Die größten Teams aller Zeiten: Ungarn 1950–56
Montag, 15. Juni 2015
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Die ungarische Wunderelf, die im Kommunismus entstand, war der Vorbote des "Fußball total". Sie dominierte die 1950er-Jahre, verlor zu jener Zeit nur ein Spiel - das wichtigste.
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UEFA.com analysiert die Mannschaften, die den Fußball verändert haben. Diesmal ist die ungarische Wunderelf dran, ein Team, das in den 50er-Jahren als nahezu unschlagbar galt.
Das goldene Zeitalter
Das 5:2 im April 1949 gegen die Tschechoslowakei deutete schon an, was künftig vom ungarischen Fußball zu erwarten war. Der gerade zum Trainer der Nationalelf berufene Gusztáv Sebes ließ die alteingesessenen Stars links liegen und baute auf die Jugend, auf Spieler wie Sándor Kocsis und Zoltán Czibor.
Innerhalb eines Jahres hatte sich eine beeindruckende Mannschaft gefunden, die vor allem von taktischen Neuerungen profitierte. Die ungarische Wunderelf war geboren. Zwischen dem Juni 1950 und dem Februar 1956 gab es für die Ungarn in 50 Spielen nur eine Niederlage, und diese ausgerechnet im Finale der FIFA-WM 1954 gegen Deutschland, was aus deutscher Sicht wiederum zum Wunder von Bern wurde.
In dieser Zeit wurden 42 Partien gewonnen. Zwischen dem Sieg gegen die Tschechoslowakei und dem Juli 1957 stellte Ungarn einen Weltrekord auf, denn in jedem der 73 Begegnungen schossen sie zumindest einen Treffer. Dafür verantwortlich waren vor allem Ferenc Puskás, Nándor Hidegkuti und Kocsis, während die im Ausland lebenden Spieler László Kubala und István Nyers nicht eingesetzt wurden.
Die Wachablösung
Die ungarische Wunderelf veränderte die fußballerische Landkarte. Das 6:0 im olympischen Halbfinale gegen "Titelverteidiger" Schweden war ein echtes Statement, während sie mit einem 3:0 in Rom gegen Italien den Vorläufer der Europameisterschaft gewannen, den Europapokal der Fußballnationalmannschaften.
Aber der alles überragende Moment war möglicherweise das "Spiel des Jahrhundert" 1953 im Wembley-Stadion, als Ungarn mit einem 6:3 die erste nichtbritische Mannschaft wurde, die England in dessen Stadion bezwang.
Neue Spielphilosophie
Sebes führte eine radikale Variante der sogenannten WM-Formation ein, in der es nötigenfalls eine hängende Spitze und Flügelspieler gab, die sich ins Mittelfeld zurückfallen lassen konnten, um ein flexibles 2-3-3-2 zu kreieren. Puskás sagte später: "Wenn wir angriffen, hat jeder angegriffen, und in der Abwehr war das auch so. Wir waren der Prototyp des 'Fußball total'."
Die kommunistische Sportpolitik wollte es so, dass die meisten Nationalspieler, die nicht schon für eine der beiden Topteams spielten, also für Budapest Honvéd FC und MTK Budapest, dorthin beordert wurden, sodass Nationalspieler gleichzeitig auch Vereinskollegen waren. Ungarn bestritt eine Unzahl von Spielen gegen Mannschaften aus dem eigenen Land, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern.
Taktische Diskussionen
Sebes, ein ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär in Budapest und Paris, war zweifellos der Kopf der Mannschaft, aber zu seinen Assistenten gehörten zeitweise auch große Namen wie Gyula Mándi, Márton Bukovi und vor allem auch Béla Guttmann, der später mit SL Benfica zweimal den Pokal der europäischen Meistervereine gewann. Taktische Diskussionen waren an der Tagesordnung, sie wurden lang und breit geführt, und in der Regel durften auch Kapitän Puskás und andere Weltklassespieler mitdiskutieren.
Die Stars
Ferenc Puskás: Mittelstürmer Puskás war 16 Jahre alt, als er erstmals in der ersten Liga spielte. In seiner Karriere erzielte er über 500 Ligatore für Honvéd und Real Madrid CF. Seine 84 Treffer in 85 Länderspielen sind nach wie vor europäische Bestleistung. Wann immer es nötig war, er traf.
József Bozsik: "Die Leute fragen mich, wer der Beste aller Zeiten ist – Pelé, Maradona oder Cruyff", sagte Puskás. "Ich sage ihnen immer, dass es Bozsik war." Dieser war ein Freund von Puskás seit Kindertagen, beide kannten sich in- und auswendig. Bozsik hatte die Vision, die Genauigkeit und den beruhigenden Einfluss, seiner Mannschaft eine Seele einzuhauchen. Er widerstand den Angeboten aus ganz Europa und ist noch heute Ungarns Rekordnationalspieler.
Nándor Hidegkuti: Der hängende Mittelstürmer Hidegkuti verstand es, Abwehrspieler von ihren Positionen wegzulocken, um Platz für Puskás und Kocsis zu schaffen. Der MTK-Star schoss selbst etliche Tore, darunter auch einen Dreierpack 1953 in Wembley. Dies waren drei seiner insgesamt 39 Treffer in 69 Spielen für die Ungarn.
Sándor Kocsis: Wegen seiner flachen Stirn wurde er auch "Koczkás" (Würfel) gerufen, seine Torjägerqualitäten können es mit denen von Puskás aufnehmen. In nur 68 Partien schoss er 75 Tore. Bei der WM 1954 wurde er mit elf Treffern Torschützenkönig.
Was sie sagen
Gyula Grosics: "Sebes war der sozialistischen Ideologie sehr verbunden. Aus jedem wichtigen Spiel oder Wettbewerb machte er eine politische Angelegenheit, und oft sprach er davon, wie der Kampf zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus auf dem Fußballplatz genauso stattfindet wie überall sonst auch."
Sir Tom Finney: "Es waren Rennpferde gegen Zugpferde [1953]. Das war die größte Nationalmannschaft, gegen die ich je gespielt habe. Wunderbar anzusehen und mit Taktiken, die ich nie zuvor gesehen hatte."
Sir Stanley Matthews: "Das war die beste Mannschaft, mit der ich es je zu tun bekommen habe. Sie waren die Besten aller Zeiten."
Brian Glanville, The Guardian: "Die Ungarn spielten tollen technischen und taktischen Fußball. Ferenc Puskás war ein dominierender Kapitän mit einem herrlichen linken Fuß, und mit Sándor Kocsis, auch bekannt als 'Goldener Kopf', bildete er die doppelte Speerspitze."