Debbie Hewitt : „Die grösste Europäische Frauensportveranstaltung der Geschichte“
Mittwoch, 6. Juli 2022
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Debbie Hewitt, die erste Frau an der Spitze des Englischen Fußballverbands (FA) in der 158-jährigen Verbandsgeschichte, erklärt, wie die Women’s EURO 2022 dem gesamten englischen Fußball Auftrieb verleihen wird.
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Was bedeutet es für den Englischen Fußballverband, die Women’s EURO in diesem Sommer auszurichten?
Das ist ein riesiges Privileg. England hat die Women’s EURO zuletzt 2005 ausgerichtet, was wirklich eine Ehre war, aber das Turnier und die Beliebtheit des Frauenfußballs sind seither enorm gewachsen. Uns ist bewusst, dass es ein größeres Spektakel als damals werden wird und dass es eine unglaubliche Chance ist, die nächste Generation von Spielerinnen und Fans zu begeistern.
Dieses Jahr nehmen 16 Länder teil; 2005 waren es noch acht, was bedeutet, dass das Turnier nun doppelt so groß ist. Der Frauenfußball ist in England und in ganz Europa in den letzten Jahren exponentiell gewachsen und wir möchten auf diesem Momentum aufbauen.
Uns geht es um zwei Dinge: Zum einen soll ein denkwürdiges Turnier ausgerichtet werden, das alle Rekorde bricht, zum anderen soll ein konkretes Vermächtnis hinterlassen werden, um dem Wachstum des Frauenfußballs noch mehr Schwung zu verleihen, verbunden mit der Hoffnung, weiteren 500 000 Frauen und Mädchen die Möglichkeit zu geben, Fußball zu spielen und über im Zuge der EM geschaffene Netzwerke in den Austragungsstädten mit dem Fußball in Kontakt zu bleiben.
Wie groß ist die Nachfrage nach Eintrittskarten für diese Women’s EURO und was sagt das über das Interesse am Frauenfußball aus?
Die Nachfrage ist schon jetzt schier unglaublich. Wir haben bereits mehr als 500 000 Tickets an Fans verkauft. Allein wegen der UEFA Women‘s EURO in diesem Sommer erwarten wir in England beinahe 100 000 Besucherinnen und Besucher aus aller Welt.
Uns geht es um zwei Dinge: Zum einen soll ein denkwürdiges Turnier ausgerichtet werden, das alle Rekorde bricht, zum anderen soll ein konkretes Vermächtnis hinterlassen werden, um dem Wachstum des Frauenfußballs noch mehr Schwung zu verleihen.
Der bisherige Zuschauerrekord für die Women’s EURO liegt bei insgesamt 240 045 Personen; das war bei der EURO 2017 in den Niederlanden. Wir sind auf gutem Weg, diese Zahl zu verdoppeln, und wir werden auch versuchen, beim Finale in Wembley einen neuen Zuschauerrekord aufzustellen.
Dies wäre bei ausverkauftem Haus am 31. Juli der Fall und ein Rekord nicht nur für ein Frauen-EM-Finale, sondern für ein EM-Endspiel überhaupt, egal, ob Männer oder Frauen. Es würde Bände sprechen über die bedeutende Entwicklung, die der Frauenfußball in den letzten Jahren genommen hat.
Wie nutzt der Englische Fußballverband die Gelegenheit, in diesem Sommer für den Frauenfußball zu werben?
Die Women’s EURO hat ein enormes Potenzial, so viel mehr zu sein als nur der großartige Fußball auf dem Rasen. Es ist eine großartige Gelegenheit für uns, mit Menschen in Kontakt zu treten, die sich vielleicht noch nie näher mit Fußball befasst haben – nicht nur mit Frauenfußball, sondern mit Fußball generell.
An Spieltagen finden in den Austragungsstädten diverse Aktivitäten statt, von Fanpartys bis hin zu Veranstaltungen für Familien, Konzerte, Kunstinstallationen oder Ausstellungen in Museen und im Freien. Unsere EURO-Roadshow wird im Vorfeld in jeder Austragungsstadt Halt machen und versuchen, die Menschen zu begeistern und zum Mitmachen zu ermutigen.
