Der unaufhaltsame Aufstieg von Nuri
Dienstag, 11. Oktober 2005
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Nuri Sahin deutete bei seinem spektakulären Debüt für die Türkei an, dass er das Versprechen einlösen kann, das er bei der UEFA-U17-EM gegeben hat.
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Frühreifer Knabe
Jeder, der im Mai die UEFA-U17-Europameisterschaft verfolgt hat, hatte nicht den geringsten Zweifel, dort einen Spieler gesehen zu haben, der den europäischen Fußball auf Jahre hinweg prägen kann. Erstaunlicherweise war es kein Torjäger, der die zahlreichen Späher auf der Tribüne begeisterte, sondern ein 16-Jähriger, der im Mittelfeld der Türken in unnachahmlicher Weise Regie führte, auch wenn das erste Spiel gegen Italien noch verloren ging.
Spätes Siegtor
Nuri erzielte im nächsten Spiel das späte Siegtor gegen England und war Garant für das 5:1 gegen Belarus, mit dem die Türken die nächste Runde erreichten. Zu diesem Zeitpunkt war der junge Dortmunder bereits dem technischen Beobachter der UEFA, Timo Liekoski, aufgefallen. Nuri zog im Mittelfeld die Fäden, initiierte fast alle Angriffe und schloss sie - gelegentlich - sogar selbst erfolgreich ab.
"Großartige Mannschaft"
Im Gespräch mit uefa.com strahlte Nuri vor dem Halbfinale großes Selbstbewusstsein aus: "Die Niederlage gegen Italien hat uns nicht aus der Ruhe gebracht, weil wir wussten, dass wir eine großartige Mannschaft haben und wir England und Belarus jederzeit schlagen können - und das haben wir ja auch getan."
Steile Erfolgsleiter
Bestätigt wurden Sahins selbstbewusste Töne wenig später durch den Turniersieg der Türken, doch für ihn selbst war dies nur der Anfang traumhafter Monate. Im August wurde er im Dortmunder Trikot zum jüngsten Bundesligaspieler aller Zeiten, beim Saisonauftakt beim VfL Wolfsburg war er gerade 16 Jahre und 335 Tag jung. Danach verhalf er der Türkei in Peru bei der FIFA-U17-WM zum Halbfinaleinzug und gewann den Bronzenen Ball als drittbester Turnierspieler und den Silbernen Schuh für den zweitbesten Torschützen der WM.
Dramatisches Debüt
Am Samstag schließlich durfte er in der 86. Minute des Testländerspiels der Türken gegen seine Wahlheimat Deutschland auf das Feld, wo er keine 180 Sekunden benötigte, um den Siegtreffer zu erzielen. Auch der DFB hatte ja gehofft, Nuri einmal einsetzen zu können, doch der in Lüdenscheid geborene Türke war schon vor einigen Jahren von der Zweigstelle des Türkischen Fußballverbandes, die 1998 in Deutschland gegründet worden war, entdeckt worden.
Späher beeindruckt
Der für Europa zuständige Scout der Türken, Metin Tekin, sagte: "Wir haben Nuri das erste Mal beobachtet, als er mit Dortmunds C-Team bei einem Futsal-Turnier auftrat. Er ist uns sofort aufgefallen. Als wir ihn dann auf Rasen beobachtet haben, hat seine Mannschaft zwar verloren, aber Nuri war der einzige Dortmunder, der überzeugen konnte. Danach haben wir beschlossen, ihn zu unserem Jugend-Trainingslager in der Türkei einzuladen. Nuri ist ein gut erzogener, gebildeter und sehr reifer Junge. Obwohl er erst 17 ist, hat er den Charakter eines 20-Jährigen."
Vergleiche mit Keane
Während seines Gesprächs mit uefa.com im Sommer gestand Nuri, dass es sein großer Traum sei, eines Tages in England zu spielen, als Idol bezeichnete er den jungen Portugiesen Cristiano Ronaldo. In seiner Art erinnert er allerdings eher an einen anderen Spieler von Manchester United FC, an Roy Keane. Keane steht derzeit zwar oft wegen seines überschäumenden Temperaments in den Schlagzeilen, legendär wurde er aber vor allem durch seine unerschöpfliche Energie, seine Zweikampfstärke, seine Führungsqualitäten und seine große Spielintelligenz. All diese Qualitäten scheinen nun auch im Überfluss bei Nuri vorhanden, dazu kommt noch ein großer Schuss Nationalstolz.
Stolz auf die Türkei
"Ich habe das Fußballspielen in Deutschland gelernt, doch als Türke habe ich nie daran gedacht, für Deutschland zu spielen", erklärte er. "Als [der türkische Nationaltrainer] Fatih Terim mich nominiert hat, hat sich meine Welt verändert. Ich konnte nicht mehr schlafen, ich war so begeistert über die Chance, neben meinen großen Idolen spielen zu dürfen. In meinem ersten Länderspiel gleich ein Tor zu schießen war großartig, doch es gegen Deutschland erzielt zu haben, war noch schöner." Sollte er am Mittwoch im entscheidenden FIFA-WM-Qualifikationsspiel in Albanien zum Einsatz kommen, wird er sich für sein Land zerreißen, winkt doch die WM-Endrunde in seiner zweiten Heimat Deutschland.