Real wieder auf Höhenflug?

Von Graham Hunter

Das lauteste Geräusch, das man am Ende des sechsten Spieltags rund um das Stadio Olimpico in Rom hören konnte, war ein Stoßseufzer der Erleichterung aus dem fernen Madrid.

Kostspielige Investitionen
Die Erleichterung war insbesondere bei den Designern von Real Madrid CFs "Puerta 57"-Restaurant zu spüren, das in den kommenden Tagen im Santiago Bernabéu-Stadion eröffnet wird, und das, im Stil der Planet Hollywood-Kette mit wertvollen Erinnerungsstücken dekoriert, zwei Millionen Euro pro Saison einbringen soll. Erleichtert waren auch die Bauspezialisten, die mit der Konstruktion eines gewaltigen Schiebedachs im Bernabéu beauftragt sind, das in vier Jahren das Stadion überdachen soll - eine Investition in Höhe von 25 Millionen Euro.

Qualifikation besiegelt
Vielleicht war unter den Seufzern auch das Aufatmen der Marketingabteilung zu vernehmen, die unter der Leitung von Klubdirektor José Ángel Sánchez einen Klub, der im Jahr 2001 noch mit 156 Millionen Euro verschuldet war, schuldenfrei machte, und der nun für die Saison 2004/05 ein Budget von 300 Millionen Euro zur Verfügung hat. Als also mit dem 3:0-Sieg über AS Roma die Achtelfinalteilnahme endlich in trockenen Tüchern war, war in dem Scirocco-Wind, der aus Madrid herüberwehte, grenzenlose, finanziell bedingte, Erleichterung zu spüren.

Wahres Ziel
Doch vielleicht haben die waghalsigen Finanztransaktionen von Präsident Florentino Pérez ein wenig vom wahren Kern des Madrider Kernziels abgelenkt - es geht nicht nur darum, Geld zu machen, sondern vor allem darum, wieder die Champions League zu gewinnen.

Große Anhängerschaft
Auch die geschätzten 490 Millionen Real-Anhänger in der ganzen Welt - wie kürzlich eine Studie des Marktforschungsinstituts SportUndMarkt ergab - waren sichtlich erleichtert. Wenn Madrid also des finanziellen Drucks und der eigenen Eitelkeit als Motivationsgrund bedurfte, um in Europas prestigeträchtigstem Wettbewerb zu verweilen, so ist es keinesfalls unverschämt gegenüber den anderen Klubs, zu behaupten, dass auch Europa Madrid braucht.

Visitenkarte öffnet Türen
Fußballliebhaber und -romantiker auf der ganzen Welt hätten sich sicherlich gefreut, wenn beispielsweise der FC Dynamo Kyiv ins Achtelfinale eingezogen wäre. Doch die Visitenkarte mit dem Vermerk "Real Madrid, neunfacher Europapokalgewinner" öffnet automatisch die Tür zu den exklusivsten Partys.

Recht erworben
Die Mannschaft von Mariano García Remón musste sich das Recht zum Verbleib in der Champions League schwer erkämpfen - auf diesem Niveau gibt es keine Geschenke. Niemand, dem die Königsklasse der beliebtesten Sportart der Welt am Herzen liegt, konnte sich aber allen Ernstes wünschen, dass dieses Turnier schon so früh ohne die Königlichen weitergeht.

Diskussionen über Madrids Politik
In letzter Zeit gab es viele Diskussionen über die Effizienz der "Zidane und Pavón"-Politik, also die Mischung von Superstars und Nachwuchsspielern. Die Tatsache, dass der Klub vergangene Saison, bis auf den spanischen Superpokal, keinen Titel gewonnen hat, war sehr schmerzvoll. Und darin liegt vielleicht auch der Grund, warum die Mannschaft in letzter Zeit eine furiose Berg- und Talfahrt erlebt hat.

Stars sind nur Menschen
Einige Schlüsselspieler haben behauptet, dass ein Sieg in Rom das Sprungbrett zum Gewinn der Champions League oder der Primera División sein werde - oder beides. Vielleicht hat aber die große Vermarktungskraft der "Galaktischen" einige Menschen vergessen lassen, dass auch Ronaldo, Zinedine Zidane und Raúl González nur Menschen sind, die auch mal müde sind oder an Selbstzweifeln leiden.

Enorm viel Selbstbewusstsein
Das Resultat von Rom wird, trotz des unterirdischen Gegners, der Mannschaft neues Selbstbewusstsein geben. Zudem dürfte es im Januar wieder einmal die üblichen Neuverpflichtungen geben. Vielleicht kann Real dann endlich den eigenen Ansprüchen gerecht werden, abschreiben sollte man Madrid jedenfalls noch nicht so schnell, das beweist alleine die Geschichte.