Wir haben dafür gesorgt, dass rund um das Turnier für alle etwas dabei ist.
Können Sie die Ziele des Plans zum Vermächtnis der Women’s EURO erläutern, dessen Zweck darin besteht, eine neue Generation von Fußballerinnen zu inspirieren? Die FA spricht von 120 000 zusätzlichen Mädchen, die dadurch regelmäßig Fußball spielen sollen – aber wie wollen Sie das erreichen?
Wir sind überzeugt, dass das Turnier langfristig einen nachhaltigen, positiven Wandel im Mädchen- und Frauenfußball bewirken wird. Mit unserem Verband wollen wir sicherstellen, dass Mädchen in Schulen und Vereinen die gleichen Möglichkeiten haben Fußball zu spielen wie Jungs. Wir arbeiten mit den Austragungsstädten sowie Schulen und Vereinen zusammen, um diese Ziele schneller voranzutreiben und inklusive, auf Vielfalt ausgerichtete Programme auf den Weg zu bringen, bei denen sich alle Mädchen willkommen fühlen. Nach unserer Rechnung können wir so 120 000 Mädchen in den Austragungsstädten zum Fußballspielen bewegen.
Wir arbeiten mit verschiedenen Schulen zusammen, um den Mädchenfußball in den Sportunterricht zu integrieren und Mittel bereitzustellen, um Mädchen zum Fußballspielen während der Mittagszeit und nach der Schule zu ermuntern. Wir arbeiten auch mit Breitenfußballvereinen zusammen, um sicherzustellen, dass über 75 % davon wenigstens ein Mädchenteam hat (derzeit sind es nur rund 30 %), und wir werden mit den regionalen FA-Teams zusammenarbeiten, um unsere kostenlosen Schnupperkurse für Mädchen und Frauen im ganzen Land auszuweiten.
Wir sind sehr zufrieden mit dem bisherigen Engagement seitens der Interessenträger aus dem Profi- und Nationalmannschaftsfußball.
Was unternimmt die FA, um sicherzustellen, dass nicht nur neue Spielerinnen, sondern auch Schiedsrichterinnen, Trainerinnen, Übungsleiterinnen und Ehrenamtliche hinzugewonnen werden?
Wir wollen nicht nur mehr Mädchen und Frauen zum Fußballspielen motivieren, sondern auch mehr Frauen in anderen Bereichen des Fußballs einbinden. Im Rahmen des Programms zur Wahrung des Vermächtnisses in den Austragungsstädten sollen 300 neue Trainerinnen und 350 neue vom Verband ausgebildete Schiedsrichterinnen mit unterschiedlichem Hintergrund ihre Qualifikation erlangen. Ferner möchten wir, dass 1 000 Frauen und Mädchen die Playmaker-Schulung der FA auf Grundstufe absolvieren. Dabei handelt es sich um einen kostenlosen Online-Kurs für Personen, die sich als ehrenamtliche Trainerinnen oder Trainer im Breitenfußball engagieren möchten.
Mit der Women’s Super League (WSL) verfügt England mittlerweile über eine der stärksten Frauenfußballligen der Welt. Wie wichtig war es, eine reine Profiliga zu haben, um das Niveau anzuheben und englischen Talenten eine Bühne und mehr Chancen zu bieten?
Die Einführung einer reinen Profiliga hat entscheidend dazu beigetragen, die Standards insgesamt anzuheben. Inzwischen verfügen wir über eine Liga, in der die besten Spielerinnen aus der ganzen Welt zusammen mit unseren eigenen Talenten spielen. Neue kommerzielle und Sendepartner haben es uns ermöglicht, zahlreiche neue Fans hinzuzugewinnen. So konnten wir auch unsere Spielerinnen als Vorbilder für junge Mädchen in Szene setzen und diese motivieren, mit dem Fußballspielen zu beginnen und etwas aus ihrem Talent zu machen. Das tägliche Training mit den besten Spielerinnen der Welt hilft unserem Nachwuchs, sich weiterzuentwickeln und Spitzenleistungen zu erbringen. Unsere aktuelle Nationalelf verfügt über eine tolle Mischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen, zumeist aus den Erstligateams, wo sie Woche für Woche auf dem physischen und technischen Niveau spielen, das nötig ist, um noch besser zu werden. Seit der letzten Women’s EURO 2017 haben 25 Spielerinnen ihr Debüt für England gegeben, was zeigt, wie viele Talente aus unseren Ligen nachkommen.
