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Van Gaal geht seinen Weg

In den ersten Monaten seiner Amtszeit beim FC Bayern München schien Louis van Gaal eine Fehlbesetzung auf dem Trainerstuhl zu sein, heute liegen ihm Fans und Medien zu Füßen.

Knorrig, kauzig, erfolgreich: Bayern-Coach Louis Van Gaal
Knorrig, kauzig, erfolgreich: Bayern-Coach Louis Van Gaal ©Getty Images

In den ersten Monaten seiner Amtszeit beim FC Bayern München schien Louis van Gaal eine Fehlbesetzung auf dem Trainerstuhl zu sein. Presse und so genannte Fachleute warfen dem Niederländer vor, zu autoritär mit den Spielern umzugehen und ihnen so das Selbstbewusstsein zu nehmen. Die mageren Ergebnisse schienen den Kritikern Recht zu geben. Ohne die oft verletzten Franck Ribéry und Arjen Robben hinkten die Bayern hinter Spitzenreiter Bayer 04 Leverkusen her und standen in der Gruppenphase der UEFA Champions League schon vor dem blamablen Aus.

Doch ein paar Monate später sieht die Bayern-Welt plötzlich ganz anders aus. Der deutsche Rekordmeister steht dicht vor seinem 22. Meistertitel, hat das Endspiel im DFB-Pokal erreicht und setzte sich in einem dramatischen Viertelfinale der europäischen Königsklasse gegen das scheinbar unschlagbare Manchester United FC durch. Wieder einmal hat der ehemalige Trainer des AFC Ajax und des FC Barcelona scheinbar Unmögliches möglich gemacht.

Wendepunkt einer kuriosen Saison war für die Bayern der grandiose 4:1-Triumph im abschließenden Gruppenspiel bei Juventus. Trotz zweier Niederlagen gegen den FC Girondins de Bordeaux schafften die Münchner so gerade noch den Einzug ins Achtelfinale. Van Gaal selbst scheint über diese plötzliche Wende am wenigsten überrascht, für ihn war es immer entscheidend, dass seine Spieler seine Philosophie verinnerlichen.

"Die Spieler mussten sich erst an meine Arbeitsweise gewöhnen", erklärte der 58-Jährige in einem Interview mit UEFA.com. "Ich verlange von ihnen, dass sie ihr Gehirn benutzen, weil ich glaube, dass Fußball vor allem im Kopf entschieden wird. Ich bin sehr direkt und emotional und korrigiere sie sofort."

Van Gaals etwas oberlehrerhafter Ansatz ist schon länger bekannt. Der in Amsterdam geborene Trainer kombinierte seine aktive Laufbahn als kreativer Mittelfeldspieler bei Royal Antwerp FC, Stormvogels Telstar, Sparta Rotterdam und AZ Alkmaar schon frühzeitig mit seinem zweiten Beruf als Gymnasiums-Lehrer. Für ihn haben der Trainer- und der Lehrerjob viele Gemeinsamkeiten.

"Du versuchst den Schülern auf eine bestimmte Art und Weise, etwas beizubringen und setzt dazu auch bestimmte Aspekte deines Charakters ein", erklärt Van Gaal. "Mit Fußballern ist es genau dasselbe. Vielleicht habe ich als Lehrer zu großen Wert auf Leistung gelegt. Aber ich bin ein Leistungs-Fetischist. Deshalb wollte ich auch im Sport arbeiten."

In den ersten Monaten bei den Bayern wurde ihm von den deutschen Medien vorgeworfen, er würge die Kreativität seiner Spieler durch zu viele taktische Zwänge ab. Immer wieder wurde auf seine Vergangenheit als Lehrer hingewiesen, unterschwellig hieß dies: sein pädagogischer Ansatz sei für Profifußballer völlig ungeeignet. Van Gaal ließ sich dadurch jedoch nicht aus der Ruhe bringen. "Die Medien wissen, dass du Lehrer warst und stecken dich schnell in eine Schublade", sagte er. "Ich bin kein Schulmeister."

Dies unterstrich der oft knurrig wirkende Niederländer durch seine erstaunliche Flexibilität in den letzten Monaten. Als er realisierte, dass seine Spieler mit seinen Methoden überfordert waren, zeigte er sein zweites Gesicht und ermunterte sie sogar, auf dem Platz mehr Verantwortung zu übernehmen.

"Ich musste meine Art der Kommunikation ändern", meinte Van Gaal. "Zuerst glaubten die Spieler, sie müssten meine Anweisungen buchstabengetreu ausführen. Dabei sollten sie sie in verschiedenen Situationen an die jeweiligen Notwendigkeiten anpassen. Es war ein unglücklicher Start, doch ich habe meine Teamansprachen geändert und nun läuft es besser."

Für die Bayern hat es sich in jedem Fall ausgezahlt, etwas Geduld zu zeigen, denn die Qualitäten von Van Gaal sind ja unumstritten, dies beweist alleine ein Blick auf seine Erfolge. Mit Ajax gewann er den UEFA-Pokal und die UEFA Champions League, mit Barcelona holte er zweimal die Meisterschaft. Letzte Saison schließlich triumphierte er mit AZ Alkmaar in der Eredivisie. Für ihn war es der vierte Meistertitel in seiner Heimat, für AZ der erste seit 28 Jahren.

Kurioserweise hat Van Gaal einige Verbindungen zu seinen Konkurrenten in der Königsklasse. FC Internazionale Milanos Trainer José Mourinho war Van Gaals Assistent in Barcelona, der heutige Trainer der Katalanen, Josep Guardiola, ist ein weiterer Protegé, er führte Van Gaals Mannschaft 1999/2000 als Kapitän ins Halbfinale der UEFA Champions League. Übrigens sind Van Gaal und Mourinho die einzigen Trainer, die mit drei verschiedenen Klubs das Halbfinale der Königsklasse erreicht haben.

Patrick Kluivert nennt Van Gaal "den wichtigsten Mann in meiner Karriere", Bayerns Kapitän Mark van Bommel gesteht, es sei "eine Freude, mit ihm zu arbeiten". Der 32-Jährige Mittelfeldspieler, der schon in der Nationalmannschaft unter Van Gaal gespielt hat, sagte: "Er ist sehr klar und fordert viel, die Mannschaft kommt bei ihm immer an erster Stelle. Er hat exakt das, was ein Trainer braucht, um Erfolg zu haben."

Auch dank der Taktik von Van Gaal stehen die Bayern erstmals seit 2001 wieder im Halbfinale der UEFA Champions League. "Das taktische Geschick einer Mannschaft ist das Wichtigste überhaupt", betont er. "Bayern ist ein großer Klub, aber Teams wie Barcelona und Chelsea FC können es sich leisten, nahezu jeden Spieler zu kaufen. Wir dagegen versuchen, eine sehr gute Mannschaft aufzubauen." Halbfinalgegner Olympique Lyonnais dürfte gewarnt sein.