Besiegt Deutschland den Südamerika-Fluch?

Mit dem außergewöhnlichen 7:1-Erfolg im Halbfinale gegen Brasilien hat Deutschland bereits einige neue FIFA-WM-Rekorde aufgestellt; vor dem Endspiel gegen Argentinien ist der DFB-Elf aber natürlich bewusst, dass die europäische Bilanz auf südamerikanischem Boden durchaus ausbaufähig ist.

Weder 1930 in Uruguay, 1950 in Brasilien, 1962 in Chile noch 1978 in Argentinien konnte ein Team aus Europa den Titel holen, und nur bei den letzten beiden Turnieren stand eine europäische Mannschaft im Finale. UEFA.com blickt zurück auf diese Endrunden und hatte vor Beginn des Turniers mit Ioan Lupescu, dem leitenden technischen Offizier der UEFA, einen Ausblick auf Brasilien 2014 gewagt.

Bilanz von Deutschland/der Bundesrepublik Deutschland bei Endrunden außerhalb von Europa:
Uruguay 1930: Nicht dabei
Brasilien 1950: Nicht dabei
Chile 1962: Viertelfinale
Mexiko 1970: Dritter Platz
Argentinien 1978: Zweite Gruppenphase
Mexiko 1986: Vizeweltmeister
USA 1994: Viertelfinale
Südkorea/Japan 2002: Vizeweltmeister
Südafrika 2010: Dritter Platz

Uruguay 1930
Die Reise nach Uruguay war für Europäer damals noch eine logistische Herausforderung, der sich Belgien, Frankreich, Jugoslawien und Rumänien stellten. Die vier Mannschaften, die drei europäischen Schiedsrichter, FIFA-Präsident Jules Rimet und der Pokal, der 1946 seinen Namen bekommen sollte, reisten mit dem gleichen Schiff nach Südamerika.

Frankreich startete mit einem 4:1-Sieg gegen Mexiko, verlor dann aber mit 0:1 gegen Argentinien und Chile. Rumänien gewann zum Auftakt mit 3:1 gegen Peru und unterlag dann mit 0:4 gegen Uruguay, während Belgien beide Partien gegen die USA und Paraguay verlor. Bei den Jugoslawen lief es besser, sie standen nach einem 2:1 gegen Brasilien und einem 4:0 gegen Bolivien im Halbfinale. Dort kassierten sie eine 1:6-Klatsche gegen Uruguay.

Brasilien 1950
Diesmal stellte Europa sechs der 13 Endrundenteilnehmer, während Deutschland ausgeschlossen war. In der Gruppenphase gab es in den zehn Partien gegen Nicht-UEFA-Nationen insgesamt sechs Siege und zwei Unentschieden. Schweden und Spanien qualifizierten sich als Gruppensieger für die Finalrunde mit vier Teams. Dort schafften die Spanier lediglich ein 2:2 gegen Uruguay und mussten sich im Spiel um Platz drei den Schweden mit 1:3 geschlagen geben.

Chile 1962
Zehn der 16 Teilnehmer kamen aus Europa, sechs davon schafften es ins Viertelfinale. Bei den Duellen mit südamerikanischen Vertretern gab es dort für die Europäer nichts zu holen, Brasilien und Chile warfen England und die Sowjetunion raus. Die Tschechoslowakei stand nach Siegen gegen Ungarn und Jugoslawien im Finale, verlor dieses aber mit 1:3 gegen Brasilien. Die Bundesrepublik Deutschland bezwang auf dem Weg zum Gruppensieg Gastgeber Chile, verlor dann aber im Viertelfinale mit 0:1 gegen Jugoslawien.

Argentinien 1978
Wieder reisten zehn europäische Mannschaften über den Atlantik, von denen fünf die erste Gruppenphase überstanden. Ein UEFA-Finalist war damit bereits sicher, weil die Gruppe A in der zweiten Runde aus vier europäischen Teams bestand. Die Niederlande holten sich den ersten Platz und trafen im Finale auf Argentinien, wo sich die Südamerikaner nach Verlängerung durchsetzen konnten. Titelverteidiger Bundesrepublik Deutschland gewann in der Gruppenphase mit 6:0 gegen Mexiko, dazu gab es zwei torlose Unentschieden gegen Polen und Tunesien. In der zweiten Gruppenphase landete Deutschland nach einem 0:0 gegen Italien, einem 2:2 gegen die Niederlande und einer 2:3-Pleite gegen Österreich nur auf dem dritten Rang.

Brasilien 2014?
Kann Deutschland diesmal den großen Wurf landen? Ioan Lupescu, der leitende technische Offizier der UEFA, der mit Rumänien bei der WM 1994 in den USA im Viertelfinale stand, hatte vor der Endrunde gemutmaßt, dass es für die europäischen Teams nicht leicht werden würde. Er erinnerte aber auch an die WM in Südafrika vor vier Jahren, als es ein rein europäisches Endspiel zwischen Spanien und den Niederlanden gab.

"Die größte Hürde für die europäischen Mannschaften wird es sein, mit den klimatischen Bedingungen zurechtzukommen – oder genauer, mit den klimatischen Unterschieden, die es geben kann", sagte Lupescu im Gespräch mit UEFA.com. "Je nach Spielplan der Mannschaften müssen sie in verschiedenen Teilen dieses großen Landes spielen, sie könnten es dabei mit drei verschiedenen Jahreszeiten zu tun bekommen. Die Taktik könnte sich von einem Spiel zum nächsten deshalb komplett verändern. Wenn die europäischen Teams dieses Problem in den Griff bekommen, haben sie eine große Chance."

"Bei der letzten WM, die auch außerhalb Europas stattfand, standen zwei Mannschaften aus Europa im Finale", so Lupescu. "Ich denke, diese 'mentale Blockade' dürfte mittlerweile überwunden sein. Die Reise auf einen anderen Kontinent hat auch nicht mehr diese Unwägbarkeiten, die es früher gab."