Das Spannende an der Entwicklung des Frauenfußballs ist, dass das Beste noch bevorsteht. Eine Heim-EM ist eine Riesenchance, den Fußball in neuen Sphären zu führen.
Können Sie uns sagen, welche Bedeutung der Broadcasting-Deal der Women’s Super League mit Sky und der BBC hat und was das für Einnahmen und Medienpräsenz heißt?
Das erste Jahr unserer Broadcasting-Vereinbarung mit Sky Sports und der BBC war sehr positiv und die Medienpräsenz hat das Spiel einem neuen Publikum zugänglich gemacht.
Dass die BBC die Spiele im frei empfangbaren Fernsehen übertragen hat, hat uns beim Derby in Manchester letzte Saison einen Spitzenwert von über einer Million Zuschauerinnen und Zuschauer beschert, während der Höchstwert im Saisonverlauf durchschnittlich bei über 950 000 auf BBC One und bei etwa einer halben Million auf BBC Two lag.
Das Spannende an der Entwicklung des Frauenfußballs ist, dass das Beste noch bevorsteht. Eine Heim-EM ist eine Riesenchance, den Fußball in neuen Sphären zu führen.
Sky Sports hat mit seinen eingehenden Analysen im Rahmen seiner Live-Übertragungen eine neue Dimension für den Frauenfußball geschaffen, für die durchschnittlich insgesamt 420 000 Menschen pro Wochenende einschalteten. Es ist die perfekte Kombination und wir haben so positive Reaktionen von neuen und alten Fans bekommen, wobei sich die Zuschauerzahlen im Vergleich zur letzten Saison fast vervierfacht haben. Die Einnahmen aus den TV-Verträgen fließen zurück in den Profifußball und gewährleisten, dass er weiter wächst und unseren Spielerinnen optimale Möglichkeiten bietet.
Bitte verraten Sie uns zum Schluss noch, wie Sie den Unternehmergeist und die Erfahrung des Privatsektors nutzen, um die Zukunft des Fußballs nachhaltig zu gestalten.
Wir beobachten, dass werteorientierte Unternehmen insgesamt eine Vision verfolgen, die darin besteht, positive Veränderungen für Frauen und Mädchen herbeizuführen; deshalb haben sie auch ein Interesse daran, in den Frauenfußball zu investieren. Unsere Partnerschaft mit Barclays ist ein Beispiel dafür. Sie besteht seit 2019; es gab seither große Investitionen, aber auch große Fortschritte zu verzeichnen. Im Dezember haben wir eine Verlängerung unserer Zusammenarbeit bekanntgegeben, in deren Rahmen sowohl auf Profi- als auch auf Breitenfußballebene 30 Millionen Pfund in den Frauenfußball investiert werden. Dies unterstreicht Barclays’ Engagement auf allen Ebenen des Frauen- und Mädchenfußballs, nicht nur auf höchster Ebene.
Ähnlich verhält es sich mit Visa, einem der frühesten Sponsoren des UEFA-Frauenfußballs. Das Unternehmen unterstützt auch unsere Marketingprogramme für den Ticketverkauf und die Maximierung der Zuschauerzahlen.
Eine weitere neue große Marke ist Vitality; der Reifenhersteller Continental ist derweil schon seit über zehn Jahren im Frauenfußball aktiv. Im Laufe des Sommers werden wir darüber hinaus einige spannende Partnerschaften bekanntgeben, die zeigen werden, wie weit der Frauenfußball bereits gekommen ist. Viele Unternehmen verfolgen unterdessen einen gänzlich anderen Ansatz. Sie zeigen mittlerweile ein großes Interesse für unseren Sport und konkurrieren inzwischen sogar darum, Teil davon sein zu können.
Wenn ich eine Botschaft an Ihre Leserinnen und Leser richten darf, dann diese: Die UEFA Women’s EURO 2022 in England wird die größte europäische Frauensportveranstaltung der Geschichte werden.
Dieser Artikel stammt ursprünglich aus UEFA Direct Nr. 198