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Das bemerkenswerte Märchen des 1. FC Saarbrücken

Der 1. FC Saarbrücken, der damals das französische Protektorat Saarland repräsentierte, nahm vor 60 Jahren am allerersten Pokal der europäischen Meistervereine teil und verlangte dem großen AC Milan alles ab.

Werner Otto (links) traf 1953 mit dem Saarland in der Qualifikation zur FIFA-Weltmeisterschaft in Stuttgart auf die Bundesrepublik Deutschland
Werner Otto (links) traf 1953 mit dem Saarland in der Qualifikation zur FIFA-Weltmeisterschaft in Stuttgart auf die Bundesrepublik Deutschland ©Getty Images

Derzeitige Priorität genießt beim 1. FC Saarbrücken der Aufstieg aus der Regionalliga Südwest in die 3. Liga. In diesem Monat blickt der saarländische Klub jedoch nostalgisch 60 Jahre zurück, als man am allerersten Pokal der europäischen Meistervereine teilnahm, was durch die damalige politische Situation möglich wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Saarland 1947 zu einem französischen Protektorat mit einer eigenen Regierung und Verfassung. Der 1. FC Saarbrücken, einer der stärksten Klubs des Saarlands, spielte damals in der "Französischen Zonenmeisterschaft" und durfte ab 1948 mit Gastrecht in der zweiten französischen Division antreten. Die Partien des Teams wurden aber nicht gewertet. Wäre dies jedoch der Fall gewesen, dann hätte Saarbrücken als Tabellenerster den Aufstieg geschafft.

Anstelle des Aufstiegs wurde Saarbrücken aus dem französischen Ligabetrieb wieder ausgeschlossen und trug von 1949 bis 1951 nur Freundschaftsspiele um den Internationalen Saarlandpokal aus, wo man der internationalen Konkurrenz das Fürchten lehrte.

Erst 1951/52 wurden Mannschaften aus dem Saarland wieder ins deutsche Ligasystem aufgenommen. Saarbrücken startete sofort voll durch und wurde Meister der Oberliga Südwest, ehe man das Finale um die deutsche Meisterschaft gegen den VfB Stuttgart verlor.

1950 führte der Status des Saarlands dazu, dass der Fußballverband Mitglied der FIFA wurde. Der Verband war zudem am 15. Juni 1954 beim Gründungstreffen der UEFA zugegen. Somit nahm das Saarland an den Olympischen Spielen 1952 sowie an der Qualifikation zur FIFA-Weltmeisterschaft 1954 teil. Saarbrücken stellte den Großteil des Teams, das als Zweiter hinter der Bundesrepublik Deutschland – die später Weltmeister wurde – und vor Norwegen landete.

Finale 1956: Real Madrid wird erster Sieger

Zusätzlich schickte der saarländische Fußballverband Saarbrücken ins Rennen um den allerersten Pokal der europäischen Meistervereine 1955/56. Gegner in der ersten Runde war der AC Milan mit seinen schwedischen Superstars Nils Liedholm und Gunnar Nordahl.

Werner Otto, ein schneller Rechtsaußen, der laut eigener Aussage "wenige Tore geschossen" hat und "mehr Vorlagengeber war", spielte während dieses bedeutsamen Zeitabschnitts für Saarbrücken und die Nationalmannschaft des Saarlands. Die besonderen Umstände der damaligen Zeit konnten ihn jedoch nicht beeindrucken. Sah er sich eher als Deutscher oder als Saarländer? "Gefühlt hatte ich mich als Fußballer, die Politik hat uns an und für sich wenig interessiert", erinnert er sich.

"Milan war damals ja schon eine ganz große Nummer, aber wir waren auch eine gute Truppe. Der 1. FC Saarbrücken bildete damals an und für sich die Nationalmannschaft des Saarlands. 1954 in der Qualifikation zur WM hätten wir fast die BR Deutschland bezwungen, die dann Weltmeister wurde."

