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Von Siebenthal über Vergangenheit und Zukunft

Béatrice von Siebenthal trainierte sieben Jahre die Schweizer Frauen-Nationalmannschaft, im Interview mit UEFA.com spricht sie über ihre Amtszeit und ihre Zukunft.

Die Schweiz setzte sich auf dem Weg zu den WM-Play-offs gegen Dänemark durch
Die Schweiz setzte sich auf dem Weg zu den WM-Play-offs gegen Dänemark durch ©Keystone

Sie ist das bekannteste Gesicht des Schweizer Frauenfußballs und noch immer die einzige Schweizer Trainerin mit UEFA-Pro-Lizenz: die 47-jährige Béatrice von Siebenthal. Bis im vergangenen Dezember betreute sie rund sieben Jahre die A-Nationalmannschaft, bis Ende Juni leitet sie noch das Mädchen-Ausbildungszentrum, ehe sie einen neuen Weg einschlägt. Im Interview mit UEFA.com spricht sie über ihre Amtszeit und ihre Zukunft.

UEFA.com: Béatrice von Siebenthal, 2005 übernahmen Sie die Verantwortung für die Frauen-A-Nationalmannschaft. Welche Ziele haben Sie sich damals gesetzt - und: Haben Sie sie erreicht?

Béatrice von Siebenthal: Wir wollten uns im Ranking verbessern, das heißt: den Top Ten nähern. Und wir wollten uns nach Möglichkeit für eine Endrunde qualifizieren, zumindest ernsthaft um eine Qualifikation mitspielen.

UEFA.com: Zur Teilnahme an der FIFA Frauen-WM 2011 in Deutschland hat in der Tat nicht viel gefehlt. Sie wurden Gruppensieger. Ein Erfolg, über den Sie überrascht waren und der womöglich noch zu steigern gewesen wäre?

Von Siebenthal: Vor Beginn jeder Kampagne glaubt man, etwas zu erreichen zu können. Bei realistischer Betrachtung konnten wir aber nicht vom Gruppensieg ausgehen, da wir aus Topf 3 gezogen worden und somit zwei Höherklassierte hinter uns lassen mussten. Aber am Ende, nach der Play-off-Niederlage, war der Gruppensieg ohnehin umsonst. Es hat, unter dem Strich, einfach nicht gereicht. Man kann deshalb auch nicht sagen, dass mehr drin gewesen wäre.

UEFA.com: Was brauchen die Schweizerinnen, damit es mal für eine Endrunden-Qualifikation reicht?

Von Siebenthal: Souveränität, die letzte Konsequenz, der sogenannte Killerinstinkt. Das Offensivpotenzial ist zwar gut, muss aber noch besser ausgeschöpft werden. Die Teamorganisation ist gut - so wie es eigentlich typisch ist für eine Schweizer Mannschaft. Zu verbessern ist das Eins -gegen- Eins-Verhalten sowohl defensiv wie offensiv. Und im Kopf muss die Mannschaft Fortschritte machen, sie muss so weit sein, dass sie sagen kann: Egal wer kommt, wir spielen unser Spiel. Aber das braucht Zeit.

UEFA.com: Kurz zur gegenwärtigen Qualifikation, jener für die UEFA Euro 2013: Wie lautet Ihr Zwischenfazit:

Von Siebenthal: Deutschland in der Gruppe zu haben, ist immer eine Hypothek. Da ist die Differenz einfach zu groß. Und auch die Spanierinnen sind sehr stabil, obwohl wir im Direktduell trotz einiger Ausfälle nur knapp verloren haben (2:3, Anm.). Gesunken sind die Qualifikationschancen zusätzlich durch das Unentschieden im Direktduell der Spanierinnen und der Deutschen.

UEFA.com: Wenn wir den Rasen verlassen: Wo steht der Schweizer Frauenfußball nach knapp sieben Jahren unter der Führung von Béatrice von Siebenthal als Nationaltrainerin ganz grundsätzlich?

