Der schwäbische Gastarbeiter
Dienstag, 27. September 2011
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Das Profigeschäft ist schnellebig und gnadenlos. Bernd Leno, Bayer 04 Leverkusens junger Torhüter, kann davon ein Lied singen. In nur acht Wochen durchlebte der 19-Jährige das ganze Spektrum des Profitums.
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Drei Niederlagen in Folge und 1:9 Tore – der deutsche Vizemeister Bayer 04 Leverkusen ist nach gutem Saisonstart ins Straucheln gekommen. Bernd Leno, Bayers junger Torhüter, steht dabei nicht unerheblich im Fokus, denn auch wenn er nicht zwingend an den Niederlagen schuld war, durchlebt er gerade das ganze Spektrum des Profilebens im Zeitraffer.
Rückblende: Es ist Anfang August in Leverkusen, die Bundesliga-Saison steht vor der Tür. Stammkeeper René Adler muss an der Patellasehne operiert werden, ein herber Rückschlag, aber es gibt ja noch Fabian Giefer und David Yelldell. Doch was keiner ahnt, beide sind dem Druck nicht gewachsen und blamieren sich gnadenlos.
Zur gleichen Zeit in Regensburg. Der VfB Stuttgart II tritt bei Jahn in der 3. Liga an, Leno verrichtet seinen Dienst vor rund 3.000 Zuschauern wie immer tadellos. Dass dieses eher triste Szenario bald dem Feuerwerk der Bundesliga weichen soll, ahnt Leno zu diesem Zeitpunkt nicht.
Nach dem Aus im DFB-Pokal und der Pleite zum Saisonauftakt reagiert Bayer und leiht den großen Unbekannten von Stuttgarts Reserve bis Ende 2011 aus. Was nach blindem Aktionismus aussieht, begründet Leverkusen relativ nüchtern. "Wenn wir einen neuen Torhüter holen, dann soll er stärker sein als die beiden anderen, aber er sollte keine Konkurrenz zu Adler sein", so Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.
Gelegenheit dies zu beweisen, hat Leno direkt gegen den SV Werder Bremen. Der Youngster hält seinen Kasten sauber, begeistert die Presse durch seine ruhige Art und erntet viel Lob. Auch in den nächsten drei Spielen muss er nur einen Gegentreffer hinnehmen, bleibt ruhig und bescheiden, was auch Trainer Robin Dutt verblüfft: "Ich weiß nicht, ob das mancher Feldspieler so cool gelöst hätte. Was für eine Ruhe er ausstrahlt, ist schon unglaublich."
Vorläufiger Höhepunkt ist der erste Spieltag der UEFA Champions League. Leno lässt die Stars des Chelsea FC lange Zeit verzweifeln, muss sich aber letztlich mit 0:2 geschlagen geben. Chelsea-Keeper Petr Čech lobt den 19-Jährigen überschwänglich, doch anschließend lässt sich der Youngster zu einem folgenschweren Statement über seine Zukunft hinreißen. "Ich kann mir sehr gut vorstellen, in Leverkusen zu bleiben, denn Bayer spielt Champions League, der VfB nicht", so Leno selbstbewusst.
Durch diese Aussage endet der Welpenschutz augenblicklich und was folgt, sind die üblichen Mechanismen der Bundesliga. Alle in das Geschäft involvierten Parteien und betroffenen Personen äußern sich. Stuttgarts Sportdirektor Fredi Bobic verkündet direkt, dass Leno 2012 sehr wohl wieder im Ländle weilen wird und auch Leverkusens Holzhäuser mahnt, dass man bei all dem Leno-Hype René Adler nicht vergessen dürfe.
Gleichzeitig zu all dem Ballyhoo abseits des Platzes beginnt nun der rasante Sinkflug des Vizemeisters. Im rheinischen Derby gegen den 1. FC Köln wird Bayer mit 1:4 abgeschossen, Leno macht keine gute Figur und wirkt verkrampft. Wo zuvor Lobeshymnen geschmettert wurden, gibt es jetzt knallharte Kritik. Auch in der Woche darauf bleibt Bayer beim FC Bayern München chancenlos und geht mit 0:3 unter. Die Ernüchterung ist den Verantwortlichen bei Bayer deutlich anzumerken. "Wenn du hier nach 20 Minuten 0:2 zurückliegst, dann musst du Schadensbegrenzung betreiben, sonst kann es auch ein 0:6 werden", so Sportdirektor Rudi Völler.
Nach nahezu perfekten Wochen durchläuft Leno nun also sein erstes tiefes Tal mit Leverkusen. Das ständige Rumoren bezüglich seiner Zukunft hat die Ruhe abgelöst, und Leno scheint in der Realität der Bundesliga angekommen. Damit hat der Youngster in knapp acht Wochen alles erlebt, was das Stimmungsbarometer der Bundesliga zu bieten hat, und es stellt sich die Frage, wie geht es weiter?
Die Antwort darauf gibt es bereits am Mittwoch in der UEFA Champions League, wenn Leno und Leverkusen vor heimischem Publikum gegen den belgischen Meister KRC Genk antreten.