Lehmann, der Held von Highbury
Dienstag, 16. Mai 2006
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Der deutsche Nationaltorhüter in Diensten von Arsenal hat in dieser Saison in der UEFA Champions League noch kein einziges Gegentor hinnehmen müssen.
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Ältere englische Fußballfans kennen den Spruch "Boring, boring Arsenal" noch sehr genau. Unter George Graham, einem Vorgänger von Arsène Wenger, war Arsenal FC der Meister der 1:0-Siege.
Ein begeisternder Torhüter
Seit die französische Revolution jedoch den kontinentalen Elan nach London gebracht hat, ist Langeweile etwas, was man den Gunners auf keinen Fall vorwerfen kann. Meistens war es sogar ihr Anspruch, die Leute zu unterhalten, bis sie schließlich auf den charismatischen Jens Lehmann als Nummer 1 setzten. In seiner dritten Saison bei Arsenal wurde aus dem Wackelkandidaten eindeutig der Held von Highbury. Dazu trug vor allem sein gehaltener Elfmeter in der letzten Minute im packenden UEFA Champions League-Halbfinale gegen Villareal CF bei, der dem Klub das Tor zum Finale öffnete.
"Wir lieben ihn"
Als er den Elfmeter von Juan Román Riquelme im El Madrigal halten konnte, war die immer wieder aufkommende Kritik an seinem manchmal hochmütigen Stil endgültig verstummt. Bezeichnend dafür ist die Aussage seines Kapitäns Thierry Henry: "Jens hat dieses Jahr sehr konstant gespielt. Natürlich gab es die ein oder andere verrückte Aktion, aber wir lieben ihn einfach." Oliver Kahn als Nummer 1 aus der deutschen Nationalmannschaft zu verdrängen beweist auch, dass hinter Lehmanns verrückten Aktionen durchaus eine Strategie steht. Zudem erkennt man anhand der Tatsache, dass Arsenal mit Lehmann zwischen den Pfosten in zehn Spielen in Folge kein Gegentor kassierte, wie viel Selbstvertrauen er seiner Mannschaft gegeben hat.
Das Glück lächelt dem Sieger zu
Noch immer ist es der parierte Strafstoß gegen Villareal, mit dem der Torhüter für Schlagzeilen sorgt. Lehmann sagte: "Es ist halt so passiert, dass der Schiedsrichter diesen Elfmeter gab und ich daraufhin zu mir sagte: Eigentlich bin ich hierher gekommen um kein Gegentor zu kassieren, und jetzt brauche ich wahrscheinlich eine Mischung aus Intuition und Glück. Ich war etwas überrascht, wie lang es dauerte bis der Elfmeter ausgeführt werden konnte und wusste daher nicht, was ich machen sollte. Deswegen bin ich etwas gehüpft - nach vorne, nach hinten und zur Seite. Letztendlich war ich froh, als er sich den Ball schnappte und anlief. Manchmal will es eben der Zufall, dass man einige glückliche Momente im Leben hat."
Noch nicht vorbei
Wahrscheinlich liegt es an seiner etwas ernsten Art, dass Lehmann den gehaltenen Elfmeter nicht feiern wollte, bevor das Spiel abgepfiffen wurde. "Das Spiel war noch nicht vorbei, und ich mag es nicht, Elfmeter zu feiern, obwohl noch nichts entschieden ist", sagte er. "Entschieden war das Spiel erst einige Minuten später, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht." Dieser gehaltene Ball war der Höhepunkt von Lehmanns Rückkehr zwischen die Pfosten, nachdem er in der Vorsaison aufgrund schwankender Leistungen zur Nummer 2 hinter Manuel Almunia degradiert wurde. Als der Spanier dann ebenfalls eine Formkrise hatte, ergriff der Deutsche seine Chance und holte sich die Nummer 1 wieder zurück. "Ich spielte nur durchschnittlich und der Trainer warf mich deswegen aus der Mannschaft", erinnerte er sich. "Es war eine schwere Zeit. Ich musste mir überlegen, ob ich den Klub verlassen soll. Aber meine Familie hatte sich hier gut eingelebt und wir wollten alle bleiben."
"Job noch nicht erledigt"
Die Entscheidung durchzuhalten hat sich ausgezahlt, und nun hat Lehmann die Chance, Arsenal zum ersten europäischen Titel zu verhelfen. Allerdings hat ihn die Euphorie dieses Ereignisses noch nicht ergriffen. "Ich bin total fixiert auf dieses Spiel. Ich denke, es ist besser, mich erst nach dem Finale nach meinen Gefühlen zu fragen", sagte er, "denn der Job ist noch nicht erledigt."