Meisterschaft ist das neue Ziel

Von Adrian Harte

In den letzten zwei Jahrzehnten mussten die Anhänger von Liverpool FC in den Erfolgen in der Vergangenheit schwelgen. In den 70ern und 80ern war Liverpool Europas Nummer eins und hatte anscheinend ein Abonnement auf die englische Meisterschaft.

Sporadischer Erfolg
Seit dem vierten Triumph im Pokal der europäischen Meistervereine 1984 und der 18. englischen Meisterschaft 1990 gab es nur noch sporadische Erfolge. Das sensationelle Pokal-Triple im Jahr 2001 schien dabei nur so etwas wie eine Eintagsfliege zu sein. Allerdings glaubten schon vor der außergewöhnlichen Partie am Mittwoch viele der Fans, Parallelen zu den Erfolgen der Vergangenheit zu sehen.

Geschichte wiederholt sich
Sowohl im Jahr 1978 als auch 2005 verstarb ein Papst, Wales' Rugby-Nationalmannschaft gewann den Grand Slam, Juventus FC wurde italienischer Meister, Liverpool unterlag im Finale des Liga-Pokals gegen den englischen Meister, und, natürlich, die Reds holten sich den Europapokal. Sowohl 1981 als auch 2005 belegte Liverpool am Saisonende mit lediglich 17 Siegen nur den fünften Tabellenplatz in der englischen Liga, Prinz Charles hat geheiratet, Norwich City FC und Southampton FC sind in die zweite Liga abgestiegen und Liverpool hat wieder den Europapokal gewonnen.

Konzentration auf die Zukunft
Mit dem weiteren Triumph in Europas Königsklasse können die Fans beruhigt in die Zukunft blicken. Das Hauptaugenmerk wird dabei sein, die dürftigen Leistungen in der Premiership zu verbessern. An der Merseyside hat der Erfolg in der Liga immer erste Priorität.

Liga ist der Maßstab
Der frühere Kapitän Alan Hansen, der mittlerweile Medienexperte ist, erinnert sich: "Ungefähr 40 Minuten nach dem Schlusspfiff des Europapokalfinales 1978 saß ich mit einem Glas Champagner im Umkleideraum in Wembley und dachte, dass das Leben nicht schöner sein könnte. Dann hörte ich die Stimme von [Trainer und späterem Manager] Joe Fagan in meinen Ohren, der meinte, dass unsere Leistungen im Verlauf der Saison nicht akzeptabel waren. Wir sind hinter Nottingham Forest [FC] nur Vizemeister geworden, und das war unser Maßstab."

"Einiges ändern"
Für Rafael Benítez war der fünfte Rang in diesem Jahr ähnlich enttäuschend. "Ich will zwar die [UEFA] Champions League gewinnen, aber ebenfalls um die Meisterschaft in der Premiership mitkämpfen", sagte der Trainer der Reds, der das hektischere Tempo im englischen Fußball als Ursache für die Probleme seiner Mannschaft ausgemacht hat. "Ich bin nicht zufrieden. Im Sommer müssen wir Einiges ändern."

Personelle Veränderungen
Zwei der Helden vom Mittwoch, Jerzy Dudek und Vladimír Šmicer, haben dabei zugleich ihr letztes Spiel für den Klub bestritten. Milan Baroš, Harry Kewell, Igor Bišcan und Chris Kirkland könnten den Beiden noch folgen. Außerdem läuft der Vertrag des Deutschen Dietmar Hamann, mit dem in Istanbul die Wende kam, aus. Erster Neuzugang an der Anfield Road ist Torhüter José Reina von Villarreal CF. Dazu sucht Benítez noch nach einem schnellen Innenverteidiger, einem Linksverteidiger, einem Mittelfeldspieler und einem weiteren Stürmer, die alle in Liverpools knappen Finanzrahmen passen.

Suche nach Geldquellen
Liverpool kann in England mit den superreichen Chelsea FC und Manchester United FC finanziell nicht mehr mithalten. Dazu ist auch der jährliche Etat von Finalgegner AC Milan sechs Mal höher. Liverpool lässt durch den Finanzberater Hawkpoint fieberhaft nach neuen Geldquellen suchen. Ein Umzug von der ruhmreichen Anfield Road in ein Stadion mit 60.000 Plätzen, wodurch die Reds finanziell etwas aufholen könnten, scheitert an den explodierenden Kosten.

Großer Triumph
Dank des Geldregens nach dem Gewinn der europäischen Königsklasse ist der größte finanzielle Druck erst einmal weg. Auf jeden Fall haben die Liverpool-Fans nach dem Triumph im 50. Europapokal-Endspiel erkannt, dass sich seit dem ersten Finale nicht viel verändert hat: am Ende zählt nicht das Geld, sondern der Erfolg.