Lahm: "Der Weg soll noch nicht zu Ende sein"
Montag, 17. April 2017
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Die aktive Karriere von Philipp Lahm dauert nur noch wenige Wochen. "Man erlebt alles ein wenig intensiver", verrät der Bayern-Kapitän im Interview mit UEFA.com.
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Warum war es für Sie die richtige Entscheidung, für den Sommer Ihr Karriereende anzukündigen?
Es ist einfach ein Gefühl, das ich habe. Ich habe gesagt, dass ich auf dem Niveau bis zum Ende der Saison noch spielen kann. Aber kein weiteres Jahr. Es fällt alles ein wenig schwerer. Man verliert mal ein Trainingsspiel und ärgert sich vielleicht nicht so viel, wie man es normalerweise gewohnt ist. Das bin ich eigentlich nicht. Ich will immer Spaß haben, auch Spaß auf dem Platz. Den habe ich aktuell noch, aber ich weiß nicht, wie lange ich das noch aufrecht erhalten kann. Deshalb ist es für mich im Sommer nach sehr vielen schönen Jahren einfach zu Ende im Fußball.
Was muss bis zum Sommer noch passieren, damit Sie sagen können: Das war ein perfektes Ende einer tollen Karriere?
Rückblickend auf meine Karriere würde ich sagen, dass die nächsten Wochen eigentlich egal sind. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Karriere. Ich hatte unglaublich schöne Jahre im Fußballgeschäft. Ich bin dankbar für alles, was ich erleben durfte. Trotzdem will man natürlich einen schönen Abschluss haben. Und beim FC Bayern heißt das: Titel gewinnen. Wir sind in allen Wettbewerben noch dabei und somit haben wir die Möglichkeit, noch drei Titel zu gewinnen. Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt, aber wenn man meine komplette Karriere zusammen sieht, kann ich sagen, dass ich jetzt schon sehr zufrieden damit bin.
Wenn man über Philipp Lahm den Fußballer spricht, fällt immer wieder das Wort "Vielseitigkeit" als eine von vielen positiven Eigenschaften. Wir würden gerne mal Ihre Erklärung hören, warum Sie so ein gutes Spielverständnis haben?
Vielleicht muss ich ganz von vorne anfangen. Ich war immer einer der kleineren, einer der schmächtigeren Spieler. Ich musste mich in der Jugend immer gegen groß gewachsene und bullige Spieler durchsetzen. Vielleicht habe ich da ein wenig gelernt, mit meiner Größe und meinem Gewicht umzugehen. Das heißt: Dinge und Situationen vorherzusehen und diese anders zu lösen, weil ich eben nicht so in den Zweikampf gehen konnte wie meine Mannschaftskameraden. Vielleicht kommt es daher.
Pep Guardiola hat mal gesagt: "Philipp Lahm ist der intelligenteste Fußballer, mit dem ich je zusammengearbeitet habe"…
Das ist ein sehr schönes Kompliment. Vor allem von einem Trainer, der so viel erreicht hat. Der auch unglaubliche Spieler trainieren durfte. Ein großes Kompliment!
Und was ist für Sie ein "intelligenter Fußballer"?
Da geht es um das Ganze. Um das Spielverständnis, aber auch um Technik. Wie nehme ich den Ball richtig mit? Aber auch um Vorherzusehen. Wen kann ich anspielen? In welcher Situation kann ich welchen Spieler in welcher Richtung anspielen? Und wie kann ich den Mitspieler so anspielen, dass der nicht sofort unter Druck gerät. Das zeichnet einen intelligenten Spieler aus.
Mit dem Wissen, dass die Zeit in der Champions League und auch die Vorfreude auf solch große Abende jetzt begrenzt sind, spielt das im Hinterkopf eine Rolle?
Man erlebt alles ein wenig intensiver. Ich kenne das ja auch von der Nationalmannschaft, bei der ich ja schon vorher wusste, dass ich aufhören werde. Und so ist es jetzt in der Champions League. Ich habe mein erstes Spiel für Bayern in der Champions League gemacht. Auch, wenn ich nur zwei Minuten gespielt habe, war das damals unglaublich, im alten Olympiastadion auflaufen zu dürfen. Mit der Champions League verbindet mich einiges - viele unglaubliche Spiele. Das internationale Geschäft, dieses Messen mit den besten der Welt, genau das will man ja haben. Die letzten Spiele werde ich noch intensiver erleben. Wir stehen im Viertelfinale, aber der Weg soll noch nicht zu Ende sein.
Als Sie nach dem Sieg im Wembley zum Interview zu uns ins Studio kamen, wirkten Sie irgendwie nüchtern anstatt ausgelassen. Wie haben Sie den Abend nach Schlusspfiff emotional erlebt?
Nach Schlusspfiff war große Erleichterung und große Freude da. Es ist das große Ziel, internationale Titel zu gewinnen. Und wir waren davor zwei Mal ganz dicht dran. 2010 gegen Inter und vor allem 2012 hier zuhause gegen Chelsea. Bis zur 87. Minute 1:0 geführt, dann kassieren wir ein Tor und verlieren im Elfmeterschießen. Es war doch sehr emotional. Vor allem die Erleichterung, weil man eben zuvor zwei Finals verloren hatte und man ja weiß, wie die Öffentlichkeit reagiert, wenn man dann noch ein Finale verliert. Es war enormer Druck vor dem Spiel da.
Mehr Erleichterung als Freude?
Nein, eigentlich beides. Ich habe ja vor dem Finale immer gesagt, dass so viel dazu gehört, um so einen Titel zu gewinnen. Das Quäntchen Glück gehört immer dazu. Man kann auch acht Mal das Finale erreichen und hat trotzdem keine Garantie, dass man so einen Titel gewinnt. Dessen war ich mir immer bewusst. Aber die Erleichterung, das muss ich ganz klar gestehen, war schon groß.
Die aktuelle Mannschaft ist lange zusammen, sehr erfahren. Warum ist das eine gute Mischung, um dieses Jahr etwas Großes zu erreichen?
Es ist wichtig, dass man Qualität hat, und wir haben die einfach. Wir haben lauter Spieler auf absolutem Top-Niveau, auch wenn viele Spieler vielleicht nicht mehr in dem perfekten Alter sind, sondern vielleicht schon ein wenig darüber hinaus. Aber die Qualität hat jeder einzelne Spieler bei uns. Und ich glaube, dass unsere Mannschaft in den letzten Jahren gewachsen ist. Wenn man drei Mal im Finale und auch danach immer im Halbfinale war, wächst ja auch etwas zusammen. Es sind noch viele Spieler da, die 2010 schon im Champions-League-Finale waren. Das schweißt so eine Gruppe zusammen. Und dann haben wir darum noch einige Spieler, wie Xabi zum Beispiel, der ganz genau weiß, wie man Titel gewinnt. Wir haben die Qualität, die Erfahrung und auch die Gemeinschaft, um etwas Großes zu erreichen.