Von Siebenthal: Ich war ja seit 1995 für den Schweizerischen Fußballverband tätig, zunächst als Nachwuchsnationaltrainerin, dann auch als Ressortchefin Frauenfußball und zuletzt auch als Verantwortliche verschiedener Fördermaßnahmen im Frauen-Spitzenfussball. In meinem ersten Jahr als A-Nationaltrainerin setzte ich 43 Spielerinnen ein, nicht weil ich wollte, sondern weil nach fast jedem Zusammenzug Spielerinnen absprangen. Die Nationalmannschaft sei zusammen mit dem Klubfußball und den beruflichen Belastungen nicht zu vereinen, wurde geklagt. Inzwischen haben wir das Team stabilisiert; es springen weniger ab. Auch weil die Spielerinnen nun ein Taggeld erhalten - ein Anreiz, das berufliche Pensum zu reduzieren. Ganz generell hat der Frauenfußball inzwischen eine andere Bedeutung. Heute gibt es ein Ausbildungszentrum, Mädchen werden in Sportlerklassen aufgenommen, das war bis vor wenigen Jahren noch ganz anders.

UEFA.com: Werden dank des Ausbildungszentrums auch künftig viele Juniorinnen ins A-Team aufrücken - oder gar noch mehr?

Von Siebenthal: Die Tendenz ist eher sinkend. Weil die Spielerinnen mittlerweile länger im A-Team spielen, ist der Bedarf an kurzfristig nachrückenden Kräften nicht mehr ganz so groß wie zu Beginn. Damals mussten wir den A-Kader zuhauf mit Nachwuchsleuten besetzen, weil sonst zu wenige Leute gehabt hätten. Die Jungen sind heute natürlich auch noch wichtig, aber heute haben sie eher die Möglichkeit, sich in den Nachwuchsmannschaften zu bewähren, bevor sie nach oben kommen.

UEFA.com: Gibt es mit der Schweiz vergleichbare Länder, bei denen Sie ähnliche Fortschritte feststellen?

Von Siebenthal: Belgien zum Beispiel, das mit den Niederlanden eine eigene Liga gegründet hat. Auch Irland hat nun eine eigene Liga - das gibt einen Schub. Auch Schottland profitiert wie Irland von der Nähe zur englischen Premier League, einer Top-Liga. Die Spanierinnen habe ich ohnehin auf der Rechnung. Das sind alles Länder, deren Qualifikationschancen durch die Aufstockung der Euro auf 24 Teams steigen. Damit fördert die UEFA fußballerische Entwicklungsländer.

UEFA.com: Die UEFA investiert ohnehin viel in den Frauenfußball.

Von Siebenthal: Das stimmt. Sie hat auch die Champions League für Frauen eingeführt und leistet viel in der Vermarktung. Sie hat einen schweren Job, indem sie sich gleichermaßen mit fußballerischen Top- und Entwicklungsländern auseinanderzusetzen hat. Denn es braucht weiterhin eine Förderung, die den einzelnen Ländern angepasst wird.

UEFA.com: Zu Ihnen persönlich: Ihr Vertrag mit dem Schweizerischen Fußballverband endet im Juni. Wo werden wir Sie danach sehen?

Von Siebenthal: Ich habe nicht geringste Ahnung. Ich will aber im Fußball bleiben, das hat oberste Priorität. Ich weiß aber auch, dass die Stellen beschränkt sind.

UEFA.com: Käme ein Engagement im Ausland infrage? Zum Beispiel in Deutschland?

Von Siebenthal: Ich bin offen für Neues und möchte nichts ausschließen, selbst eine Tätigkeit mit Männern nicht - im Nachwuchs wohlgemerkt. Ich bin jedenfalls nicht an die Schweiz gebunden, kann mir auch eine Tätigkeit im Ausland vorstellen, will aber in einem professionell denkenden und strukturiertem Umfeld arbeiten, das gibt's ja nicht nur in Deutschland...