Messi bleibt cool bis in die Haarspitzen
Donnerstag, 15. April 2010
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Wenn man Lionel Messi nach Vergleichen mit Diego Maradona fragt, werden seine Augen ganz glasig. Aber in einem wichtigen Punkt hat der Youngster bewiesen, dass er Maradona bereits voraus ist - Temperament.
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Für Lionel Messi läuft gerade alles nach Plan. Er nutzt sein Talent auf dem Platz immer besser aus, reift als Mensch, und ist seit geraumer Zeit in einer festen Beziehung. Das führt auch dazu, dass er mit den Medien immer besser zurecht kommt, ihnen lockerer und humorvoller gegenüber tritt.
Aber bei einer bestimmten Frage werden seine Augen immer noch glasig, die Stimmung unterkühlt, und man kann die Sekunden zählen, bevor der Stürmer des FC Barcelona aufsteht und den Raum verlässt. Sollte der Interviewer töricht genug sein, den 22-Jährigen in die leidige Diskussion locken zu wollen, ob Diego Maradona oder er der beste Fußballer aller Zeiten sei, dann setzt es ein verbales Dribbling, und man sieht nur noch die Hacken des Argentiniers. Wenn Sie nicht wissen, wie das aussieht, fragen Sie die Verteidiger der Priméra Divison. Ihnen geht es jede Woche aufs Neue so.
Objektiv betrachtet fällt auf, dass Messi dem ehemaligen Superstar Maradona in einem ganz entscheidenden Punkt überlegen ist - dem Temperament. Selbstverständlich hat das Wunderkind auch auf dem Platz schon einmal Gift und Galle gespuckt, Beweis hierfür ist seine Rote Karte, die er vor fünf Jahren bei seinem internationalen Debüt nach 90 Sekunden kassiert hat - aber er kann diese Ausbrüche kontrollieren.
"Tief in meinem Inneren besitze ich die Fähigkeit, mit solchen Tiefschlägen zurecht zu kommen und mich komplett auf das Gewinnen zu konzentrieren," erklärte die Nummer 10 gegenüber UEFA.com. "Ich hatte schon immer die Fähigkeit, einfach aufzustehen und weiterzumachen." Auch wenn der Umgang mit der Kleinwüchsigkeit Messis härtester Kampf war, die Ruhe zu bewahren ist ebenfalls eine fortwährende Willensfrage für den Regisseur, der in der spanischen Liga und der UEFA Champions League nahezu alle 30 Minuten gefoult wird. Anfang April wurden 94 Fouls in 37 Spielen verzeichnet.
In dieser Zeitspanne gab es 27 Gelbe Karten gegen Spieler, die ihn auf unfaire Weise stoppten. Das passiert nun mal, wenn eine nicht zu stoppende Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft. Bislang legt Messi eine beachtliche Selbstbeherrschung an den Tag und verzichtet auf Revanche-Fouls. Im Ligabetrieb sieht er ungefähr alle zehn Spiele eine Gelbe Karte und laut Statistik verursacht weniger als ein Foul pro Partie.
"Ich habe sehr früh verstanden, dass es auf meiner Position und mit der Art und Weise wie ich spiele, dazugehört, dass andere Spieler versuchen mich zu foulen", erklärt der argentinische Nationalspieler. "Zu Beginn eines Spiels, wenn man noch nicht so richtig warm ist, da schmerzt es ein wenig mehr. Aber sobald die Partie in vollem Gange ist, konzentriert man sich so sehr darauf das Spiel zu gewinnen, dass man kaum merkt, was passiert ist."
Wer seine Karriere bereits seit seiner Zeit in der Reserve Barcelonas verfolgt, dem wird das stetig gewachsene Selbstvertrauen und die größere Reife noch deutlicher auffallen. Man kann sich noch gut an den extrem verletzten Stolz des Stürmers erinnern, als ihm ein Platz in Barcelonas Team beim Finale der UEFA Champions League gegen Arsenal FC in der Saison 2006 verwehrt wurde. Messi war der Ansicht, er hätte sich nach seiner Verletzung vollständig erholt, aber das sahen Trainer und Ärzte anders. Nach dem Sieg Barcelonas enthielt sich der trotzige Teenager auch allen Feierlichkeiten und blieb seinen tanzenden Teamkameraden nebst Pokal auf dem Platz fern.
Wie er UEFA.com erzählt, nervt ihn dieses Thema aber langsam: "Es war ein Fehler, mir ist einfach das Blut zu Kopf geschossen. Aber ich habe verstanden, dass ich den Moment nutzen muss, wenn er sich bietet." Und als er sich dann letzten Mai im Finale gegen Manchester United FC bot, griff Messi zu. Nicht nur, dass er seine Torflaute gegen englische Vereine in einem Pflichtspiel beendete, ihm gelang auch noch der entscheidende Kopfballtreffer zum 2:0 in Rom.
Hinzu kommt das immens gewachsene Selbstbewusstsein eines jungen Mannes, der früher so schüchtern war, dass Cesc Fabregas die Anekdote erzählt: "Früher dachten wir, er wäre stumm." Während der siegestrunkenen Feierlichkeiten zur spanischen Meisterschaft im Camp Nou nutzte Messi die Gelegenheit hinter dem Mikrofon, um die 98.000 Fans an die schwere Zeit nach der Verletzung von Teamkollege Gabriel Milito zu erinnern. Seine Stimme war laut und kräftig und die Botschaft erwachsen.
Nachdem er mit der Trophäe der UEFA Champions League in das Stadion zurückkehrte, war sein Auftritt hinter dem Mikrofon schon etwas wackliger. Etwas verständlich, nach einem langen und durstigen Tag auf dem Doppeldecker-Bus in den Straßen Barcelonas. Während des Triumphzugs wurde ein tanzender Messi gefilmt, der vor seinen verwunderten Teamkollegen verspricht: "Wir werden diese Titel alle wieder gewinnen." Von jedem anderen Spieler wäre solch eine Aussage als Fehler oder eine dumme Prahlerei betrachtet worden, aber wenn man etwas bei diesem gereiften Genie gelernt hat, dann, dass er es damit ernst meint. Und dass er dazu auch in der Lage ist, denn so gut ist Messi.