Der Trip nach Mailand schien eine beängstigende Aussicht zu sein, aber Saarbrücken gab sich im Hinspiel am 1. November 1955 im Stadio Giuseppe Meazza alles andere als eingeschüchtert. Sie gingen nach fünf Minuten sogar durch Peter Krieger in Front, ehe Milan durch Amleto Frignani, Juan Alberto Schiaffino und Giorgio Dal Monte einen komfortablen Vorsprung herausschoss. Doch Saarbrücken konnte sich trotz der misslichen Lage auf seinen unermüdlichen Teamgeist verlassen. "Wir waren eine verschworene Gemeinschaft", hebt Otto hervor. "Jeder wusste, wo der andere läuft, wohin der Pass kommt und so weiter."

Dank dieser Widerstandfähigkeit konnte Waldemar Philippi sogar noch vor der Pause verkürzen. Und was immer Trainer Hans Tauchert während der Halbzeitansprache in der Kabine zu sagen hatte, es hatte den gewünschten Effekt. Saarbrücken kam mit neuem Schwung auf den Platz und schaffte dank der raschen Tore von Karl Shirra und Herbert Martin eine sensationelle Wende: Otto und Co. fuhren mit einem unerwarteten 4:3-Sieg wieder nach Hause.

Milans Nils Liedholm
Milans Nils Liedholm©Getty Images

Angestachelt durch dieses unfassbare Ergebnis, waren die Erwartungen hoch vor dem Rückspiel am 23. November 1955. Erwähnenswert ist der Umstand, dass die Spieler zur damaligen Zeit auch noch anderen Jobs nachgehen mussten, während sie sich auf die Fußballspiele vorbereiteten. "Ich war im öffentlichen Dienst als Angestellter tätig und habe mich um Renten gekümmert", erinnert er sich. "Zu der Zeit war die Regierung großzügig, was das Fußballspielen betraf. Die hat uns immer freigegeben. Aber wir mussten erst einmal unser Urlaubskontingent aufopfern, dann haben wir freigekriegt."

Die Stadt freute sich ungemein auf die Italiener und ihre großen Namen. Die Gäste gingen durch Valentino Valli schnell nach acht Minuten in Front. Die unverdrossenen Hausherren ließen sich jedoch nicht unterkriegen und glichen nach einer halben Stunde durch Herbert Binkert aus.

Angetrieben durch das stimmgewaltige Publikum, war Saarbrücken auf bestem Wege, die nächste Runde zu erreichen, ehe das Unheil eine Viertelstunde vor dem Ende seinen Lauf nahm: Theodor Puff brachte Milan per Eigentor erneut in Front. Die Italiener waren jetzt obenauf und erzielten durch Valli Treffer Nummer drei, ehe Eros Beraldo Saarbrücken kurz vor Schluss den endgültigen Todesstoß versetzte.

"Die hatten uns im Hinspiel vielleicht ein bisschen unterschätzt", sagte Otto. "Und dann haben die hier richtig aufgedreht. Aber es hätte auch anders laufen können. Es wäre aber nicht so eine große Überraschung gewesen, wenn wir weitergekommen wären. Wir waren ein großer Verein..." Was Saarbrücken Anfang der 1950er Jahre schon unter Beweis gestellt hatte, als man Real Madrid in einem Testspiel bezwingen konnte. "Da haben wir 4:0 gewonnen, da hat alles gepasst. Vielleicht hatten die uns auch ein wenig unterschätzt, das war eine Sensation."

Der heute 86-jährige Otto lebt in der Nähe von Saarbrückens Ludwigparkstadion und ist Mitglied des Ehrenkomitees. Was sind für ihn die größten Unterschiede im Vergleich zum Fußball damals und heute? "Vor allen Dingen verdienen die heute mehr. Wir haben damals circa 150 Mark pro Monat als Gehalt verdient."

Der Status des Saarlands sollte sich ebenfalls bald ändern. Nach einer Volksbefragung 1955 und der Unterzeichnung des Saarvertrags von Frankreich und Deutschland im Oktober 1956 wurde das Saarland zum 1. Januar 1957 das zehnte Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, und der Saarländische Fußballverband wurde in den Deutschen Fußball-Bund (DFB) integriert. Saarbrückens Intermezzo im Konzert der Großen mag zwar nur kurz gewesen sein, aber sicherlich unvergesslich.

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