf gehen.
Über den Weg nach Kiew:
Ich glaube, wir sind ein absolut verdienter Finalist. Wir haben die meisten Tore geschossen und außergewöhnliche Leistungen abgerufen. Ich bin mächtig stolz auf die Jungs. Die Art und Weise, wie wir es geschafft haben, war verrückt. Die Anzahl unserer Tore ist wirklich Wahnsinn. Wir haben zweimal sieben und zweimal fünf Tore geschossen. Wir sind nicht Barcelona, Real Madrid oder Bayern München. Wir sind Liverpool und auf dem Weg zu einer richtig guten Mannschaft. Solche Highlights sind dann schon cool.
Es war ein verrückter Ritt, aber aus verschiedenen Gründen auch verdient. Unsere Zuschauer haben uns in den Heimspielen extrem durch die Champions League getragen. Die Mannschaft hat tollen Fußball gespielt, aber die Atmosphäre, die wir erlebt haben, war außergewöhnlich. Nachdem wir in Rom weitergekommen sind, wäre ich gerne mal anonym in Liverpool unterwegs gewesen. Einfach um das mal mitzuerleben, was hier los war.
Über die Zusammenarbeit mit seiner Mannschaft:
Ich bin der Chef, die Spieler sind meine Angestellten. Aber so sollte Fußball eigentlich nicht funktionieren, denn es ist ein Spiel. Ich möchte meine Spieler gerne verstehen und wissen, warum verschiedene Dinge passieren. Daraus entsteht eine enge Beziehung. Ich bin meinen Spielern dankbar für das, was sie gemacht haben. Es gibt in anderen Vereinen viele Spieler, die mehr Geld verdienen, aber nicht so ihre Leistung abrufen [wie meine Spieler]. Das habe ich ihnen auch gesagt.
Über Real Madrid:
Real Madrid heißen ja die Königlichen und sie waren in den letzten Jahren die Könige von Europa. Das wird schon eine Herausforderung. Sie haben es außergewöhnlich gut gemacht und haben eine unheimlich erfahrene Mannschaft. Mit Zinédine Zidane haben sie einen der besten fünf Spieler aller Zeiten an der Seitenlinie. Ich bin froh, dass wir nicht gegeneinander spielen. Ich gegen ihn, Manndeckung oder so ein Käse. Ich habe ihn als Spieler geliebt und respektiere ihn als Kollegen wahnsinnig. Aber wir fahren nicht hin, um uns die Trikots abzuholen.
Real ist als Gesamtpaket richtig gut. Die Kombination aus Qualität und Gewinner-Mentalität ist außergewöhnlich. Zweikampfstärke, Genialität, Passspiel - das ist schon eine gut zusammengestellte Mannschaft.
Über die Herangehensweise in Kiew:
Ich werde nicht über unsere Taktik sprechen, aber wir haben nicht nur Gegenpressing. Vielleicht spielen wir ganz anders, stellen uns tief auf und lassen sie anrennen. Und wir spielen nur auf Konter. Vielleicht zielen wir auf 70 Prozent Ballbesitz ab, um Real Madrid am Laufen zu halten.
Bei Real sind alle Mann an Bord, das ist ja bei uns ein wenig anders. Wir haben viele Verletzungen. Wir sind nicht mit 50 Prozent ins Finale gekommen, sondern mit 120 Prozent. Wir mussten in jedem Spiel über uns hinauswachsen. Das hat auch zu der ein oder anderen Verletzung geführt.
Über seine Fußballphilosophie:
Wenn wir gewonnen haben, ist es mir grundsätzlich egal, wie wir gespielt haben. Gewonnen ist gewonnen. Die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, erhöht sich dramatisch, wenn Du weißt, warum Du gewinnst. Du musst eine bestimmte Art von Fußball spielen. Das Spiel lebt von der Spannung, der Intensität und von der Möglichkeit, den Gegner auf Dein Niveau herunterzuziehen. Dann kann man den Gegner mit taktischen Mitteln schlagen. Es ist der Plan, den Zufall zu minimieren.
Über die Lehren aus dem verlorenen Finale mit Dortmund 2013:
Was soll ich aus einem verlorenen Finale gelernt haben? Nichts. Wir haben ein gutes Spiel abgeliefert und hätten schon früh in Führung gehen müssen. Gegen Ende des Spiels waren beide Mannschaften total müde und dann kassieren wir dieses Gegentor. Am Ende geht es darum, das beste Spiel zu machen, was an diesem Tag für Dich möglich ist. Dann braucht man auch ein wenig Glück. Ich habe in meinem Leben ganz viel Glück gehabt, aber in Endspielen kann man das nicht sagen.
Über die Sehnsucht nach dem Henkelpott:
Ich will den Titel sehr, aber ich bin in den kompletten Dingen ganz unwichtig. Das meine ich ernst. Ich habe ein paar Finals verloren und bin genau der gleiche, der ich wäre, wenn ich sie gewonnen hätte. Aber für den Verein und für die Spieler würde ich mich unendlich freuen.