Der Meister und sein Lehrling

Selbstvertrauen ist etwas, an dem es José Mourinho noch nie gemangelt hat. Davon hat der Trainer des FC Internazionale Milano mehr als jeder andere. Dieses Selbstvertrauen hat ihm ein Mann gegeben, gegen den er am Samstag mit seiner Mannschaft im Endspiel der UEFA Champions League antritt: Louis Van Gaal, Trainer des FC Bayern München.

Van Gaal verstand schnell, als er 1997 Sir Bobby Robson als Coach des FC Barcelona ablöste, dass der Assistent des englischen Trainers etwas Besonderes war. Mourinho hatte unter Robson erste Schritte als Trainer gemacht, nachdem er ihm ursprünglich als Übersetzer bei Sporting Club de Portugal zu Seite gestanden hatte, ehe er ihm zum FC Porto und dann nach Barcelona folgte. Als Robson den katalanischen Verein verließ, nahm van Gaal den ambitionierten Portugiesen unter seine Fittiche.

Mourinho hatte eigentlich andere Ideen, aber nach einem Machtwort des Niederländers blieb er im Camp Nou. "Als ich mit ihm darüber sprach, als Assistenztrainer nach Portugal zu Benfica gehen zu wollen, sagte er: 'Nein, du gehst nicht. Du gehst, wenn du Cheftrainer werden kannst, aber nicht Assistenztrainer. Sag das Benfica. Wenn sie einen ersten Trainer suchen, dann gehst du, wenn sie einen zweiten Trainer suchen, dann bleibst du'", sagte Mourinho gegenüber UEFA.com.

Mourinho sollte seine Entscheidung, in Spanien geblieben zu sein, nicht bedauern. "Van Gaal ist eine sehr selbstbewusste Person, und in dem Moment, wenn ein Trainer wie ich jung ist, dann ist Selbstvertrauen sehr wichtig. Manchmal übergab er mir die Verantwortung als Trainer der Mannschaft. In Freundschaftsspielen, in Spielen der Copa Cataluña. Er sagte zu mir: 'Ich gehe auf die Tribüne, du übernimmst die Mannschaft.' Er war sehr wichtig in meiner Entwicklung."

Van Gaal fügte hinzu: "Er war damals sehr zurückhaltend. Es war schön, seine Entwicklung zu sehen, zu sehen, dass er eine solche Persönlichkeit geworden ist. Ich wusste, dass er in der Lage sein würde, mir zu helfen, weil er so leidenschaftlich war. Er stellte schnell fest, dass ich ihn vorwärts brachte. Ich denke, dass ich ihn ein wenig erzogen habe. Ich konnte sofort erkennen, dass er Spielverständnis hat." Nicht, dass Mourinho van Gaal sklavisch gefolgt wäre. "Er trainierte, um zu gewinnen. Ich trainierte, um schönen Fußball zu spielen und zu gewinnen. Mein Weg ist schwieriger", sagte van Gaal.

Das Duo hätte sich damals aber wohl kaum vorstellen können, dass sie sich eines Tages im Endspiel der UEFA Champions League gegenüberstehen würden. Nun will der Lehrling den Meister schlagen. "Zuletzt waren wir 2000 zusammen", sagte Mourinho. "Wir sprechen von einer Zeit, die zehn Jahre her ist. Natürlich ist er jetzt eine andere Person. Aber er ist ein großartiger Trainer und er ist ein guter Mensch. Und das hat sich nicht geändert."

Van Gaal hat bereits die UEFA Champions League gewonnen - 1995 mit dem AFC Ajax, als beide noch zusammen arbeiteten. Nun treffen sie sich auf Augenhöhe wieder, denn Mourinho holte den Pokal 2004 mit Porto. Unabhängig davon, wer in Madrid siegen wird, er wird nach Ottmar Hitzfeld und Ernst Happel der erste dritte Trainer sein, der mit zwei verschiedenen Vereinen den Pokal der europäischen Meistervereine gewonnen hat.

"Früher oder später werde ich zu dieser Gruppe gehören, weil ich ein sehr junger Trainer bin", sagte der 47-jährige Mourinho. "Ich hoffe, Gott gibt mir die Kondition, dies zu schaffen. Aber ich hoffe, dass ich noch 20 oder mehr Jahre Trainer sein werde. Früher oder später werde ich es schaffen, aber ich würde lieber in ein paar Wochen dort sein als in ein paar Jahren. Nicht, weil ich in diese privilegierte Gruppe in der Geschichte des Fußballs will, sondern weil ich es mit diesen Spielern schaffen will, mit diesem Verein, mit diesen Fans. Ich würde es gern jetzt machen. Allein wegen der Umstände, weil dieser Pokal lange Zeit nicht gewonnen wurde."

Van Gaal ist nicht der einzige Gegner am Samstag, den Mourinho gut kennt. Arjen Robben gewann 2005 und 2006 unter dem portugiesischen Trainer die Premier League, und nun muss er sich darauf einstellen, dass ihm genauso viel Beachtung geschenkt wird, wie bei Inters Halbfinaltriumph über Titelverteidiger FC Barcelona Lionel Messi zuteil wurde. "Messi ist Messi, aber wenn Arjen vier, fünf oder sechs Monate am Stück spielen kann, ist er ein unglaublicher Spieler. Er ist ein Spieler, über den man sich Gedanken machen muss, aber ich werde den Weg, wie ich Fußball spielen lasse, nicht ändern. Wie Messi oder [Cristiano] Ronaldo ist er ein Spieler, der viel unterwegs ist. Er ist kein Spieler, bei dem man sagen kann: Er spielt immer im gleichen Bereich oder er spielt immer gegen den gleichen Gegner. Unsere Abwehr ist auf Raumdeckung eingestellt. Das werden wir nicht ändern. Und natürlich, auf der Position, auf der Arjen spielt, muss man doppelt aufpassen, weil er ein super Spieler ist."

Mourinho glaubt, dass es nicht nur die Klasse seiner Spieler ist, die Inter bis ins Finale gebracht hat, sondern vor allem die Einstellung seiner Schützlinge, individuelle Befindlichkeiten den Zielen der Gruppe unterzuordnen. "Die Gruppe ist wichtiger als jeder von uns", sagte er. "Samuel Eto'o ist ein großartiges Beispiel. Natürlich ist er ein Spieler mit einer besonderen Stellung. Natürlich ist er ein offensiver Spieler. Aber wenn die Mannschaft Probleme hat und ihn braucht, war er immer als Erster zur Stelle. Und wenn man diese Art von Spielern in einer Gruppe hat, die einen großen Status haben, die aber in der Lange sind, dies zu tun, dann ist es einfach, eine Führungspersönlichkeit zu sein." Am Samstag kommt es drauf an zu zeigen, wer aus seinen Spielern die bessere Mannschaft geformt hat. Lehrling Mourinho oder Meister van Gaal.